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lehre:sose2017:sozialwissmeth:analysen:bockermann:tandem22

Tandem 22

  • Tandempartner*in 1: Mauthofer; Claudia
  • Tandempartner*in 2: Bakirtzis; Atiye

Einleitung

Die Dissertation „Wo verläuft der Digital Divide im Klassenraum? Lehrerhandeln und Digitale Medien“, verfasst von Iris Bockermann, wurde 2011 in Bremen veröffentlicht (vgl.Bockermann,2012,II) und 2012 auf dem Server der Deutschen Nationalbibliothek online publiziert.In ihrer Arbeit wird der Zentral-Forschungsfrage nachgegangen, welche Ausrichtungs-und Erklärungssmuster für die spezielle Haltung von LehrerInnen bezüglich Digitalen Medien im Bildungskontext elementar sind (vgl.Bockermann,2012,III).

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Bockermann widmet sich in ihrer Arbeit den Fragestellungen:„[…]Welche Orientierungs- und Deutungsmuster für das besondere Verhältnis von Lehrkräften zu Digitalen Medien im Bildungskontext konstitutiv sind, worauf Lehrkräfte referenzieren, wenn sie Digitale Medien verorten und interpretieren, und ob es verallgemeinerbare Orientierungs- und Deutungsmuster gibt“ (vgl.Bockermann,2012,S.6). Nach Flick ist es im Kontext der Sozialforschung von zentraler Bedeutung eine gesellschaftlich relevante Problemstellung zu bearbeiten, bei der die Fragestellung einen Nutzen erbringt.Bockermann zeigt dies in ihrer Habilitation auf und ergänzt durch ihren Fokus (vgl.Flick,2009,S.38-39) auf aktive Lehrkräfte vorhandene Untersuchungen, was den Diskurs bereichert (vgl.Bockermann,2012,S.69). Allerdings geht Bockermann nicht darauf ein, ob und wenn ja welche persönliche Beziehung sie zur Fragestellung hat. Als theoretische Einbettung ihrer Fragestellungen dient Bockermann, dass Digitale Medien in der Schule von den Lehrkräften nicht in der Breite und Tiefe eingesetzt werden wie man es erwarten würde, obwohl Medienkompetenz und Medienbildung in der Schule einen besonderen Stellenwert bekommen sollen und Kinder und Jugendliche tendenziell medienaffin sind.

Nach Flick bezieht sich die Fragestellung auf die Beschreibung des Zustandes (und nicht der Prozesse bzw. Entwicklung)(vgl.Flick,2009,S.40). Dies passt gut zu der sich aus dem Kontext implizierenden Frage nach der Ursache des aktuellen Zustandes.

Auffällig an der Arbeit ist die im Abstract aufgeführte Kernannahme:„[…]Lehrkräfte scheinen ein besonderes Verhältnis zu Digitalen Medien in Bezug auf den Einsatz dieser in Bildungskontexten zu haben, was den selbstverständlichen und vertieften Einsatz bremst oder gar verhindert“ (vgl.Bockermann,2012,S.III). Die Autorin schreibt ferner:„[…]Vor dem Hintergrund, dass ich erwarte, dass nicht alle Lehrkräfte Medien aufgeschlossen gegenüberstehen“(ebd.,S.82). Sie argumentiert:„[…]Es scheinen besondere Gründe vorzuliegen, warum Lehrkräfte sich den Medien im Bildungskontext so beharrlich verschließen“(ebd.,S.6). Die Formulierungen vermitteln den Eindruck, dass die Annahme auf persönlicher Einschätzung und nicht auf vorausgegangenen wissenschaftlichen Studien basiert.

Annäherung ans Feld

Laut Bockermann herrsche in deutschen Schulen ein ambivalentes Verhältnis zu Medienbildung und digitalen Medien. Trotz, dass ein konkreter Bildungsauftrag sowie diverse Anstrengungen die Pforten für Medien geöffnet haben, wird dieser Umstand von Lehrkräften faktisch abgelehnt. Diesem Umstand möchte Bockermann explorativ auf den Grund gehen(Vgl.Bockermann,2012,S.III).

Aus früheren Studien mit SchülerInnen/Lehramtstudierenden zeichnen sich bereits erste Nuancen in Hinblick auf den Umgang mit Medien ab, allerdings nimmt sie in ihrer eigenen Forschung Abstand davon, da die Beforschten mangels Erfahrung in Stigmatisierungen gedrängt werden. Sie löst sich von möglichen Annahmen, Erwartungen und Unterstellungen und konzentriert sich auf medienbiographische Erfahrungen, sowie den Einfluss der Mediensozialisation von praktizierenden Lehrkräften auf privater und beruflicher Ebene (Ebd. S.69).

