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lehre:sose2014:sozialwissmeth:analysen:tandem09

Tandem 09

Eine Analyse von Lucie Schmitt und Elena Claudia Beck

Erster Text: Entwurfsfassung

Einleitung

Verhältnis Theorie-Gegenstand

In der qualitativen Studie von Corinna Fischer soll untersucht werden, was Jugendliche antreibt sich in einem Umweltverband zu engagieren.(vgl. Fischer, 2001, S.1) Dabei geht sie speziell auf folgende Themenfelder ein: Engagement, Jugend, Umweltschutz, Gruppen, Ostdeutschland (vgl. Fischer, 2001, S.10) Ihre Forschungsgegenstandsstrukturierung und Fragestellung stellt sie zurück, bis sich die Strukturierung durch Betrachtung der einzelnen Felder ergibt - Prinzip der Offenheit. (vgl. Fischer, 2001, S.10) Fischer bezieht sich auf mehrere theoretische Vorannahmen bezüglich des Untersuchungsfeldes. Es wird die “€žShell Studie” angesprochen, sowie Untersuchungen von Hoffmann - Lange, Preisendörfer und Kuckartz. (vgl. Fischer, 2001, S. 1)

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Zum Einstieg legt sie eine vorläufige Fragestellung fest. (vgl. Fischer, 2001, S.1) Bei der Dissertation handelt es sich um eine Auftragsstudie der BUNDJugend, mit dem Ziel “konkrete Interventionsmöglichkeiten”(Fischer, 2001, S. 5) zu finden. Die praktische Einbindung hat Konsequenzen für die Fragestellung. (vgl. Fischer, 2001, S. 3) Es werden drei Präzisierungen vorgenommen: Handlungsorientierung, Konzentration auf Positivbeispiele und die Fokussierung auf ostdeutsche Jugendliche.(vgl. Fischer, 2001, S.6) Bei Letzterem sollte darauf geachtet werden, ob diese andere Motivationsgründe haben als Westdeutsche. (vgl.,Fischer, 2001, S.6) Offen bleibt die Frage, ob man ohne einen direkten Vergleich, diesem Anspruch gerecht werden kann. Ausführlich werden Forschungsansätze zum Gegenstand vorgestellt und analysiert. Zusammen mit der Anwendung der Erkenntnistheoretische Perspektive, die auf dem epistemologischen Subjektmodell (vgl. Fischer, 2001, S. 6) basiert, wird die vorläufig endgültige Fragestellung im Richtung subjektiver Gründe präzisiert. (vgl. Fischer, 2001, S. 105) Die Fragestellung wurde im Verlauf durch eine inhaltliche Schwerpunktverschiebung verändert. (vgl. Fischer, 2001, S. 138) Dies hatte auch Auswirkungen auf das Basisdesign welches zu Beginn klar einer Längsschnittstudie entsprach und durch die Modifikation auch als Momentaufnahme in Frage kommt. (vgl. Flick, 2009, S 84)

Annäherung ans Feld

Als Mitglied des BUNDJugend fällt Fischer der Einnahme der sukzessiven Innenperspektive leicht. So besteht die Bekanntschaft mit einigen Jugendgruppen was nicht als Einflussfaktor reflektiert wird. Ihr gelingt es nicht die Nähe, die sie ausschließlich positiv darstellt und Distanz auszubalancieren und sie reflektiert dies weder in Bezug auf ihre Rolle, noch in Bezug zur Studie und vergisst dabei (Fischer, 2001, S.139,146 ), dass das „Festhalten an einer Außenperspektive“€œ (Flick, 2009, S. 145) neue Blickwinkel eröffnen kann. Fischer analysiert stellenweise ihre Rolle im Feld und damit ihren Einfluss auf die Erkenntnisse. Sie deckt verschiedene Verständigungsschwierigkeiten auf und reflektiert die Auswirkungen und räumt ein, dass eventuell „bestimmte Bedeutungsnuancen entgangen sind.” (Fischer, 2001, S.146)

