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Tandem 17

  • Tandempartner*in 1: Espe; Freya
  • Tandempartner*in 2: Follner; Jannik

Entwurfsfassung

Fragestellung, Forschungsperspektiven

In der Dissertation „Jugendkriminalität“ von Oliver Fähnrich werden Jugendliche zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr untersucht, die wiederholt und selbst nach strafrechtlicher Sanktionierung straffällig wurden. Die Ausgangsthese ist hierbei, dass vorliegende theoretische Forschungsansätze bisher nur unzulänglich die Selbstdeutungen der Jugendlichen für ihr kriminelles Verhalten berücksichtigen. Daraus abgeleitet, möchte der Forschende die Frage beantworten, wie Jugendliche ihre aktuellen Lebensumstände und biographischen Erfahrungen selbst deuten und ob sich typische Selbstdeutungsmuster der Jugendlichen bezügliche ihrer aktuellen Lebensumstände und biographischen Erfahrungen feststellen lassen. Hierbei sollen sich die Fragen auch auf ihre Straftaten beziehen (vgl. Fähnrich 2009, S. 102-103).

Ziele dieser qualitativen Studie ist es herauszufinden, wie und unter welchen Bedingungen die straffällig gewordenen Jugendlichen aufgewachsen sind und zu beschreiben, wie diese Jugendlichen ihre biographischen Erfahrungen und aktuellen Lebensumstände deuten und ihre Straftaten rechtfertigen. Anschließend sollen typische Beschreibungs- bzw. Selbstdeutungsmuster herausgearbeitet werden. Außerdem soll die Dissertation Anregungen zur aktuellen Diskussion um das Thema Jugendkriminalität liefern (vgl. Fähnrich 2009, S. 104).

Annäherung ans Feld

Um einen umfassenden Überblick über das Feld der Untersuchung, den jugendlichen Wiederholungstätern zu bekommen, hat Fähnrich Kontakt mit dem hessischen Polizeipräsidium aufgenommen. Dort wurde zuvor eine Ermittlungsgruppe mit dem Namen „Kompass“ gegründet, die sich mit „Besonders auffälligen Straftätern unter 21 Jahren“ (BASU 21) beschäftigt. In sogenannten Personagrammen wurden dort die soziale und „kriminelle“ Biographie der auffälligen jugendlichen Straftäter festgehalten. Für die Dauer der Studie wurde Fähnrich der Kontakt mit dem zuständigen Leiter der Ermittlungsgruppe als Ansprechpartner zugesichert (vgl. Fähnrich 2009, S. 105).

Zum Zeitpunkt der Materialübergabe befanden sich 80 besonders auffällige Straftäter unter 21 in dem Projekt BASU 21, die insgesamt für 1454 Straftaten verurteilt wurden. Auf diese 80 Jugendlichen kam man indem in einer EDV-Recherche der Polizei nur diejenigen berücksichtigt wurden, die innerhalb eines Jahres mindestens fünf, aber insgesamt höchstens 20 Straftaten begangen hatten und sich darunter innerhalb der letzten sechs Monate mindestens ein Gewaltdelikt befand (vgl. Fähnrich 2009, S. 106).

Sammlung der Daten

Bei der Methode der Datenerhebung wurde sich für das Leitfadeninterview entschieden, da es laut Fähnrich bei einem narrativen Interview für die Jugendlichen Überforderungen bei der freien Erzählung entstanden wären (vgl. Fähnrich 2009, S. 118f). Bei dem Leitfadeninterview werden den Jugendlichen gezielt eine Reihe von vorbereiteten Fragen gestellt, die das thematisch relevante Spektrum des Interviews und seines Gegenstands abdecken soll (vgl. Flick 2009, S.113). Der Interviewer kann sich hierbei aktiv und konstruktiv am Erzählungsprozess beteiligen. Somit können die Jugendlichen nicht nur durch aktives Zuhören, sondern auch durch verbale Kommunikation motiviert werden sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen (vgl. Fähnrich 2009, S.119). Ziel des Leitfadeninterviews ist es, durch den Dialog die individuelle Sicht des Interviewpartners auf das Thema zu erhalten (vgl. Flick 2009, S.113).