Insbesondere Kapitel 4 zeigt auf, wie Bockermann ihre potenziellen UntersuchungsteilnehmerInnen zur Mitwirkung gewinnt und zugleich erreicht, dass diese zu konkreten Interviews/anderen Daten führt (Zit.Flick,1995/2007,S.143).

Im Rahmen ihrer Lektorinnentätigkeit an der Uni Bremen ist sie betraut, angehende LehrerInnen theoretisch und praktisch in der Rubrik Digitalmedien auszubilden. Desweiteren stehen ihre LehrveranstaltungsteilnehmerInnen diesem Gebiet mindestens aufgeschlossen gegenüber, da sie allesamt einen Leistungsschein erhalten möchten. Daher wählt sie diese als Zielgruppe für die Blog-Erhebung, die primär als eine Vorstudie zur Digitalmedien-Haltung fungiert(Vgl.Bockermann,2012,S.93).

Vertieft und spezifiziert wird diese in der Hauptstudie (Kernstück) durch leidfadengestützte Interviews mit LehrerInnen aus der Schulpraxis. Hierfür wählt Bockermann LehrerInnen aus 2 sehr jungen Schulen, welche entsprechend technik-und medienafin ausgestattet sind. Daraus erhofft sie sich eine offene Gesprächs-und Diskussionskultur (Ebd.S.79).

Da Ängste der Feldmitglieder vor Weitergabe von Informationen und die Wahrung des Vertrauens-und Datenschutzes eine erhebliche Rolle spielen (Vgl.Flick,1995/2007,S.150), wird der Blog mit einem Passwort geschützt (Vgl.Bockermann,2012,S.75) und die Interviews mit den Lehrkräften umfassend anonymisiert (klare Forderung seitens der Interviewten) (Ebd.,S.86). Anzumerken wäre demnach, dass Bockermann wichtige Voraussetzungen für qualitative Forschung erfüllt, da sie Schädigungen/ Täuschungen vermeidet und den Datenschutz gewährleistet (Zit.Flick,2009,S.282).

Sammlung der Daten

Bockermann exploriert das Forschungsfeld mit zwei Erhebungs-und Auswertungsverfahren. Die Blog-Erhebung mit angehenden Lehrkräften fungiert als Vorstudie, um eine erste Verhältnisbestimmung zu definieren. Darauf basierend folgt die Hauptstudie, in deren Rahmen praktizierende LehrerInnen leitfadengestützt als ExpertenInnen interviewt werden, um die Vorstudienerkenntnisse zu vertiefen und zu spezifizieren (Vgl. Bockermann,2012,S.74-75).

Erhebungsverfahren wie ExpertInnen-Interviews von Bockermann, die durch Aufzeichnung und Transkiption in Texte verarbeitet werden, kann man auch als Weg von der Theorie zum Text und vom Text zur Theorie skizzieren (Zit.Flick,1995/2007,S.13). Ihre Interviews haben ein natürliches Design und sind von rekonstruktivem Charakter (Vgl.Flick,1995, S.156). Ausserdem sind sie inhaltsanalytisch und narrativ fundiert, um Erfahrungen/Orientierungen spezifischer herausarbeiten zu können. Die Rekonstruktion dieser Handlungsorientierungen erschaffen wiederum einen Zugang zur Handlungspraxis.

Zunächst werden die LehrerInnen zu ihrem biographischen Hintergrund befragt, um im Anschluss den vorab erprobten Leitfadenkatalog durchzuarbeiten (Vgl.Bockermann,2012,S.79-80). Bockermann bringt die Lehrkräfte (Subjekte) bezüglich der Objekte (Mediennutzung) themenspezifisch,jedoch individuell, zum Antworten. Ihre Hauptaufgabe ist hierbei, Äußerungsinteressen und Struktur ihres Leitfadens unter Betrachtung der begrenzten Zeit zu vereinen. In dieser Dynamik ist jedoch die Gefahr der spezifischen Verzerrung gegeben, da der Interviewte bewusst/unbewusst eine bestimmte Form der Selbstdarstellung wählt und folglich die Wahrheit verfehlt (Vgl.Flick,1995,S.157).