Sammlung der Daten

Die Daten wurden durch teilstruktutrierte, problemzentrierte Einzel- und Gruppeninterviews, teilnehmende Beobachtung (vgl. Fischer, 2001, S.136 & 149) Gedächtnisprotokolle, Experteninterviews, Multiplikatoren (vgl. Fischer, 2001, S.131) gesammelt, die auf Tonband oder schriftlich festgehalten wurden und durch Foscher, Beforschte, Biographie und Situation strukturiert werden. (vgl. Fischer, 2001, S. 136) Sie nutzt die Grounded Theory (Przyborski, 2014, S.190-211), nach Glaser Strauߟ und Corbin zur Theoriegenese, räumt ein dass sie Modifikationen vornimmt, begründet ihre Entscheidung (Fischer, 2001, S.115) und wendet die theoretische Sättigung nach Rubin und Rubin an. (Fischer, 2001, S.150) Theoretisches Sampling ist eingeschränkt möglich: Sie realisiert dies allerdings begründet auf andere Weise (vgl. Fischer, 2001, S.130). Das Prinzip der Zirkularität zeigt sich in der wiederholten Erhebung, Sicherung und Analyse von Daten. (vgl. Fischer, 2001, S.111) Fischer setzt sich des weiteren mit dem Autobiographischen Gedächtnis auseinander. (vgl. Fischer, S. 147). Es sei schwer bei teilnehmender Beobachtung ein systematisches standardisiertes Beobachtungsprotokoll zu schreiben. (vgl. Fischer, 149). Als Konsequenz werden diese Protokolle nicht als primäre Datenquelle einbezogen, kritisch ist, dass nur Einzelinterviews als konkrete Quelle dienen. (vgl. Fischer, S. 149) Sie wendet den diskusiven Interviewstil. (vgl. Fischer, 2001, S.139) wobei sie die Auswirkungen auf den Forschungsgegensand nicht kritisch reflektiert. Aus Kapazitätsgründen konnte kein Vergleich mit Gruppen aus Westdeutschland geführt werden (Fischer, 2001, S. 115). Verzerrungen werden reflektiert.

Fixierung der Daten

Die Interviews wurden mit Tonband aufgenommen, danach transkribiert und teilweise durch Gedächtnisprotokolle ergänzt. Die Transkription wurde dabei von der Interviewerin vorgenommen um Fehler zu vermeiden (vgl. Fischer, 2001, S. 149) und sie begründet warum sie sich für die spätere Art der Transkription entscheidet. (vgl. Fischer, 2001, S.140) Lagen Interpretationsprobleme vor wurden die entsprechenden Stellen ausgelassen. (vgl. Fischer, 2001, S.149) Diese Vorgehensweisen könnten allerdings später zur Unvollständigkeit und zur Datenverfälschung führen.

Interpretation der Daten

Sie verwendet zur Auswertung das computergestützte Programm ATLAS/ti mit welchem sie Codes (vgl. Fischer, 2001, S.140) auf unterschiedlicher Ebene gemäß Grounded Theory (vgl. Przyborski, 2014, S. 190-211) anlegt und danach aus einer Kombination von Codes Kategorien bestimmt, mit denen sie weiterarbeitet (vgl. Fischer, 2001, S.143). Reduktionen finden statt, da der Schreibstil gängiger Orthographie angepasst wird (vgl. Fischer, 2001, S.140), Oberkategorien gebildet werden (vgl. Fischer, 2001, S.143) und bei unvollständigen Textstellen die sinnvollste verwendet wurde. (vgl. Fischer, 2001, S.149) Eine Verfälschung durch das Auslassen von Textstellen wird nicht reflektiert Eine Methode zur Kontextualisierung spricht sie an und bezieht sich dabei auf Denzin, Hopf, Bergold und Flick. (vgl. Fischer, 2001, S.108) Sie führt an, dass der historisch-strukturelle Verallgemeinerungstypus der Studie am ehesten entspricht. (vgl. Fischer, 2001, S.123)