Um die Jugendlichen auszuwählen hat sich Fähnrich, aufgrund seines Vorwissens über die relevanten Merkmale der zu erhebenden Fälle, für die Methode des Selektiven Sampling entschieden (vgl. Fähnrich 2009, S.120). Diese musste allerdings wieder verworfen werden, da sich in der Untersuchungsgruppe (von der Polizei vermittelte Wiederholungstäter) nicht genügende Jugendliche fanden, die diese Studie tatsächlich mitmachten (vgl. Fähnrich 2009, S.121). Daraufhin wurde zu weiteren Einrichtungen Kontakt aufgenommen und somit eine Art Zufallsstichprobe ermittelt (vgl. Fähnrich 2009, S.121).

Die Themengebiete des Interviewleitfadens bestanden aus der Lebensgeschichte, der aktuellen Situation und der Interessen der Jugendlichen. Auch auf die Familie und Familienverhältnisse, Freunde, Gleichaltrige und außerfamiliären Kontakte, sowie auf Erfahrungen des Bildungssystems in Beruf und Schule wurde eingegangen. Außerdem wurden die Jugendlichen nach den Delikten, Vorstrafen, Sanktionen und Erfahrungen mit der Jugendhilfe befragt und auch die geplante Zukunft und ihr Selbstbild sollten widergegeben werden. Die Interviews wurden hierbei auf einen Tonträger aufgezeichnet und die Fragen wurden nicht nacheinander gestellt, sondern waren hauptsächlich Anhaltspunkte zu den unterschiedlichen Themenbereichen (vgl. Fähnrich 2009, S.122).

Die Interviews wurden ungestört in einem Büro durchgeführt, wobei nur der Interviewer und der Interviewpartner anwesend waren. Den Jugendlichen wurde Schweigepflicht zugesichert und mitgeteilt, dass ihre persönliche Meinung, Einstellung und Erfahrungen zu allen Themenkomplexen sehr wichtig seien (vgl. Fähnrich 2009, S.123).

Interpretation der Daten

Die Datenauswertung soll eine Typenbildung bewirken, in der „typische kriminelle Karriereverläufe“ der besonders auffälligen jugendlichen Straftäter eingeordnet werden sollen (vgl. Fähnrich 2009, S.123). Die Auswertungsschritte der Datenauswertung orientieren sich laut Fähnrich in einigen Punkten an dem von Flick entwickelten „thematischen Kodieren“. Hierbei soll die Datenerhebung durch die Vorgabe von Themen und gleichzeitige Offenheit für die jeweiligen, darauf bezogenen Sichtweisen gewährleistet werden (vgl. Fähnrich 2009, S.124).

Beim „thematischen Kodieren“ werden zuerst Einzelfallportraits erstellt, bevor ein „offenes“ und „selektives“ Kodieren angewandt wird und fallvergleichende Aussagen formuliert werden (vgl. Fähnrich 2009, S.124). In der Studie hat Fähnrich das folgendermaßen angewandt. Zu Beginn wurden die Daten mittels Interview, Transkription und Aufbereitung sonstiger Daten erhoben, danach erfolgte eine Erstellung von kurzen Einzelfallportraits der Jugendlichen. Daraufhin folgte eine Sequentierung, bei der die wichtigen Aussagen festgehalten wurden (vgl. Fähnrich 2009, S.126). Nach der Sequentierung konnten Kategorien und Subkategorien gebildet und das entstandene Kategoriengerüst auf den nächsten Fall angewendet werden. Dies wurde dann auch auf alle einbezogenen Fälle angewandt und die (Sub-)Kategorien aus der aktuellen Sicht und der biographischen Erfahrungen der Jugendlichen beschrieben. Somit entstanden ausführliche Fallportraits. Nun wurden Synopsen gebildet und die Fälle nach ähnlichen Merkmalen sowie Selbstdeutungsmustern der aktuellen Situation eingeteilt (vgl. Fähnrich 2009, S.127ff). Aufgrund der biographischen Erfahrungen der Jugendlichen wurde danach eine Zeittafel entworfen, um dann Merkmale und Selbstdeutungsmuster dieser Erfahrungen zu bilden (vgl. Fähnrich 2009, S.131f). Folgend konnten die Fälle gruppiert und charakterisiert werden, eine Typenbildung fand somit statt (vgl. Fähnrich 2009, S.133). Zum Schluss wurden die beiden Ebenen der aktuellen Situation der Jugendlichen und ihrer biographischen Erfahrungen verbunden und auf inhaltliche Zusammenhänge überprüft (vgl. Fähnrich 2009, S.134).