Auf diesen Sachverhalt nimmt Bockermann vorsorglich Bezug und teilt mit, dass Lehrkräfte geschult sind und über ein vorbestimmtes Mindset verfügen könnten (Vgl.Bockermann,2012,S.76). Eine Möglichkeit, um spezifische Verzerrungsmomente einzugrenzen, wäre die Kombination von rekonstruktiven und interpretativen Erhebungsverfahren gewesen (Zit.Flick,1995,S.157). Auch erhält man keinerlei Informationen, wie die Interviewinhalte dokumentiert werden.

Fixierung der Daten

Für die Fixierung der Vorstudiendaten werden insgesamt 411 Blogbeiträge von LehramtsstudentInnen erstellt (vgl. Bockermann,2012.S.76). Da die Systematisierung qualitativer Aspekte im Fokus stehen, werden die Blogeinträge einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen (vgl. Bockermann,2012,S.76). „Für die Interpretation des Materials, wurde dieses mehrfach gelesen, Kategorien gebildet und immer wieder überprüft und verdichtet“ (vgl. Bockermann,2012,S.76) Für die Hauptstudie (Experteninterviews) liegt es nahe, dass Bockermann zur Fixierung der Interviews ein Diktiergerät/ Ähnliches benutzt hat. Allerdings geht an keiner Stelle des Textes hervor, welche Technik sie wirklich zur Interviewaufzeichnung nutzt. Ungeachtet dessen, weiß man basierend auf unserer bisherigen Analyse, dass Bockermann in ihrer Studie Wert auf ein natürliches Design legt. Daher ist davon auszugehen, dass sie Unterbrechungen während des Interviews größtenteils meiden würde und folglich den Rückzug des Interviewten und der Künstlichkeit zu minimieren(vgl. Flick,1995,S.160). Ein „unauffälliges“ Aufzeichnungsmedium ist daher realistisch. Sie konzentriert sich auf eine vollständige Transkiption und ist nur am Inhalt des Gesagten (basierend auf ihrem Leitfaden) interessiert (vgl. Bockermann,2012,S.90). Dadurch erscheinen ihre Interviewtexte als neue Realität und haben ferner die eigentlich interessierende Realität ersetzt (vgl. Flick,1995,S.162). Sämtliche Transkiptionsregeln sind im Anhang dieser Studie auf Seite 207 vorzufinden.

Interpretation der Daten

Bockermann bezeichnet ihre Forschung als qualitativ und beschreibt ihre Auswertungsmethode folgendermaßen (Vgl.Bockermann,2012,S.89): In drei Schritten findet erst eine Transkription statt, dann folgen eine Analyse und eine Systematisierung der Ergebnisse. Bei der Transkription, die das vollständige Interview betrifft, betrachtet sie nur die Inhalte und lässt paraverbale (z.B. Versprecher und Lautstärke) und nonverbale Elemente (z.B. lange Pausen) bewusst aus.Für die Analyse hat sich die Autorin für ein inhaltsanalytisches Verfahren entschieden.

Die Interpretation der Interviewergebnisse soll dabei nicht einzelfallanalytisch, sondern entlang thematischer Einheiten und unter Einbezug individueller/persönlicher Erfahrungs- und Wissensbeständen stattfinden (Ebd.,S.90).

Das von ihr ausgewählte Vorgehen nach Meuser und Nagel wird um individuelle Erfahrungsräume und Statuspassagen erweitert. Die Generierung thematischer Codes erfolgt nach einem induktiven Verfahren mit dem Interview-Leitfaden und den dort abgesteckten Themenfeldern als grobem thematischem Rahmen (Ebd.,S.91).

Für die Auswertung der Interviews wird die eigentlich auf quantitative Verfahren ausgerichtete Software MaxQDA verwendet.

Bei näherer Betrachtung stellt die angewendete Transkription der Interviewantworten – z.B. Ebd.,S.150 – auch eine Mischung aus Zusammenfassender und Explizierender Inhaltsanalyse (Vgl.Flick,2009,S.150) dar: Paraphrasierende Bereinigung des Textes von unwichtigen Textabschnitten und Ergänzen von Informationen entsprechend der engen Kontextanalyse (Vgl.Flick,2009,S.152).

Bei der Analyse der Blogbeiträge werden „Cluster“ (Zwangsehe, Zweckgemeinschaft, Rückwärtsgewandte) identifiziert (Vgl.Bockermann,2012,S.95).