Geltungsbegründung

Fischer zieht drei Gütekriterien heran, die sie erläutert und begründet: Validität, Verallgemeinerbarkeit und Relevanz. „Um diese Kriterien zu erfüllen, werden im Forschungsprozess Strategien der Multiperspektivität, Selbstreflexion, argumentativen Geltungsbegründung und in Grenzen auch der kommunikativen Validierung und des Praxistestes angewandt.” (Fischer, 2001, S.128) Die dokumentierten Prozesse der Erkenntnisgewinnung sind klar strukturiert und nähern sich über die Analyse verschiedener Teilaspekte der Hauptkategorie. Sie zieht daraus Konsequenzen und entwickelt dahingehend Strategien. Aus “Identifikation mit dem Umweltengagement” als Kernkategorie (vgl. Fischer, 2001, S. 168) resultieren für sie Fragen nach Motivation und Entwicklung dieser Engagementgründe die zur Identifikation mit Umweltmanagement führen. Die Antworten daraus bilden ihre Kategorien, die in der Untersuchung herausgearbeitet werden (Fischer, 2001, S.173) Im Wirkungsnetz (Fischer, 2001, S.174,176) und Beziehungsgeflecht der Kategorien wird das wechselwirkende Zusammenspiel deutlich. In den Kategorien werden dann Thesen aufgestellt, die als Interventionsmöglichkeiten fungieren. (vgl. Fischer, 2001, S.216ff)

Forschung als Diskurs

Ziel der Forschung war von Anfang an, dass alle Beteiligten den Prozess mitgestalten, Einfluss auf die Interventionsmöglichkeiten nehmen und das Erlernte später selbst anwenden können. “Die Untersuchung sollte sich auf solche motivationsfördernden Faktoren konzentrieren, die vom Verband, seinen Unterstützern und seinen Mitgliedern (den engagierten Jugendlichen selbst) beeinflusst werden können.” (Fischer, 2001, S.6) Die Autorin gibt den Beforschten also intensive Rückmeldung und räumt ihnen somit ein hohes Maß an Partizipation ein, reflektiert hier allerdings ebenfalls nicht kritisch, was ihre Nähe zu den Beforschten für Auswirkungen auf die Ergebnisse haben könnte.

Literatur

Fischer, Corinna; „Das gehört jetzt irgendwie zu mir“. Mobilisierung von Jugendlichen aus den neuen Bundesländern zum Engagement einem Umweltband; Eine explorative Studie am Beispiel der BUNDjugendM; Berlin; 2001

Flick, Uwe; Sozialforschung. Methoden und Anwendungen; Ein Überblick für die BA-Studiengänge; 2. Auflage; Rowohlt Verlag; Reinbek; 2009

Flick, Uwe; Qualitative Forschung als Prozess- Stationen und Entscheidungen; Berliner Methodentreffen Qualitative Forschung; Juni 2007

Langer, Wolfgang; IV Mehtoden der empirischen Sozialforschung; Universität Halle; SoSe 2000

May, Yomb; Wissenschaftliches Arbeiten - Eine Anleitung zu Techniken und Schriftform; Reclam; Stuttgart; 2010

Przyborski, Aglaja; Wohlrab-Sahr, Monika; Qualitative Sozialforschung; Ein Arbeitsbuch; 4. Auflage; Oldenburg Wissenschaftsverlag GmbH; München; 2014

Zweiter Text: Begründete Einschätzung anderer Analysen

Platz 1: Tandem 15

Aufgrund des guten sprachlichen Niveaus, der Benennung und Analyse der wichtigen Kriterien, die kritisch hinterfragt wurden, stellen wir diese Studie auf Platz 1. Die vorliegende Gliederung ist sinnvoll, könnte allerdings, zwecks weiterer Übersichtlichkeit innerhalb der Punkte noch in weitere Absätze unterteilt werden. Man stößt innerhalb des Textes auf Sätze, die ohne einen Bezug zum Rest stehen und nicht zur Beurteilung oder Bearbeitung der Studie dienen (z.B. „Ob Fischer qualifiziert ist, Interviews zu führen, können wir nicht beurteilen.“). Was diese Analyse auszeichnet, ist, dass man auch als Außenstehender Inhalt und eigene Überlegungen sehr gut nachvollziehen könnte. Die Gute Nachvollziehbarkeit, könnte allerdings daraus resultieren, dass die vorgegebene Wortanzahl überschritten wurde.

Platz 2: Tandem 12

Die wesentlichen Aspekte der Studie wurden gut erkannt, analysiert, kritisch hinterfragt und begründet. Nur selten fällt die Analyse einseitig aus (z.B. ergibt die Nähe der Autorin nur Nachteile) oder wurden Dinge nicht richtig erkannt oder zugeordnet. Aus diesen Gründen stellen wir diese Analyse auf den 2. Platz. Grammatik und Rechtschreibung weisen Mängel auf. Auch sollte auf sprachliche Unklarheiten geachtet werden („Außerdem ergibt sich im Folgenden eine weitere Präzisierung der Fragestellung aus der erkenntnistheoretischen Perspektive“), die durch eine wenig treffende Formulierung entstehen.