Literatur

  • Fähnrich, Oliver. „Jugendkriminalität. Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher. Merkmale und Selbstdeutungsmuster jugendlicher Wiederholungstäter.“ Dortmund. (2009).
  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg. (2009).
  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg. (2014).

Zweiter Text: Begründete Einschätzung anderer Analysen

Ranking: 1. Platz: Tandem 27, 2. Platz: Tandem 23, 3. Platz: 24, 4. Platz: Tandem 19

Tandem 27, Platz 1

Die Analyse von Tandem 27 ist sehr ausführlich und sprachlich gut geschrieben. Eine kleine Einleitung ermöglicht den Leser*innen einen schnellen Einstieg ins Thema. Die weiterführende Literatur ist sinnvoll eingebunden und auch im Literaturverzeichnis wiederzufinden. Des Weiteren ist positiv aufgefallen, dass wichtige Schlagwörter fett gedruckt sind. Auch die Forschungsfrage ist deutlich abgehoben vom Text.

Ein kleiner Mangel ist, dass die Zitationsweise nicht ganz einheitlich ist. So wird zum Beispiel in der Einleitung in der Zeile 4-5 „(vgl. ebd. S. 103)“ ohne Komma nach ebd. auf die Seitenzahl verwiesen und in dem Teil der Fragestellung in Zeile 5 „(vgl. ebd., S. 103)“ mit Komma. Dies wechselt die ganze Analyse hindurch. Auch ist ein Anführungszeichen in der Sammlung der Daten zuviel oder zu wenig, denn dort heißt es im 3. Absatz in Zeile 3-4: „[…] zu „einer Art „Zufallsstichprobe“ übergehen (vgl. ebd. S. 121) sowie weitere Einrichungen mit einbeziehen (vgl. ebd. S. 120ff).“

Tandem 23, Platz 2

Die Analyse von Tandem 23 ist auch sehr ausführlich und sprachlich gut geschrieben. Die weiterführende Literatur ist sinnvoll eingebunden und auch im Literaturverzeichnis zu finden.

Ein Verbesserungsvorschlag ist es, mit einer kurzen Einleitung zu beginnen, um den Leser*innen einen schnellen Einstieg in das Thema zu ermöglichen. Ansonsten waren keine Mängel zu finden.

Tandem 24, Platz 3

Die Analyse von Tandem 24 ist ausführlich und sprachlich gut. Es wurde weiteführende Literatur sinnvoll verwendet und auch korrekt angegeben. Auch eine kurze Einführung ist enthalten, die einen schnellen Einstieg ins Thema ermöglicht.

Ein Verbesserungsvorschlag ist es, im Kapitel der Fragestellung diese auch explizit anzugeben. Auch kann man noch an ein paar Stellen die Formulierung, Kommasetzung und Rechtschreibung verbessern. Im Kapitel „Annäherung an das Feld“ in der Zeile 11-12 heißt es: „Daraus schließen wir, dass es aufgrund dem Wechsel der Methoden, zu einer Verzerrung in dem Ergebnis kommen könnte (vgl. Raithel, Jürgen, 2008, S. 58).“ Hier könnte man den Satz so umformlulieren, dass kein „wir“ mehr vorkommt (z.B. Daraus fogt, dass…). Im Kapitel „Sammlung der Daten“ in der drittletzten Zeile sollte das „Führen“ in „Durch das führen des Gesprächs in einem Büro mit nur seiner eigenen Person, entsteht eine vertrauliche Atmosphäre, die schließlich dazu führen kann, dass der Jugendliche sich wohler fühlt (vgl. Froschauer/ Lueger, 2003, S. 65).“ groß geschrieben werden und das Komma nach Person entfernt werden.