Geltungsbegründung

Forschung als Diskurs

Literatur

  • Bockermann, Iris. „Wo verläuft der Digital Divide im Klassenraum? Lehrerhandeln und Digitale Medien“. Online publiziert auf dem Server der Deutschen Nationalbibliothek (2012): http://d-nb.info/1071992643 (Letzter Zugriff: 08.06.2017,16:19 Uhr)
  • Flick, Uwe. „Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen“. Weinheim (1995)
  • Flick, Uwe. „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“. Hamburg (1995,2007)
  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg (2009)

Zweiter Text: Begründete Einschätzung anderer Analysen

Ranking: 1. Platz, 2. Platz, 3. Platz, 4. Platz (jeweils Tandem-Nummer eintragen)

Tandem 39, Platz 1

Die Analyse hinterlässt einen positiven Eindruck. Allerdings wird durch fehlerhaft indirektes Zitieren die ansonsten korrekte Fragestellung inhaltlich verdreht. Es entsteht der falsche Eindruck, dass es in der Studie primär um den Einsatz der digitalen Medien im schulischen Kontext geht (anstelle der Einstellungen und Haltungen der Lehrkräfte). Gut hingegen sind die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Fragestellung und Geltungsbegründung nach Flick. Grundsätzlich sind die Texte der Analyse klar und verständlich beschrieben, könnten jedoch teilweise durch zusätzliche wissenschaftliche Diskussionen und entsprechende externe Quellen weiter aufgewertet werden. Die Zitierweise ist sehr gut und durchgängig.

Tandem 02 , Platz 2

Im sprachlichen und inhaltlichen Spektrum können keine signifikanten Mängel festgestellt werden. Die wichtigsten Aussagen Bockermanns , die zentrale Forschungsfrage sowie die Vorgehensweise dieser qualitativen Studie werden identifiziert und sauber herausgearbeitet. Einzelne Schritte Bockermanns können größtenteils mit weiterführender Literatur transparent nachvollzogen und angemessen belegt werden. Das Verhältnis zwischen Beschreibungen und durch Quellen belegte Erklärungen sind überwiegend ausgewogen. Der rote Faden ist ersichtlich. Mangelhaft ist, dass die Quellenangabe Bockermanns Dissertation im Literaturverzeichnis unvollständig ist. Es fehlen der Internetlink der Deutschen Nationalbibliothek, sowie der letzte Zugriff. Auch wird bei den Quellenangaben öfters das „S.“ für die Seitenzahl vergessen. Leider wird auch nicht darauf eingegangen, dass es in der Hauptstudie aufgrund der Berufsethik der Untersuchten zu spezifischen Wahrheitsverzerrungen kommen kann.

Tandem 03, Platz 3

Die Analyse ist von schwankender Qualität. So wird durch fehlerhaft indirektes Zitieren, die ansonsten korrekte Fragestellung, inhaltlich verdreht. Es entsteht der falsche Eindruck, dass es in der Studie primär um den Einsatz der digitalen Medien im schulischen Kontext geht (anstelle der Einstellungen und Haltungen der Lehrkräfte). Hilfreich wäre auch eine wissenschaftliche Analyse und theoretische Einbettung der Fragestellung. Gut ist der Verweis der Analyse auf die unzureichend berücksichtigte Dozententätigkeit der Autorin. Externe Quellen werden teilweise sehr gut (z.B. in den Bereichen Sammlung der Daten und Geltungsbegründung) und teilweise gar nicht (z.B. im Bereich Auswertungsverfahren) herangezogen. Die Zitierweise ist grundsätzlich sehr gut, allerdings gibt es einzelne Stellen, an denen Quellenangaben fehlen.

Tandem 37, Platz 4

Eine separate Einleitung ist empfehlenswert, da es einen einfacheren Leseeinstieg gewährleistet. Auffällig ist, dass der Hauptanteil des Entwurfstextes durch viele wörtliche Zitierungen gekennzeichnet ist. Der Text wirkt wie eine Nacherzählung basierend auf fremdem Gedankengut und stört durch die zahlreichen Zitatklammern den Lesefluss. Wörtliche Zitate sind dort sinnvoll, wo der exakte Wortlaut wichtig für das Verständnis des Textes ist. Selbstkreierte Sätze würden der Arbeit ferner eine persönlichere Note verleihen. Ausserdem sind die Sätze (z.B. Bockermanns Wahl eines Auswertungsverfahrens) zum Teil ungünstig formuliert, sodass man einen Satz mehrmals lesen muss, um die Kernaussage nachzuvollziehen. Zu beachten gilt auch die Vereinheitlichung der Zeitformen und Zitierweisen. Positiv ist, dass die Gendersprache eingehalten, die signifikantesten Vorgehensweisen/Methoden identifiziert und zentrale Fragestellungen herausgearbeitet werden.