Platz 3: Tandem 8

Die Analyse geht auf viele der Kriterien genau ein und die Informationsdichte ist dadurch sehr hoch. Das sprachliche Niveau ist gut, die Absatzaufteilung macht den Text allerdings stellenweise unübersichtlich. Es bleibt unklar, ob sich die Zitation auf gesamte Absätze bezieht, direkte Zitate sollten an entsprechender Stelle kenntlich gemacht werden. Sachverhalte werden stellenweise unzutreffend beschrieben („Der Fokus wurde deshalb auf eine bleibende Motivation und eine innere Bindung an den Umweltschutz gesetzt“). Es werden Behauptungen oder Begriffe in den Raum gestellt, die nicht weiter erklärt werden (Zirkularität, „ Aus pädagogischer Sicht sind diese Verhaltensweisen kritisch zu sehen“). Aufgrund dieser Mängel, die im Vergleich zu Tandem 12 stärker vorhanden sind, stellen wir diese Studie auf den 3. Platz.

Platz 4: Tandem 23

Durch die etwas bessere sprachliche Ausführung im Vergleich zu Platz 5 und dem Versuch stellenweise kritisch auf die Studie zu blicken, stellen wir diese Analyse auf den 4. Platz. Die Analyse weist allerdings teilweise inhaltliche Defizite auf, Kernaspekte wurden nicht korrekt benannt oder weggelassen (Grounded Theory zum Beispiel erwähnt, aber nicht Modifikationen angesprochen). Die Zitation im Text ist einheitlich, jedoch nicht Formgerecht (z.B. statt „S.128“, besser „Fischer, 2001, S.128“). Man gewinnt, durch unterschiedliche Schreibweise und einige Wiederholungen den Eindruck, dass die Analyse von zwei Personen unabhängig voneinander geschrieben wurde.

Platz 5: Tandem 2

Die Absätze in der Textgliederung dienen zur Übersichtlichkeit und zum besseren Lesen des Textes. Das Verhältnis von Theorie und Gegenstand und die Fragstellung sind sehr ähnlich beantwortet, sodass es sinnvoll erscheint, diese zusammenzufassen. Durch sprachliche und grammatikalische Defizite, ist der Inhalt stellenweise schwer nachzuvollziehen. Auf inhaltlich widersprüchliche Textstellen sollte geachtet werden, so wurde zum Beispiel das theoretische sampling nicht korrekt dargestellt. Es wäre vorteilhafter, wenn eine einheitliche Zitationsweise angewendet würde und nochmal genau auf fehlende Quellenangaben geachtet wird. Es sollte nicht vergessen werden, dass Fischers Vorgehen nicht nur beschrieben und aus der Quelle rezitiert werden sollte, sondern auch kritisch hinterfragt werden soll, was bisher kaum stattfindet. Durch die höheren Defizite im Vergleich zu den anderen Studien, bewerten wir diese Analyse mit dem 5. Platz.

Dritter Text: Endfassung

Die Jugendorganisation des Umweltverbands BUNDjugend führte 1995-1998 das „Neue – Bundesländer – Projekt“ durch. Es erwies sich als schwierig neue Mitglieder zu mobilisieren und längerfristig zu halten. Mit dem Ziel den Umweltverband bei seiner Arbeit zu unterstützen führte Corinna Fischer 2001 die Studie: „‘Das gehört jetzt irgendwie zu mir‘. Mobilisierung von Jugendlichen aus den neuen Bundesländern zum Engagement in einem Umweltverband. Eine explorative Studie am Beispiel der BUNDjugend“ im Rahmen ihrer Dissertation 2001 durch. Die qualitative Studie, die im Folgenden analysiert werden soll, untersucht was Jugendliche motiviert sich in einem Umweltverband zu engagieren (vgl. Fischer, 2001, S.1).

