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lehre:sose2016:sozialwissmeth:analysen:tandem17



Tandem 17

  • Tandempartner 1: Julian Raschke
  • Tandempartner 2: Tabea Nau

Endfassung

Verhältnis Theorie-Gegenstand

In der Studie von Nader, mit dem Titel Was bleibt? Erinnerungen an die Volksschule – Eine empirische Studie zur Lehrprofessionalität, beschreibt er, dass es durchaus „(…) empirische Untersuchungen von fachspezifischen Kompetenzen (…)“ (Nader 2015, S.12) gäbe, beispielsweise von PIRLS oder TIMMS, jedoch lasse „(…) die aktuelle Forschungslage zu nachhaltigen Effekten von Volksschule immer noch gewichtige Fragen unbeantwortet (…) und damit viel Raum für Spekulationen (…).“ (Ebd.) An diesem Punkt will Nader ansetzen und weist seiner Studie dadurch einen explorativen Charakter zu (Nader 2015, S.16). Als Aufgabe der qualitativen Inhaltsanalyse sieht er die Hypothesenfindung und die daraus resultierende Theorienbildung (Nader 2015, S. 137). Diese Theorienbildung sieht er als primäres Ziel: „Das primäre Ziel der Studie ist die Formulierung einer kategorisiert ausdifferenzierten Theorie von niederösterreichischen Volksschulerinnerungen aus Perspektive ehemaliger Schüler aller noch lebenden Altersgruppen.“ (Nader 2015, S.17) Nader versucht Hypothesen durch verschiedene Forschungsfragen zu finden, die im folgenden Kapitel FRAGESTELLUNG, FORSCHUNGSPERSPEKTIVEN näher erläutert werden.

Fragestellung, Forschungsperspektiven

In dieser Studie, wobei es sich um ein Mixed-Method-Design handelt (Nader 2015, S.21), formuliert Nader mehrere Ziele und Fragestellungen, denen er in dieser Dissertation auf den Grund gehen möchte. So lautet die zentrale Forschungsfrage: „Welche kollektiven Erinnerungen können in allen noch lebenden Alterskohorten hinsichtlich deren Volkshochschulzeit in Niederösterreich rekonstruiert werden?“ (Nader 2015, S.16). Um diese Fragestellung noch weiter eingrenzen zu können, nämlich nach Altersgruppen, formuliert er zwei weitere Fragen: „Welche Unterschiede in den kollektiven Erinnerungen an die Volksschule können in den verschiedenen Absolventenkohorten festgestellt werden?“ (Nader 2015, S.17) und „Welche Gemeinsamkeiten in den kollektiven Erinnerungen an die Volksschule können in den verschiedenen Absolventenkohorten festgestellt werden?“ (Ebd.). Die letzte Forschungsfrage aus Kapitel 1.2, in der Nader dann noch Erklärungen für die getätigten Beobachtungen zu finden sucht, lautet: „Welche Ursachen und Erklärungen können für die beobachteten Volksschulerinnerungen der unterschiedlichen Alterskohorten vermutet werden?“ (Ebd.). Das primäre Ziel der Studie sieht Nader in der „(…) Formulierung einer kategorisiert ausdifferenzierten Theorie von niederösterreichischen Volksschulerinnerungen aus Perspektive ehemaliger Schüler aller noch lebenden Altersgruppen.“ (Ebd.). Das zweite Ziel versucht „(…) Konstanten und Variablen in den Zusammensetzungen von Erinnerungen an Volksschule auszumachen.“ (Ebd.). Widersprüchlich erscheint in Kapitel 1.5 Themen der nachfolgenden Abschnitte ein zweites primäres Ziel, das da lautet: „(…) die Bereicherung des Professionswissens von Volksschullehrern durch die Erkenntnisse, welche im Kontext der historischen Bildungsforschung gewonnen wurden.“ (Nader 2015, S.21). Durch die konkrete Benennung der zentralen Forschungsfrage sowie der daraus resultierenden Teilfragen wirkt die Forschungsarbeit transparent. Durch die verschieden genannten primären Ziele allerdings wirkt die Forschungsarbeit nicht mehr transparent und ist dadurch auch nicht so leicht für uns als Leser zugänglich. Als Forschungsperspektive dient Nader die Grounded Theory (Nader 2015, S.21). „Dabei wird den Daten und dem untersuchten Feld Priorität gegenüber theoretischen Annahmen eingeräumt.“ (Flick 1995, S.150) Das zu Beginn erwähnte Mixed-Method-Design beinhaltet sowohl qualitative Vorgangsweisen, als auch quantitative Untersuchungen (Nader 2015, S.17f.).