Tandem 19, Platz 4

Die Analyse von Tandem 19 ist strukturiert und inhaltlich sehr ausführlich. Weiterführende Literatur wurde sinnvoll verwendet, sollte allerdings noch im Literaturverzeichnis angegeben werden. Positiv ist aufgefallen, dass die Geltungsbegründung schon bearbeitet wurde und auch sehr nachvollziehbar ist.

Ein Verbesserungsvorschlag ist es eine kurze Einleitung zu geben, um den Einstieg ins Thema zu erleichtern. Auch könnte die Fragestellung als solche gekennzeichnet und explizit angegeben werden. Es ist auch aufgefallen, dass die Dissertation von Fähnrich in vielen Bereichen beschrieben wird und nur wenig Analyse enthalten ist. Dies könnte für die Endversion noch verbessert werden.

Dritter Text: Endfassung

Einleitung

In der Dissertation „Jugendkriminalität“ von Oliver Fähnrich werden Jugendliche zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr untersucht, die wiederholt und selbst nach strafrechtlicher Sanktionierung straffällig wurden. Die Fragestellungen und Methoden, mit denen Fähnrich hierbei Forschung betrieben hat, werden im Folgenden analysiert.

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Schon im Vorfeld zeigt Fähnrich bereits eine Vielzahl von empirisch gesicherten Kriminalitätstheorien sowie unterschiedliche Forschungsansätze auf, welche das straffällige Verhalten Jugendlicher aus verschiedenen Blickwinkeln zu erklären versuchen (vgl. Fähnrich 2009, S.96). Die Theorien und Ansätze bieten trotz aller Kritik Fähnrichs „gute Erklärungsmuster zur Begründung von Kriminalität“. (Fähnrich 2009, S.102). Seine Kritik richtet sich auf das bisherige Nichtbeachten der „subjektiven Vorstellungen“ (ebd.) der jugendlichen Straftäter. Aufgrund der Vielschichtigkeit und Komplexität hinsichtlich Verhaltensweißen, Biografie und Lebenswelt der Jugendlichen ist es für Fähnrich jedoch umso wichtiger diese mit einzubeziehen (vgl. ebd.).

Als Untersuchungsgegenstand stellen daher die 80 Jugendlichen und ihre individuellen Biografien, welche dem Projekt der sogenannten „Besonders auffällig Straftätigen unter 21 (kurz: BASU21) zugeordnet sind, dar (vgl. Fähnrich 2009, S.105f). Ein gewisses Vorwissen über den Untersuchungsgegenstand - begangene Straftaten, Wohnmilieu u.a. - konnte anhand der polizeilichen Datenbank erfasst werden (vgl. Fähnrich 2009, S.106).

Durch das Aneignen von Vorwissen entwirft Fähnrich „am Schreibtisch“ (Flick et al. 1995, S.150) ein theoretisches Modell seiner qualitativen Forschung. Dennoch räumt Fähnrich dem Untersuchungsgegenstand gegenüber den vorherrschenden Kriminaltheorien große Bedeutung ein: „Ursachen von kriminellen Verhaltensweisen im Jugendalter sind sehr vielschichtig und müssen deshalb immer im Kontext des Jugendlichen und seiner individuellen Biografie und Lebenswelt gesehen und berücksichtigt werden.“ (Fähnrich 2009, S.102). Modellbildung und Grounded Theory stehen hier im Widerspruch zueinander, da Fähnrich das Vorhandensein grundlegender Kriminalitätstheorien dem Untersuchungsfeld gegenüberstellt (vgl. ebd.).