Fischer wendet als Methode die Grounded Theory nach Strauss & Corbin (1996) an und bedient sich, für den Gesamtverlauf der Forschung, der acht Auswertungsschritte von Strauss, die zum einen chronologischen Ablauf haben, zum anderen während des gesamten Forschungsprozesses stattfinden und ineinander verzahnt sind (vgl. Przyborski, 2014, S.211/212). Sie entscheidet sich gegen die ursprüngliche Version von Glaser und Strauss (vgl. Przyborski, 2014, S.196), weil sie das dort geforderte „voraussetzungslose Sammeln von Daten“ nicht für sinnvoll hält (Fischer, 2001, 115). Deswegen bezieht sie Forschungsansätze in ihre Arbeit ein, „die sich zur Erklärung des Phänomens“ Engagement ostdeutscher Jugendlicher in einem Umweltverband heranziehen lassen (Fischer, 2001, S.10). Zum Beispiel Umweltbewusstsein, Umweltverhalten, Jugendforschung, Engagementforschung (vgl. Fischer, 2011, S.10-105). Im Zuge dessen wird die “Shell Studie” angesprochen, welche eine empirische Untersuchung über die Einstellungen, Werte, Gewohnheiten und das Sozialverhaltens von Jugendlichen in Deutschland ist, die vom Mineralölkonzern Shell seit 1953 herausgegeben wird. (vgl. Fischer, 2001, S. 1)

Das Sample umfasste vier Jugendgruppen, die über ein Jahr in drei Wellen befragt werden sollten. Das Theoretical Sampling sei schwer durchführbar gewesen, weil zum einen die Anzahl der Jugendlichen zu gering war, zum anderen Probleme bei der Terminfindung auftraten. (vgl. Fischer, 2001, 115). Deswegen führt Fischer folgende Modifikation durch. Anstatt kontrastierende Gruppen auszuwählen, reichert sie den Interviewleitfaden um zusätzliche Fragen an, um bestimmte Vermutungen zu untersuchen. Außerdem führt sie zusätzliche Einzelinterviews durch. (vgl. Fischer, 2001, S.130) Dies weist auf Schritt vier der Auswertung nach Strauss hin, die „Verknüpfung von Kodierung und Datenerhebung (Theoretical Sampling)“ (Przyborski, 2014, S.212). Fischer betrachtet den Begriff der theoretischen Sättigung kritisch, welcher bedeutet, dass die Datenerhebung beendet wird, sollten neue Daten keine zusätzlichen Erkenntnisse mehr erbringen.( vgl. Fischer, 2001, S.150) Daher stützt sie sich auf die Modifikation nach Rubin und Rubin: „Theoretische Sättigung ist demnach erreicht, wenn…etwa ein Regelwerk soweit erfasst [ist], dass man ihm folgen kann oder einen Prozess soweit, dass man ihn anderen erklären kann“ (Fischer, 2001, S.150).

Die Fragestellung entstand aus dem Kontext des Projektes „Umweltängste von Jugendlichen in den neuen Bundesländern“ der „Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUNDjugend)“ (Fischer, 2001, S.3) und dem ersten Schritt der Auswertung nach Strauss dem „Stellen generativer Fragen im Zuge des Nachdenkens über die Forschungsfrage und der Untersuchung ersten Datenmaterials“ (Przyborski, 2014, S.212). Dabei wurde vorerst von folgender allgemeinen Frage ausgegangen: „Was treibt Jugendliche heute an, sich in einem Umweltverband zu engagieren?“ (Fischer, 2001, S.1) Während des Untersuchungsprozesses sollten weitere Präzisierungen vorgenommen werden. Fischer handelt hier nach dem Prinzip der Offenheit, da „die theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstandes zurückgestellt wird, bis sich die Strukturierung des Forschungsgegenstandes durch die Forschungsobjekte herausgebildet hat.“ (Hoffmann-Riem, 1980, S. 343) In der wiederholten Änderung der Fragestellung zeigt sich das Prinzip der Zirkularität, welches später auch in der wiederholten Erhebung, Sicherung und Analyse von Daten auftaucht (vgl. Fischer, 2001, S.111).