Annäherung ans Feld

Den Feldeinstieg gestaltete Nader analog zur Literaturrecherche über das Verfahren der Grounded Theory (Nader 2015, S.21). Bei der Grounded Theory soll das zugrundeliegende Verhältnis von Theorie und Empirie durch das Prinzip der Offenheit und „Gleichschwebende Aufmerksamkeit“ offengelegt werden (Flick 1995, S.150). Das Prinzip der Offenheit beschreibt, dass der Forscher die Literatur zu Theorien und Sachverhalten, die den zu untersuchenden Bereich betreffen, vor dem Einstieg in das Feld zunächst außer Acht lässt (ebd.). Dieses Verhalten gilt vor allem für Hypothesen und weniger für die Ausarbeitung der zu untersuchenden Fragestellung (ebd.). Bei der „Gleichbleibenden Aufmerksamkeit“ handelt sich im übertragenen Sinn um eine Problematik. Dabei lässt „(…) der Forscher aufgrund seiner eigenen theoretischen Annahmen und Strukturen, die seine Aufmerksamkeit auf konkrete Punkte lenken, aber auch aufgrund eigener Ängste (…)“ außer Acht (ebd.). Durch dieses Verhalten kann der Forscher seine Studie „(…) um die Entdeckung des tatsächlich „Neuen“ (…)“ bringen (Flick 1995, S.151). Um seinen Leitfragen nachgehen zu können versucht Nader sich zunächst über eine Vielzahl von theoretischen Kapiteln, an den empirischen Teil anzunähern. Die Grundgesamtheit der Befragten „(…) sind Absolventen einer niederösterreichischen Volksschule.“ (Nader 2015, S.142) Dadurch, dass eine Vollerhebung nicht möglich ist, weil sie schlicht zu aufwendig wäre, hat Nader, stellvertretend für die Gesamtheit, eine bestimmte Auswahl an Personen getroffen (Nader 2015, S.143). „Die Auswahl dieser Personen ist in der qualitativen Sozialforschung unter dem Begriff des Samplings bekannt.“ (Nader 2015, S.144) Nader scheint das statistische Sampling am geeignetsten. So ist jede Gruppe, ausgegangen vom Abschlussjahr, in ausreichendem Umfang vertreten (ebd.).

Sammlung der Daten

Der in diesem Projekt gegangene Weg ist der einer „breiten Aufarbeitung“ der Daten (Nader 2015, S.144). „Bei der Breitenauswertung geht es darum, möglichst viele unterschiedliche Fälle zu erfassen und einen weitreichenden Überblick über die Thematik zu erhalten.“ (ebd.) Die vorliegende Forschungsarbeit ist eine sogenannte Explorationsstudie (Nader 2015, S.131). Dabei wurde zu Beginn ein narratives Interview mit den Respondenten geführt. Dadurch soll der Zugang zur subjektiven Sichtweise des Untersuchungsteilnehmers eröffnet werden. Jedoch nicht durch eine vorgefertigte Fragenabfolge, sondern durch eine längere Zusammenhängende Darstellung in Form einer Erzählung (Flick 2009, S. 115). Das in drei Phasen unterteilbare Verfahren des narrativen Interviews lässt sich wie folgt aufschlüsseln: „die Haupterzählung des Interviewten (…); den narrativen Nachfragteil (…); die Bilanzierungsphase (…).“ (Flick 2009, S. 116) Diese Art des Interviews verleiht einen autobiografischen Charakter (Nader 2015, S.99f.). „Biografische Forschung ist (…) exemplarisch für ein retrospektives Forschungsdesign. Darin werden rückblickend vom Zeitpunkt der Durchführung der Studie bestimmte Ereignisse und Prozesse in ihrer Bedeutung für individuelle oder kollektive Lebensläufe analysiert.“ (Flick 2009, S.84) Außerdem merkt Flick an, dass der Befragte über diese Art des Interviews „(…) von dessen aktueller Situation allgemein und von der Erzählsituation im besonderen geprägt ist.“ (Flick 1995, S.156) Aus diesem Grund sei die Erzählung nicht identisch mit der Biographie des Erzählenden. (ebd.) Nader versucht eine möglichst vollständige Strukturierung der Datensammlung durch den Befragten zu gewährleisten (Nader 2015, S.135). Flick beschreibt, dass dieses Ziel anhand eines narrativen Interviews versucht wird zu realisieren (Flick 1995, S.157). Aus den gewonnenen Interviewdaten, die mittels Kodieren ausgewertet wurden, konnten neun Kategorien erstellt werden, die einen Leitfaden für den darauffolgenden quantitativen Fragebogen darstellen sollte (Nader 2015, S.100). Das festgelegte Ausgangsmaterial bestand nach der narrativen Interviewserie aus 2184 Seiten Basistranskript (Nader, S.138). „Die erste Paraphrasierung, Selektion und die Streichung wurde von Studierenden nach deduktiven Vorgaben vorgenommen.“ (ebd.) Dabei handelte es sich um Studierende des dritten Semesters der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wiens/Krems aus dem Wintersemester 2011/2012 (Nader 2015, S.146). „Die abschließende Bündelung, Konstruktion und Integration erfolgte durch den Autor selbst in Form einer Metaanalyse.“ (Nader 2015, S.138f.) Die Interviews wurden mittels eines Audioaufnahmegerätes aufgenommen und anschließend transkribiert (Nader 2015, S.142). Auch der Begriff des Samplings ist in Naders Arbeit wieder zu finden. Der Begriff beschreibt eine Strategie, „(…) die sicherstellen soll, dass die <richtigen> Fälle für die Untersuchung ausgewählt werden.“ (Flick 2009, S.96) Nader achtet bei der Zusammenstellung des Samplings darauf, „(…) eine möglichst große Personengruppe zu befragen, die keiner Klumpenstichprobe (…) angehört.“ (Nader 2015, S.46) Stattdessen ergibt sich eine proportional geschichtete Stichprobe: für jeden Befragten wird die gleiche Auswahlprozedur angewendet (Flick 2009, S.89).