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Die Ausgangsthese ist, dass vorliegende theoretische Forschungsansätze bisher nur unzulänglich die Selbstdeutungen der Jugendlichen für ihr kriminelles Verhalten berücksichtigen. Daraus abgeleitet, möchte der Forschende die Frage beantworten, wie Jugendliche ihre aktuellen Lebensumstände und biographischen Erfahrungen selbst deuten und ob sich typische Selbstdeutungsmuster der Jugendlichen bezügliche ihrer aktuellen Lebensumstände und biographischen Erfahrungen feststellen lassen. Hierbei sollen sich die Fragen auch auf ihre Straftaten beziehen (vgl. Fähnrich 2009, S.102f).

Da sich Fähnrichs Forschungsarbeit in erster Linie für die verschiedenen Biographien der jugendlichen Straftäter interessiert, kann von einem retrospektiven Basisdesign ausgegangen werden (vgl. Fähnrich 2009, S.7; Flick 2009, S.180).

Annäherung ans Feld

Um einen umfassenden Überblick über das Feld der Untersuchung, den jugendlichen Wiederholungstätern zu bekommen, hat Fähnrich Kontakt mit dem hessischen Polizeipräsidium aufgenommen. Dort wurde zuvor eine Ermittlungsgruppe mit dem Namen „Kompass“ gegründet, die sich mit „Besonders auffälligen Straftätern unter 21 Jahren“ (BASU 21) beschäftigt. In sogenannten Personagrammen wurden dort die soziale und „kriminelle Biographie“ der auffälligen jugendlichen Straftäter festgehalten. Für die Dauer der Studie wurde Fähnrich der Kontakt mit dem zuständigen Leiter der Ermittlungsgruppe als Ansprechpartner zugesichert (vgl. Fähnrich 2009, S.105).

Zum Zeitpunkt der Materialübergabe befanden sich 80 besonders auffällige Straftäter unter 21 in dem Projekt BASU 21, die insgesamt für 1454 Straftaten verurteilt wurden. Auf diese 80 Jugendlichen kam man indem in einer EDV-Recherche der Polizei nur diejenigen berücksichtigt wurden, die innerhalb eines Jahres mindestens fünf, aber insgesamt höchstens 20 Straftaten begangen hatten und sich darunter innerhalb der letzten sechs Monate mindestens ein Gewaltdelikt befand (vgl. Fähnrich 2009, S.106).

Fähnrich nimmt die Jugendlichen während seiner gesamten Forschungstätigkeit sehr ernst und respektiert deren Recht auf Privatsphäre beziehungsweiße Datenschutz (vgl. Fähnrich 2009, S.123). Da er mit ihnen agiert und in Kontakt tritt, definiert sich seine Rolle als „teilnehmender Beobachter“ (vgl. Flick et al. 1995, S.154). Die Wirkung des Forschers auf die Jugendlichen (nach Flick et al. [1995] der sogenannte Fremdenstatus [S.154]), wird in der Dissertation weder reflektiert noch angesprochen.

Sammlung der Daten

Bei der Methode der Datenerhebung wurde sich für das Leitfadeninterview entschieden, da laut Fähnrich bei einem narrativen Interview für die Jugendlichen Überforderungen bei der freien Erzählung entstanden wären. Dies bestätigte sich in den Leitfadeninterviews durch die Probleme, die die Jugendlichen beim Formulieren längerer zusammenhängender Sätze hatten (vgl. Fähnrich 2009, S. 118f).

Aufgefallen ist, dass beim Leitfadeninterview die Form des problemzentrierten Interviews benutzt wurde. Dies bedeutet, dass ein Kurzfragebogen erstellt wird. Den Interviewten werden gezielt eine Reihe von vorbereiteten Fragen gestellt, die das thematisch relevante Spektrum des Interviews und seines Gegenstands abdecken sollen (vgl. Flick 2009, S.113). Der Interviewer kann sich hierbei aktiv und konstruktiv am Erzählungsprozess beteiligen. Somit können in Fähnrichs Studie die Jugendlichen nicht nur durch aktives Zuhören, sondern auch durch verbale Kommunikation motiviert werden sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen (vgl. Fähnrich 2009, S.119). Auch wird ein Leitfaden vorbereitet, der in der Studie von Fähnrich die Themengebiete Lebensgeschichte, aktuelle Situation und Interessen der Jugendlichen, Familie und Familienverhältnisse, Freunde, Gleichaltrige und außerfamiliären Kontakte, sowie Erfahrungen des Bildungssystems in Beruf und Schule enthält (vgl. Fähnrich 2009, S. 122; Flick 2007, S.210). Dieser Leitfaden soll jedoch den Erzählstrang des Interviewten nicht unterbrechen, sondern eine Möglichkeit sein dem Interview eine neue Wendung zu geben (vgl. Flick 2007, S.210).