Dritter Text: Endfassung

Einleitung

Die Dissertation „Wo verläuft der Digital Divide im Klassenraum? Lehrerhandeln und Digitale Medien“, verfasst von Iris Bockermann, wurde 2011 in Bremen veröffentlicht und 2012 auf dem Server der Deutschen Nationalbibliothek online publiziert (vgl. Bockermann 2012:II). In ihrer Arbeit wird der Zentral-Forschungsfrage nachgegangen, welche Ausrichtungs- und Erklärungssmuster für die spezielle Haltung von LehrerInnen bezüglich Digitalen Medien im Bildungskontext elementar sind (vgl. ebd.:III).

Verhältnis Theorie-Gegenstand

„Qualitative Forschung beinhaltet ein spezifisches Verständnis des Verhältnisses von Gegenstand und Methode“ (Flick 1995/2007:122). Bockermann bringt sich vorab mithilfe themenverwandter Studien, u.a. von Middendorf, Ulich, Kammerl, Tichenor, Bonfadelli und Tulodziecki, auf einen aktuellen Forschungsstand (vgl. Bockermann 2012:23f,67ff). Ihre Forschung grenzt sie durch ihre Fragestellung und ihren Fokus auf LehrerInnen im aktiven Schuldienst ab: „Denn offen bleibt, wie diese Praxis im Schulalltag von Lehrkräften erlebt und gestaltet wird und ob Digitale Medien Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung, die inhaltliche Aufbereitung des Unterrichtsstoffs, die Vermittlungspraxen und das LehrerInnen-SchülerInnen-Arrangement haben“ (ebd.:69). Kombiniert mit den Forschungsfragen lässt sich der zentrale Forschungsgegenstand konstruieren: Orientierungs- und Deutungsmuster, die für das Verhältnis von Lehrkräften zu digitalen Medien konstitutiv sind und Auswirkungen auf die Lehrpraxis haben (vgl. ebd.:III,69,74). Bockermann nennt ihre Studie explorativ und hofft implizit, dass sich im Forschungszeitraum neue Theorien/Hypothesen entwickeln (vgl. ebd.:III,6). Für die Hypothesen-und Theoriebildung während des Forschungsprozesses, wird häufig die 'Grounded Theory' herangezogen, zu deren Unterpunkten auch das 'Prinzip der Offenheit' angehört (vgl. Flick 1995:150). Bockermann betont die Notwendigkeit von 'Offenheit in alle Richtungen' in ihrem inhaltlichen Feld (Bockermann 2012:78). „Das Prinzip der Offenheit besagt, daß die theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstandes zurückgestellt wird, bis sich die Strukturierung des Forschungsgegenstandes durch die Forschungssubjekte herausgebildet hat„ (Hoffmann-Riem 1980:343).

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Bockermann widmet sich in ihrer Arbeit den Fragestellungen, welche Orientierungs- und Deutungsmuster für das besondere Verhältnis von Lehrkräften zu digitalen Medien im Bildungskontext konstitutiv sind, worauf Lehrkräfte referenzieren, wenn sie Digitale Medien verorten und interpretieren, und ob es verallgemeinerbare Orientierungs- und Deutungsmuster gibt (vgl. Bockermann 2012:6). Nach Flick ist es im Kontext der Sozialforschung von zentraler Bedeutung eine gesellschaftlich relevante Problemstellung zu bearbeiten, bei der die Fragestellung einen Nutzen erbringt. Bockermann zeigt dies in ihrer Habilitation auf und ergänzt durch ihren Fokus (vgl. Flick 2009:38f) auf aktive Lehrkräfte vorhandene Untersuchungen, was den Diskurs bereichert (vgl. Bockermann 2012:69). Allerdings geht Bockermann nicht darauf ein, ob und wenn ja welche persönliche Beziehung sie zur Fragestellung hat. Als theoretische Einbettung ihrer Fragestellungen dient Bockermann, dass Digitale Medien in der Schule von den Lehrkräften nicht in der Breite und Tiefe eingesetzt werden wie man es erwarten würde, obwohl Medienkompetenz und Medienbildung in der Schule einen besonderen Stellenwert bekommen sollen und Kinder und Jugendliche tendenziell medienaffin sind (vgl. ebd.:5ff,73f). Laut Flick bezieht sich die Fragestellung auf die Beschreibung des Zustandes (und nicht der Prozesse bzw. Entwicklung) (vgl. Flick 2009:40). Dies passt gut zu der sich aus dem Kontext implizierenden Frage nach der Ursache des aktuellen Zustandes. Auffällig an der Arbeit ist die im Abstract aufgeführte Kernannahme „Lehrkräfte scheinen ein besonderes Verhältnis zu digitalen Medien in Bezug auf den Einsatz dieser in Bildungskontexten zu haben, was den selbstverständlichen und vertieften Einsatz bremst oder gar verhindert“ (Bockermann 2012:III). Bockermann schreibt ferner: „Vor dem Hintergrund, dass ich erwarte, dass nicht alle Lehrkräfte Medien aufgeschlossen gegenüberstehen[…]“ (ebd.:82) und „Es scheinen besondere Gründe vorzuliegen, warum Lehrkräfte sich den Medien im Bildungskontext so beharrlich verschließen[…]“ (ebd.:6). Dies vermittelt den Eindruck, dass die Annahme auf persönlicher Einschätzung anstelle von Studien basiert.