Zusammen mit der Einnahme der Erkenntnistheoretische Perspektive, die nach den Voraussetzungen für Erkenntnisse, Zustandekommen von Wissen und anderen Überzeugungen fragt (vgl. Fischer, 2001, S. 7), wird die Fragestellung präzisiert: „Welches sind die subjektiven Gründe, Anreize und Motive ostdeutscher Jugendlicher, für ihr Engagement im Umweltverband? Wie werden sie in Interaktion konstruiert? In welche sozialen Kontexte sind sie eingebettet und wie gestalten die Jugendlichen diese Kontexte selber mit? Welche Entwicklungen finden dabei im Laufe der Zeit statt?” zu der sie noch mehrere Teilfragen entwickelt. (Fischer, 2001, S. 105) Diese wird anschließend in die einzelnen Komponenten aufgeschlüsselt. (vgl. Fischer, 2001, S. 106f)

Fischer verwendet dabei das Basisdesign einer Längsschnittstudie, die sich über eineinhalb Jahre zieht, welche die Ergebnisse aus mehreren Erhebungszeitpunkten aufeinander aufbaut und danach fragt, was sich verändert hat. (vgl. Flick, 2009, S 84)

Den Zugang zum Feld erlangt Fischer als Mitglied der BUNDjugend, woraus die Bekanntschaft mit einigen Jugendgruppen entstand. Im Verlauf wird deutlich, dass es ihr nicht gelingt Nähe, die sie fast nur positiv darstellt und Distanz auszubalancieren. Sie reflektiert dies weder in Bezug auf ihre Rolle, noch in Bezug zur Studie. Außerdem vergisst sie (vgl. Fischer, 2001, S.139,146 ), dass das als kritisch von ihr gesehene „Festhalten an einer Außenperspektive“ (Flick, 2009, S.145) neue Blickwinkel eröffnen kann. Positiv an einem vertrauensvollen Verhältnis könnte allerdings sein, dass die Jugendlichen eventuell geneigter sind, ihre Meinung frei zu äußern. Darüber hinaus deckt sie verschiedene Verständigungsschwierigkeiten auf, reflektiert deren Auswirkungen und räumt ein, dass eventuell „bestimmte Bedeutungsnuancen entgangen sind“ (Fischer, 2001, S.146). Positiv fällt auf, dass sie das Verhältnis der Teilnehmer zueinander sehr detailliert beleuchtet, somit weitere mögliche Einflussfaktoren mit einbezieht (Fischer, 2001, S.152 ff).

Die Datenerhebung erfolgte durch teilstruktutrierte, problemzentrierte Einzel-, Gruppen- und Experteninterviews, teilnehmende Beobachtung (vgl. Fischer, 2001, S.136 & 149) und Gedächtnisprotokolle (vgl. Fischer, 2001, S.131). Diese wurden auf Tonband oder schriftlich festgehalten und durch Forscher, Beforschte, die Biographie der Personen und die jeweilige Situation strukturiert (vgl. Fischer, 2001, S.136). Dabei wurde die Aufnahme mit Tonband als Fixierungsmethode der Interviews verwendet, anschließend transkribiert und teilweise durch Gedächtnisprotokolle ergänzt. Fischer sagt es sei schwer bei teilnehmender Beobachtung ein systematisches standardisiertes Beobachtungsprotokoll zu schreiben.

Als Konsequenz werden diese Protokolle nicht als primäre Datenquelle einbezogen, was kritisch ist, da nur Einzelinterviews als konkrete Quelle dienen. (vgl. Fischer, 2001, S. 149) Die Transkription wurde von der Interviewerin selbst vorgenommen, um Fehler zu vermeiden. Sie begründet warum sie sich für die spätere Art der Transkription entscheidet. (vgl. Fischer, 2001, S.140) Lagen Interpretationsprobleme vor, wurden die entsprechenden Stellen ausgelassen (vgl. Fischer, 2001, S.149). Diese Vorgehensweise könnten allerdings später zu Unvollständigkeit und Datenverfälschung führen. Fischer benennt außerdem das Problem des autobiographischen Gedächtnisses. Der Mensch ist darauf ausgelegt Erinnerungslücken automatisch zu schließen. Um das Problem zu umgehen, ändert sie die Fragestellung. (Fischer, 2001, S. 147)

In Schritt 2 der Auswertung nach Strauss werden Codes festgelegt (vgl. Przyborski, 2014, S.211-217) und als Hilfsmittel das computergestützten Programm ATLAS/ti verwendet. Fischer legt diese auf unterschiedlicher Ebene an und bestimmt danach aus einer Kombination von Codes Kategorien, mit denen sie weiterarbeitet (vgl. Fischer, 2001, S.143). „Die Codes waren von Anfang an auf unterschiedlichen analytischen Ebenen gemäß der Grounded Theory angelegt“ (Fischer, 2001, S.140). Sie wendet dabei die drei Formen des Codierens nach Strauss und Corbin an. Erstens das offene Kodieren, welches zu Beginn der Analyse geschieht und zur Generierung von Konzepten dient. Zweitens das axiale Kodieren, welches zur genauen Ausarbeitung von Kategorien dient und eventuell eine Überarbeitung der bisherigen Kategorien nötig macht. Drittens das selektive Kodieren, welches erst dann erfolgt, wenn eine Schlüsselkategorie gefunden wurde. (vgl. Przyborski, 2014, S. 211)