Fixierung der Daten

Die Forschungsarbeit lässt zum einen auf die Anwendung eines Transkriptionsverfahrens schließen und zum anderen auf die tabellarische Auswertung des Fragebogens. (Nader 2015, S.138f.) Das Transkriptionsverfahren ist, laut Flick, die Abbildung der eingefangenen Aufzeichnungen, die als Basis für Interpretationen dient (Flick 1995, S.160). Wie bereits beim Punkt Sammlung der Daten aufgeführt, wurde nach der qualitativen Untersuchung ein Fragebogen erstellt, der die neun Dimensionen von Volksschulerinnerungen operationalisiert (Nader 2015, S.22). Die Ergebnisse wurden im Anschluss von Nader in Form von Abbildungen und Tabellen dargestellt (Nader 2015, S.156 f.). Dadurch „(…) können nun Häufigkeiten und die gruppierten Variablenwerte von Volksschulerinnerungen der einzelnen Alterskohorten dargestellt werden“ (Nader 2015, S.22). Die Studierenden haben nur so viel und so genau transkribiert, wie von der Fragestellung tatsächlich notwendig erschien: Für das Transkript gab es eine Formatvorlage, die die Zitation und den Textaufbau des Abschlussberichtes vereinheitlichen (Nader 2015, S.148). „Dies beugt auch der Gefahr vor, daß (sic!) Aussage und Sinn des Transkribierten in deren Differenziertheit und der resultierenden Unübersichtlichkeit der erstellten Protokolle verlorengehen.“ (Flick 1995, S.162) Wenn der Forscher seine Daten dann gesammelt hat und daraus einen Text erstellt hat, so wie Nader dies durch die Verfassung seiner Metaanalyse tut, dann „(…) substituiert dieser Text im weiteren die eigentlich interessierende Realität: (…).“ (Flick 1995, S.162).

Interpretation der Daten

Nader ließ innerhalb einer Diskussion Kategorien aufstellen, nach denen verbindlich kodiert werden sollte. Im Laufe der Kodiertätigkeit wiederholte sich diese Diskussion, um das gemeinsame Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ein nach Kategorien geordneter formal vergleichbarer Bericht sollte am Ende der Phase der Regelleitung stehen. Alle Entscheidungen des Kodierens wurden stets in der gesamten Seminargruppe getroffen (Nader 2015, S.150f.). 262 Studierendenberichte standen Nader letztlich für eine Metaanalyse zur Verfügung (Nader 2015, S. 152). „Die Studierenden interpretierten die Ergebnisse meistens vor ihrem eigenen Erfahrungshorizont und/oder vor der Ausgangsliteratur“ (Nader 2015, S.148). Diese kategorial vorstrukturierten Berichte wurden in Form einer Metaanalyse zum finalen Endbericht wiederum Inhaltsanalysiert. Dabei interpretierte Nader aus den vorliegenden Übersichtsgrafiken der einzelnen Kategorien (Nader 2015, S.234). In den Abschlussbericht münden zwei aufeinander folgende Inhaltsanalysen (Nader 2015, S. 148).