Annäherung ans Feld

In deutschen Schulen herrscht ein ambivalentes Verhältnis zu Medienbildung und Digitalen Medien. Trotz eines konkreten Bildungsauftrages und verfügbaren Ressourcen, wird der Einsatz Digitaler Medien aus Lehrkräftesicht größtenteils abgelehnt.(vgl. Bockermann 2012:III). Fremde Studien mit SchülerInnen/Lehramtstudierenden weisen bereits erste Ergebnisse hinsichtlich des Medienumgangs vor. Bockermann distanziert sich in ihrer Studie jedoch davon, da die Beforschten mangels Erfahrung häufig stigmatisiert werden. Sie löst sich von möglichen Annahmen, Erwartungen und Unterstellungen und konzentriert sich auf medienbiographische Erfahrungen, sowie den Mediensozialisationseinfluss von praktizierenden Lehrkräften auf privater/ beruflicher Ebene (vgl. ebd.:69). Durch ihre Lektorinnentätigkeit an der Uni Bremen ist sie betraut LehramtsstudentInnen in Digitalen Medien auszubilden. Ihre LehrveranstaltungsteilnehmerInnen stehen diesem Gebiet mindestens aufgeschlossen gegenüber und streben allesamt einen Leistungsschein an. Daher bestimmt Bockermann diese als Zielgruppe für ihre Vorstudien-Blogerhebung (vgl. ebd.:93). Für die Hauptstudien-ExpertInneninterviews wählt sie bewusst LehrerInnen aus zwei sehr jungen Schulen, welche entsprechend technik- und medienaffin ausgestattet sind. Daraus erhofft sie sich eine offene Gesprächs- und Diskussionskultur (vgl. ebd.:79f).

Sammlung der Daten

Bockermann exploriert das Forschungsfeld mit zwei Erhebungs-und Auswertungsverfahren. Die Blogerhebung mit 411 Beiträgen von LehramtsstudentInnen, fungiert als Vorstudie für eine erste Verhältnisbestimmung. Um diese zu vertiefen und zu spezifizieren, folgt die Hauptstudie, in deren Rahmen praktizierende LehrerInnen als ExpertenInnen interviewt werden (vgl. Bockermann 2012:74,76ff). Es werden insgesamt 17 Interviews autorisiert (vgl. ebd.:86). Da Ängste der Feldmitglieder vor Weitergabe von Informationen und die Wahrung des Vertrauens- und Datenschutzes eine erhebliche Rolle spielen (vgl. Flick 1995/2007:150), wird der Blog mit einem Passwort geschützt (vgl. Bockermann 2012:75) und die ExpertInneninterviews umfassend anonymisiert (vgl. ebd.:86). Angelehnt an Flick haben ihre Interviews einen rekonstruktiven Charakter (vgl. Flick 1995:156). Sie sind inhaltsanalytisch und narrativ fundiert, um Erfahrungen/Orientierungen spezifischer herausarbeiten zu können. Die Rekonstruktion dieser Handlungsorientierungen erschaffen wiederum einen Zugang zur Handlungspraxis. Im Interview werden Lehrkräfte zu ihrem biographischen Hintergrund befragt, um anschließend den vorab erprobten Leitfadenkatalog durchzuarbeiten (vgl. Bockermann 2012:79f). Folglich bringt Bockermann die Lehrkräfte (Subjekte) bezüglich der Objekte (Mediennutzung) themenspezifisch zum Antworten. Ihre Hauptaufgabe ist, Äußerungsinteressen und Leitfadenstruktur unter Betrachtung der Zeitbegrenzung zu vereinen. Diese Dynamik birgt jedoch die Gefahr spezifischer Verzerrungen, wie z.B.: Der Interviewte wählt bewusst/unbewusst eine bestimmte Selbstdarstellungsform und verfehlt die Wahrheit (vgl. Flick 1995:157). Bockermann teilt vorsorglich mit, dass Lehrkräfte natürlich geschult seien und über ein vorbestimmtes Mindset verfügen könnten (vgl. Bockermann 2012:76). Um spezifische Verzerrungsmomente einzugrenzen, wäre die Kombination von rekonstruktiven und interpretativen Erhebungsverfahren empfehlenswert gewesen(vgl. Flick 1995:157).