Aus der Kernkategorie “Identifikation mit dem Umweltengagement” (vgl. Fischer, 2001, S. 168) resultieren für Fischer Fragen nach Motivation und Entwicklung dieser Engagementgründe. Die Antworten darauf bilden ihre Kategorien, die in der Untersuchung herausgearbeitet werden (Fischer, 2001, S.173). In diesen werden dann Thesen aufgestellt, die sie dann auch als Interventionsmöglichkeiten verwendet. (vgl. Fischer, 2001, S.216ff) Kritisch ist, dass innerhalb der Auswertung Reduktionen stattfinden, da der Schreibstil gängiger Orthographie angepasst wird (vgl. Fischer, 2001, S.140), Oberkategorien gebildet werden (vgl. Fischer, 2001, S.143) und bei unvollständigen Textstellen die sinnvollste Ergänzung verwendet wurde. (vgl. Fischer, 2001, S.149) Eine Verfälschung durch das Auslassen von Textstellen wird nicht reflektiert, geschieht allerdings gemäß dem 8. Schritt der Auswertung von Strauss: „Füllen der Lücken in der theoretischen Integration beim Schreiben des Forschungsberichtes“ (vgl. Przyborski, 2014, S. 212).

Um die Geltung ihrer Ergebnisse zu begründen, diskutiert Fischer unterschiedliche Gütekriterien qualitativer Forschung und wählt für ihre Arbeit letztendlich folgende drei aus: Validität, Verallgemeinerbarkeit und Relevanz (vgl. Fischer, 2002, S. 117-119). „Validität bedeutet dabei …eine in sich stimmige, argumentativ begründbare und der Datenlage nicht widersprechende Perspektive auf eine sozial und dialogisch geschaffene Realität, eine ‚sinnvolle Geschichte‘“. (Fischer, 2001, 128) Anschließend stellt Fischer Strategien vor mit denen man die Gütekriterien erfüllen kann: „Um diese Kriterien zu erfüllen, werden im Forschungsprozess Strategien der Multiperspektivität, Selbstreflexion, argumentativen Geltungsbegründung und in Grenzen auch der kommunikativen Validierung und des Praxistestes angewandt.” (Fischer, 2001, S.128) Sie wird ihren Gütekriterien weitgehend gerecht, außer im Punkt der Validität. Gemäß der Strategien der Selbstreflexion und Transparenz müsste sie ihre Rolle im Feld transparenter darstellen, was ihr nicht ausreichend gelungen ist.

Ein Ziel von Fischers Forschung war, dass alle Beteiligten in den Prozess involviert sind, Einfluss auf die Interventionsmöglichkeiten nehmen und das Erlernte später selbst anwenden können. Die Autorin gibt ihnen dafür intensive Rückmeldung über den Forschungsverlauf, räumt ihnen somit ein hohes Maß an Partizipation ein. Allerdings reflektiert sie nicht kritisch, welche Auswirkungen ihre Nähe zu den Beforschten auf die Ergebnisse haben könnte. Ergebnisse der Studie sind, dass Jugendliche erst einmal Mitglied in einem Umweltverband sein müssen, um positive Erfahrungen zu machen und diese weiterzutragen. Phänomene wie Solidarität und Zusammenhalt können sich erst einstellen, wenn man zur Gruppe dazugehört. Auch können Lernerfolge und Erfahrungen erst nach dem jeweiligen Prozess richtig eingeschätzt werden. (vgl. Fischer, 2011, S.469) Fischer erläutert, dass viele Lernprozesse und motivierende Faktoren von außen gesteuert werden und nicht in „unserer Hand liegen“, dass es allerdings Faktoren gibt, die wir beeinflussen können und müssen (vgl. Fischer, 2011, S. 469). Sie beantwortet ihre Fragestellung dahingehend unzureichend, was Jugendliche motiviert sich zu engagieren. Fraglich ist außerdem, warum sie sich nur auf Positivbeispiele konzentriert und ob es repräsentativ ist, wenn sie zum Beispiel aufgrund weniger Meldungen eine sehr geringe Teilnehmerzahl im Einzelinterview zu verzeichnen hat (Fischer, 2001, S.148).