Geltungsbegründung

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine Explorationsstudie, die sich aus einem ersten qualitativen Teil und einem zweiten quantitativen Teil zusammensetzt. Mittels dem qualitativen Teil, der aus narrativen Interviews besteht, wird versucht den Untersuchungsgegenstand aufzubereiten (Nader 2015, S.131). Das aus den Interviews entstandene gesammelte Datenmaterial wurde dann sauf seine Authentizität hin überprüft und stellte erste Erkenntnisse dar (Nader 2015, S.150). Laut Flick kann die Überprüfung „(…) etwa über die Beantwortung der Frage realisiert (werden), ob die erhaltene Darstellung einer Erzählung entspricht.“ (Flick 1995, S.167) „Dabei wurden die Studierenden angehalten, die Interviewsituation ganzheitlich zu erfassen und Inhalte kommunikativ zu validieren“ (Nader 2015, S.151). Im Anschluss an die narrativen Interviews wurde ein quantitativer Fragebogen entwickelt, „(…) der die herausgearbeiteten Kategorien dezidiert abfragt.“ (Nader 2015, S.131) Anhand dieses Fragebogens wird versucht die gewonnenen Erkenntnisse und die entstandene Theorie zu operationalisieren (Nader 2015, S.131). Während die Ergebnisse der quantitativen Forschung leicht via Tabellen, Kennwerte oder ähnliches dargestellt werden können, sieht Flick ein ungelöstes Problem bei der Darstellung der qualitativen Forschung (Flick 1995, S.169). Denn der qualitative Teil setzt sich mit Interpretationen und Verallgemeinerungen auseinander, beziehungsweise lässt die Befragten über Erfahrungen erzählen (Nader 2015, S.138).

Forschung als Diskurs

Während sich die Rolle der Befragten lediglich auf die Datengewinnung beschränkte und sie keine weiteren Aufgaben hatten, war die Rolle der Studierenden, die Nader helfend zur Seite standen, wesentlich größer. Sie führten die Interviews durch, transkribierten und analysierten diese. Erst der finale Abschlussbericht wurde, auf Grund der hervorgegangenen Analysen der Studierenden, von Nader selbst verfasst (Nader 2015, S.151). Flick versteht darunter den „Diskurs nach innen“ (Flick 1995, S.171). Als Notwendigkeit beschreibt Flick, dass der ablaufende Forschungsprozess mit allen getroffenen Entscheidungen, die darin gefallen sind und die entsprechenden Begründungen dazu, festzuhalten und zu dokumentieren (Flick 1995, S.171). Nader versucht dies im Rahmen mehrerer Lehrveranstaltungen durch Plakate, die als Forschungstagebücher fungieren, umzusetzen. Auf diesen Plakaten werden „(…) gemeinsame Ziele und Wege beschrieben (…).“ (Nader 2015, S.148)

Abschließend lässt sich sagen, dass diese Dissertation zwar stark im Bereich der historischen Bildungsforschung verankert ist, „(…) es sollen jedoch die gewonnenen Erkenntnisse in dieser Disziplin primär zur Mehrung des Professionswissens von Lehrern herangezogen werden“ (Nader 2015, S.277). Das entstandene Wissen, so Nader, könnte möglicherweise auf das pädagogische Handeln von Volksschullehrer_innen und das Professionswissen des Lehrerberufes Einfluss nehmen (Nader 2015, S.300).

Literatur

Flick, Uwe (1995): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. 2. Auflage Beltz / Psychologie Verlags Union. Weinheim: S. 148-173.

Flick, Uwe (2009): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen; ein Überblick für die BA-Studiengänge. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag.

Nader, Michael (2015): Was bleibt? Erinnerungen an die Volksschule. Eine empirische Studie zur Lehrprofessionalität. Online publiziert auf dem Server der Deutschen Nationalbibliothek: http://d-nb.info/1088185746 (Letzter Zugriff: 31.05.2016).

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