Fixierung der Daten

Für die Fixierung der Vorstudiendaten werden hunderte Blogbeiträge von StudentInnen erstellt. Da die Systematisierung qualitativer Aspekte im Fokus stehen, werden die Blogeinträge einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen (vgl. Bockermann 2012:76,93). „Für die Interpretation des Materials, wurde dieses mehrfach gelesen, Kategorien gebildet und immer wieder überprüft und verdichtet“ (ebd.:76). Laut Flick besteht der Fixierungsprozess aus drei Schritten: Aufzeichnung, Transkription und Konstitution einer neuen Realität (vgl. Flick 1995:160). Diese Vorgehensweise wird in Bockermanns Hauptstudie widergespiegelt (vgl. Bockermann 2012:89f). Leider geht aus Bockermanns Studie nicht hervor, welches Medium sie zur Interviewaufzeichnung nutzt. Sie konzentriert sich auf eine vollständige Transkription und ist nur am Inhalt des Gesagten (basierend auf ihrem Leitfaden) interessiert (vgl. ebd.:90). Dadurch erscheinen ihre Interviewtexte als neue Realität und haben ferner die eigentlich interessierende Realität ersetzt (vgl. Flick 1995:162). Sämtliche Transkriptionsregeln sind im Anhang dieser Studie auf Seite 207 vorzufinden.

Interpretation der Daten

Bockermann bezeichnet ihre Forschung als qualitativ und beschreibt ihre Auswertungsmethode folgendermaßen: In drei Schritten findet erst eine Transkription statt, dann folgen eine Analyse und eine Systematisierung der Ergebnisse (vgl. Bockermann 2012:89). Bei der Transkription, die das vollständige Interview betrifft, betrachtet sie nur die Inhalte und lässt paraverbale (z.B. Versprecher und Lautstärke) und nonverbale Elemente (z.B. lange Pausen) bewusst aus. Bei der Analyse entscheidet sich die Autorin für ein inhaltsanalytisches Verfahren und gegen die Grounded Theory. Die Interpretation der Interviewergebnisse soll dabei nicht einzelfallanalytisch, sondern entlang thematischer Einheiten und unter Einbezug individueller/persönlicher Erfahrungs- und Wissensbeständen stattfinden (vgl. ebd.:90). Das von ihr ausgewählte Vorgehen nach Meuser und Nagel wird um individuelle Erfahrungsräume und Statuspassagen erweitert. Die Generierung thematischer Codes erfolgt nach einem induktiven Verfahren mit dem Interview-Leitfaden und den dort abgesteckten Themenfeldern als grober thematischer Rahmen (vgl. ebd.:91). Für die Auswertung der Interviews wird die eigentlich auf quantitative Verfahren ausgerichtete Software MaxQDA verwendet,um „[…]auch querliegende Stellungnahmen zu berücksichtigen und übergreifende Stellungnahmen über alle Interviews hinweg in Beziehung zu setzen, zu codieren und daraus Kategorien zu entwickeln“ (ebd.:91). Bei näherer Betrachtung stellt die angewendete Transkription der Interviewantworten (vgl. z.B. ebd.:150) auch eine Mischung aus Zusammenfassender und Explizierender Inhaltsanalyse dar (vgl. Flick 2009:150): Paraphrasierende Bereinigung des Textes von unwichtigen Textabschnitten und Ergänzen von Informationen entsprechend der engen Kontextanalyse (vgl. ebd.:152). Bei der Analyse der Blogbeiträge werden 'Cluster' (Zwangsehe, Zweckgemeinschaft, Rückwärtsgewandte) identifiziert (vgl. Bockermann 2012:95).