Literatur:

Fischer, Corinna; “Das gehört jetzt irgendwie zu mir”. Mobilisierung von Jugendlichen aus den neuen Bundesländern zum Engagement einem Umweltband; Eine explorative Studie am Beispiel der BUNDjugend; Berlin; 2001

Flick, Uwe; Sozialforschung. Methoden und Anwendungen; Ein Überblick für die BA-Studiengänge; 2. Auflage; Rowohlt Verlag; Reinbek; 2009

Hoffmann-Riem, C.; Die Sozialforschung einer interpretativen Soziologie: Der Datengewinn; Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; 1980

May, Yomb; Wissenschaftliches Arbeiten - Eine Anleitung zu Techniken und Schriftform; Reclam; Stuttgart; 2010

Przyborski, Aglaja; Wohlrab-Sahr, Monika; Qualitative Sozialforschung; Ein Arbeitsbuch; 4. Auflage; Oldenburg Wissenschaftsverlag GmbH; München; 2014

Kommentare

Diskussion

Saralena Fritzsch und Sabine Kaler, 2014/07/02 21:41

Beurteilung Tandem 08

Platz 3: Tandem 9 (Version 2014/06/04 19:49)

Die Einführung in die Thematik ist unserem Erachten nach zu ungenau, da auf das Verhältnis Theorie und Gegenstand nicht explizit eingegangen wurde. Für ein besseres Verständnis des Lesers wäre es notwendig, die Fragestellung zu benennen. Positiv anzumerken ist, dass an der Studie Kritik geübt wurde. Auch die Annäherung an das Feld ist den Tandempartnern gut gelungen, da auch das Nähe-Distanz-Verhältnis analysiert wurde. Die „Sammlung der Daten“ enthält zu viele aneinander gereihte Informationen. Hier wäre eine Verallgemeinerung und Reduzierung auf wesentliche Punkte angebracht gewesen. Der dritte Platz ist damit zu begründen, dass hier kein deutlicher roter Faden erkennbar ist und uns die Strukturierung der Entwurfsfassung verbesserungswürdig erscheint. Die Zusammenhänge waren nicht so gut erkennbar und Hintergründe nicht immer nachvollziehbar.

Svenja Veith und Angela Perkovic, 2014/07/15 20:55

Platz 2 – Tandem 9: (Version 2014/06/04 19:49)

Tandem 9 befindet sich für uns nur ganz knapp hinter Tandem 8. Auch diese Studienanalyse ist klar strukturiert. Außerdem wurde fachlich korrekt zitiert, genannte Aspekte wurden mit Textstellen belegt und es wurden Beispiele genannt. Dadurch wird die Analyse für den Leser nachvollziehbar. Leider wird auch hier die Fragestellung nicht mehr formuliert, sondern nur die Textstelle angegeben. Da aber die ganze Studie darauf aufbaut ist dies nach unserer Meinung ein wichtiger Punkt. Der Leser bekommt den Eindruck, als hätte das Tandem viel Fachwissen, da sehr viele Fachbegriffe (z.B. sukzessive Innenperspektive,…) verwendet wurden. Dies fällt einerseits positiv auf, andererseits werden diese Begriffe aber meistens nicht mehr erläutert, was das flüssige Lesen der Studie etwas erschwert. Teilweise hätte man solche Sätze einfacher formulieren können. Auch dieses Tandem beleuchtet die Arbeit der Autorin kritisch. Unter dem Punkt „Annäherung an das Feld“ wird deutlich, was Fischer besser hätte machen können. Sehr positiv ist auch hier, dass viel Literatur zu Grunde gelegt wurde. Es zeigt, dass sich das Tandem intensiv mit dem Inhalt auseinander gesetzt hat. Unserer Meinung nach hätte man besser weniger Punkte behandelt, dafür die Wichtigen aber ausführlicher (z.B. Begriffe wie Grounded Theory). Für Außenstehende wäre der Text dadurch leichter verständlich gewesen. Dies ist Tandem 8 etwas besser gelungen, weshalb wir Tandem 9 nur auf Platz 2 gesetzt haben.

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