Fixierung der Daten

Die während des Interviews gewonnen Daten wurden von Fähnrich auf doppelte Weiße fixiert. Zum einen wurden die Interviews auf einem Tonträger aufgezeichnet und zum anderen wurden zusätzlich noch Notizen angefertigt (vgl. Fähnrich 2009, S.122f). Flick et al. (1995) beschreiben den Einfluss von Aufzeichnung auf die Probanden als nicht zu unterschätzenden Faktor (S.161). Gerade bei Personen die nicht täglich an einem forschungs-geleiteten Interview teilnehmen. Damit die Jugendlichen im Fall Fähnrich nicht in große Skepsis verfallen, wurde ihnen im Vorfeld alles erläutert und die Schweigepflicht explizit zugesichert (vgl. Fähnrich 2009, S.123).

Die gewonnenen Daten der Interviews wurden „vollständig und wörtlich transkribiert“ (ebd.) und mit Zusatzmaterialien der beteiligten Institutionen zusammengestellt. Aus diesen Datenpaketen konnte Fähnrich die Biographien in verschiedene Typen abbilden (vgl. ebd.).

Interpretation der Daten

Die Datenauswertung soll eine Typenbildung bewirken, in der „typische kriminelle Karriereverläufe“ der besonders auffälligen jugendlichen Straftäter eingeordnet werden sollen (vgl. Fähnrich 2009, S.123). Die Auswertungsschritte der Datenauswertung orientieren sich laut Fähnrich in einigen Punkten an dem von Flick entwickelten thematischen Kodieren (vgl. ebd., S.124).

Wie beim thematischen Kodieren üblich führt Fähnrich zunächst Einzelfallanalysen durch, aus denen kurze Einzelfallportraits entstehen. Diese heben in Fähnrichs Studie anders als vorgesehen nicht die typische Aussage des Falls hervor (vgl. Fähnrich 2009, S.126; Flick 2007, S.403). Fähnrich begründet dies damit, dass der erste Eindruck des Falls nicht überwiegen soll (vgl. Fähnrich 2009, S.126). Auch werden danach durch Kodierung Kategoriensysteme für die einzelnen Fälle entwickelt. Hierbei wird nach Strauss und Corbin vorgegangen, die den Schritt als Konzeptualisierung der Daten bezeichnen. Zusätzlich fasst Fähnrich die Aussage des Interviewten in seinen eigenen Worten zusammen (vgl. ebd., S.126). Die Kategoriensysteme bestehen in der untersuchten Studie aus Kategorien und Subkategorien, die er im nächsten Schritt nun nacheinander miteinander vergleicht und aneinander anpasst (vgl. ebd., S. 127ff). Die Fallanalyse aller Fälle scheint hier bei Fähnrich schon abgeschlossen zu sein. Beim thematischen Kodieren werden allerdings nach den ersten Fallanalysen die entwickelten Kategorien und thematischen Bereiche verglichen und deren thematische Struktur bei der Analyse der weiteren Fälle berücksichtigt. Dies soll die Vergleichbarkeit der Fälle erhöhen (vgl. Flick 2007, S.404). Um die Analyse zu verfeinern, beschreibt Fähnrich die (Sub-)Kategorien aus aktueller Sicht und den biographischen Erfahrungen. Daraus resultieren „fallbezogene Darstellungen der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Untersuchung einschließlich der für den Fall spezifischen Leitthemen“ (ebd., S.405). Daraufhin folgt ein Fall- und Gruppenvergleich mithilfe der thematischen Struktur, bei dem Fähnrich Synopsen bildet und die Fälle nach ähnlichen Merkmalen sowie Selbstdeutungsmustern der aktuellen Situation einteilt (vgl. Fähnrich 2009, S129; Flick 2007, S.405). Um die soziale Verteilung der Perspektiven auf den untersuchten Gegenstand zu analysieren und zu überprüfen, entwirft Fähnrich zu den biographischen Erfahrungen der Jugendlichen eine Zeittafel und bildet Merkmale und Selbstdeutungsmuster dieser Erfahrungen (vgl. Fähnrich 2009, S.131; Flick 2007, S.405). Als letzter Schritt werden die Fälle gruppiert und charakterisiert, wobei Fähnrich zunächst die Ebenen „aktuelle Situation“ und „biographische Erfahrungen“ unterscheidet und später dann verbindet und überprüft (vgl. Fähnrich 2009, S. 133f; Flick 2007, S.407).