Geltungsbegründung

Bockermann geht in ihrer Arbeit nicht separat auf das Thema Geltungsbegründung ein. Stattdessen erläutert sie über die Arbeit verteilt ihre Methoden und Auswahlkriterien und inwieweit diese einer gezielten Beantwortung von Fragen dienen. Ferner geht sie auf Einschränkungen der Aussagekraft ihrer Arbeit ein. So betont Bockermann, dass qualitative Studien nicht dazu angelegt sind generelle Aussagen über ein Feld zu tätigen (vgl. Bockermann 2012:74) und sie mangels öffentlicher Statistiken keine Aussagen über die Repräsentativität der Biographien der interviewten Lehrkräfte, v.a. mit Blick auf Migrationshintergründe und Berufserfahrung, treffen kann (vgl. ebd.:88f). Im Kapitel Untersuchungsgegenstand erläutert Bockermann, weshalb sie die Interviews mit den Lehrkräften methodisch als Experteninterviews auslegt (vgl. ebd.:77ff). Dies leitet sie mit einer Reflexion zur Aussagekraft von Interviews, insbesondere von Lehrkräften, ein (vgl. ebd.:76f), was der von Flick beschriebenen Prozessevaluation, einem wesentlichen Bestandteil der Geltungsbegründung qualitativer Studien, entspricht (vgl. Flick 2016:525f).

Forschung als Diskurs

Bockermann geht in ihrer Arbeit nicht konkret darauf ein, ob bzw. inwieweit sie nach den Interviews erneuten Kontakt zu den InterviewpartnerInnen hatte. Allerdings verweist Bockermann auf ein nicht authorisiertes Interview (vgl. Bockermann 2012:86), was eine Rückmeldung erhobener Daten oder Interpretationen vermuten lässt (vgl. Flick 1995:170). Einen unmittelbaren Diskurs mit den Lehrkräften ermöglichte Bockermann allerdings direkt im Rahmen des Interviews: „Zum Abschluss des Interviews erhalten die Interviewten noch Gelegenheit, Wünsche, Ideen, Kritik und einen Ausblick zu formulieren, aber auch, eine direkte Rückmeldung zum Interview, zu fehlenden Fragen etc. zu geben.“ (Bockermann 2012:84).

Literatur

  • Bockermann, Iris. „Wo verläuft der Digital Divide im Klassenraum? Lehrerhandeln und Digitale Medien“. Online publiziert auf dem Server der Deutschen Nationalbibliothek (2012): http://d-nb.info/1071992643 (Letzter Zugriff: 06.09.2017,13:19 Uhr)
  • Flick, Uwe. „Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen“. Weinheim (1995)
  • Flick, Uwe. „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“. Hamburg (1995,2007)
  • Flick, Uwe. „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“. Hamburg (1995,2016)
  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg (2009)
  • Hoffmann-Riem, C.. „Die Sozialforschung einer interpretativen Soziologie. Der Datengewinn.“ Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (1980)

Kommentare

Diskussion

Atiye Bakirtzis, 2017/06/09 10:27

Hallo,liebe Kommilitonen :-)

Wir möchten euch vorab mitteilen, dass wir die Geltungsbegründung bewusst weggelassen haben, da sie für die Entwurfsfassung nicht relevant ist. Das haben wir nicht selbst entschieden, sondern wurde uns im Seminar (07.06.2017) von Frau Grell mitgeteilt. Bitte berücksichtigt dies bei der Beurteilung unseres Textes.

Liebe Grüße Atiye

Atiye Bakirtzis, 2017/06/09 10:33

Desweiteren haben wir bei dem Lehrbuch „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“ von Uwe Flick 2 Jahreszahlen angegeben. Dies hatte den Grund, dass das Buch zwar 1995 erschienen ist, aber 2007 nochmals komplett überarbeitet und erweitert wurde. Nur so als kleine Randbemerkung, wenn ihr beim Lesen etwas verwundert sein solltet. Dies hätte man auch als Hochzahl vermerken können, aber der Umstand, dass wir über Wiki keine Hochzahl mit 2007 einfügen konnten, erschien uns dies bzw. mir als harmonischste Lösung.

Atiye Bakirtzis, 2017/07/03 16:51

Noch ein kleiner Hinweis:

Ich hatte bereits angefangen kleinere Abänderungen vorzunehmen, bis mir einfiel, dass wir das bis zur Abgabe „der begründeten Eischätzung“ gar nicht dürfen. Deswegen habe ich unseren Entwurfstext wieder auf die ältere Version (Abgabeversion bis zum 09.06) zurückgesetzt. Da war ich wieder Mal zu voreilig :-) Aber wie gesagt, vor euch liegt die unveränderte Erstversion unseres Entwurfstextes vom 09.06.2017. Dies könnt ihr jederzeit nachvollziehen und wir können es euch beweisen. Ist ja alles transparent:-)

Liebe Grüße und Däumchen sind gedrückt für alle!!!

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