Geltungsbegründung

Wie Fähnrichs qualitative Forschung zu bewerten ist, lässt sich durch zwei Wege herausfinden. Entweder man überprüft die Gütekriterien oder man versucht die Qualität der Forschung ohne Kriterien zu bestimmen (vgl. Flick 2007, S.485).

Fähnrich führt in seiner Studie keine der beiden Wege auf. Jedoch beschreibt er, dass es interessant wäre „zu erfahren, ob man in einer größer angelegten Untersuchung mit ähnlicher Methodik zum selben Schluss käme und die zuletzt aufgestellten Thesen bestätigt werden könnten“ (Fähnrich 2009, S. 219). Hiermit kritisiert er, dass durch Probleme bei der Auswahl geeigneter Jugendlicher für die Studie nur 11 Jugendliche erforscht wurden (vgl. ebd., S.121). Somit stellt sich die Frage, ob diese Anzahl an Jugendlichen hinreichend ist um eine Verallgemeinerung durchführen zu können.

Forschung als Diskurs

Um die Erforschten im Thema mit einzubeziehen, gibt es nach Flick drei Möglichkeiten. Die Rückmeldung nach Abschluss der Erhebung der Daten, die Rückmeldung der Interpretationen oder nach Abschluss der Forschung (vgl. Flick 1995, S.170). In Fähnrichs Studie ist jedoch keine Rückmeldung zu einem der Zeitpunkte beschrieben.

Auch gibt es die Möglichkeit den Erforschten mit einzubeziehen, indem man das Ziel hat dessen Lebenspraxis zu verändern (vgl. Flick 1995, S.170). Flick nennt als Ziele der Untersuchung folgende Punkte:

  1. „herauszufinden, wie und unter welchen Bedingungen die Jugendlichen aufgewachsen sind;
  2. zu beschreiben, wie die Jugendlichen ihre biografischen Erfahrungen und aktuellen Lebensumstände deuten und ihre Straftaten rechtfertigen. Anschließend sollen typische Beschreibungs- bzw. Selbstdeutungsmuster herausgearbeitet werden;
  3. Anregungen zur aktuellen Diskussion um das Thema Jugendkriminalität zu liefern“

(Fähnrich 2009, S.104).

Die Anregung zur aktuellen Diskussion des Themas könnte zu einer Überarbeitung der Sanktionen und des Hilfeangebots in solchen Fällen führen. Allerdings ist die Veränderung der Lebenspraxis der Jugendlichen auch hier nur ein sekundäres Ziel und ist nicht direkt aufgeführt.

Literatur

  • Fähnrich, Oliver. „Jugendkriminalität. Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher. Merkmale und Selbstdeutungsmuster jugendlicher Wiederholungstäter.“ Dortmund. (2009).
  • Flick, Uwe. „Stationen des qualitativen Forschungsprozesses“ in Flick, Uwe; Kardoff, Ernst v.; Keupp, Heiner; Rosenstiel, Lutz v.; Wolff, Stephan. „Handbuch Qualitative Sozialforschung“. Weinheim. (1995).
  • Flick, Uwe. „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“. Hamburg. (2007).
  • Flick, Uwe. „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“. Hamburg. (2009).
  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg. (2009).
  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg.(2014).

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