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lehre:wise2016-17:gruppe2:station3

Gruppe 2 - Station 3

Namen des Tandems: Isabelle Effenberger, Emilia Kintop

Die phänomenologische Pädagogik befasst sich damit, Situationen und Phänomene aus der Sicht des Kindes zu betrachten, sie zu verstehen und eventuell Handlungsmöglichkeiten daraus ableiten zu können. „Stets sind andere Augen nötig, um von neuem sichtbar zu machen, auf andere Weise, was längst gesehen wurde“ (Beekman; Polakow 1994, S. 69). Wir haben alle die Sicht des Kindes selbst erlebt, haben als Kind die Welt erforscht und uns unsere persönlichen Meinungen gebildet, unsere individuellen Phänomene entdeckt, jedoch sehen wir die Welt heute anders. Und wir müssen erneut in die Kinderwelt hineintauchen, um das bereits Gesehene wieder sichtbar zu machen. Wir müssen die Welt durch die Augen der Kinder erneut erforschen und uns erinnern.

Das Praxisbeispiel der phänomenologischen Pädagogik soll hier einmal am „Kinderspiel“ dargestellt werden. Wenn jeder sagt, was er früher – also als Kind – gerne gespielt hat, sammelt man ganz viele unterschiedliche Spielerfahrungen. Manche weit verbreiteten Spiele werden sich wiederholen, andere Spiele wiederrum sind gegebenenfalls nicht wirklich bekannt. Ebenso unterscheiden sich von Person zu Person die Regeln, die bei bestimmten Spielen angewandt wurden. Dieses Phänomen lässt sich daraus ableiten, dass jedes Individuum seine eigene Spielwelt schafft. Und jedes Individuum empfindet diese Spielwelt anders. Daraus entstehen viele unterschiedliche Meinungen und Ansichten darüber.

Im Weltbild des Spiels haben die Dinge keine feste Bedeutung, das Kind soll die Welt in unverbindlicher Sinngebung deuten (vgl. Beekman; Polakow 1984, S. 69). Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt und man sollte ihr freien Lauf lassen. Die Spielwelt ist eine Welt der Illusion, sie verfolgt keine Regeln. Erfahrungen aus der „realen“ Welt werden in das Spiel des Kindes mit aufgenommen. (vgl. Beekman; Polakow 1994, S. 69f.) Streiten sich Eltern beispielsweise oft über Arbeit oder über die Erziehung, nimmt dies Einfluss auf das Spiel des Kindes. Es versucht dann, diese Konflikte darin zu verarbeiten. Es werden also durchaus Aspekte des Erwachsenenlebens mit eingebracht, die im Spiel dann gelebt werden.

Kinder entwickeln beim Spielen eine Dominanz gegenüber den Erwachsenen. Für sie kann die Spielwelt zu ihrem Zuhause werden, solange ihr reales Zuhause ihnen Kummer bereitet. Hier bildet ihre Spielwelt dann ihren persönlichen Zufluchtsort – aus der Welt der Sorge hinein in die sorgenfreie Welt. Und in diese Welt haben Erwachsene keinen Zutritt. (vgl. Beekman; Polakow 1984, S. 74). Die Kinder gestalten sie und die Erwachsenen scheinen machtlos zu sein.

Wenn wir nach der Bedeutung des Spiels für Kinder fragen, dann suchen wir oft nach dem, was uns aus der Erwachsenenperspektive als Kinderspiel erscheint. Nun geht es in der phänomenologischen Pädagogik jedoch darum, die Phänomene aus der Perspektive des Kindes zu betrachten. Das Subjekt, seine Bedeutungen und seine Lebenswelt sind für jedes Verstehen fundierend. Wichtig ist, dass man als Erwachsener seine Vorurteile ablegt und sich ganz auf die Welt des Spielens einlässt. Bekommt das Kind das Gefühl, dass seine persönlich gestaltete Welt respektiert wird, führt er den Erwachsenen in seine Spielwelt ein. Man muss diese Welt ohne jede Wertung entgegennehmen.

Man muss dabei jedoch beachten, dass man die Situationen eines Kindes nicht verallgemeinern kann. Jedes Kind handelt aus individuellen Bedürfnissen und Bedingungen heraus. Gerade heutzutage spielen Kinder oft mit denselben Spielsachen. Betrachten wir hierbei einfacherweise das Spielen mit Legobausteinen: viele Kinder besitzen die gleichen Legobausteine, jedoch ist es durchaus möglich, dass jedes Kind diese Legobausteine anders nutzt. Viele Kinder halten sich an die Anleitung und bauen das entsprechende Auto oder Star Wars Figuren, andere lassen ihrer Fantasie freien Lauf und bauen das, was ihnen eben einfällt. Doch nicht nur das Bauen ist unterschiedlich, ebenso unterscheiden sich die Nutzungsweisen der gebauten Teile. Einige haben vielleicht eine Sammlung, die sie immer erweitern, andere Kinder spielen mit ihren gebauten Autos etc. Daraus kann man schließen, wenn Kinder die gleichen Spielwaren haben, nutzen sie sie trotzdem individuell.

Diese Individualität, die das Spielen auch ausmacht, zeigt sich auch in dem Gespräch zwischen Trevor und Jeff (vgl. Beekman; Polakow 1984, S. 72f.). In diesem Gespräch unterhalten sich die beiden über das Spielen und jeder berichtet über seine Lieblingsspiele und die Regeln der jeweiligen Spiele. Dabei stellt sich heraus, dass beide teilweise unterschiedliche Ansichten haben. Jeff versteht unter Spielen auch auf Bäumen zu klettern, Trevor sagt, dass habe nichts mit spielen zu tun. Hier versucht Trevor nun einen Zusammenhang zwischen Spiel und auf Bäumen klettern zu finden. Diesen Zusammenhang findet er auch: „Ach, Du meinst, wenn jemand Dich fangen will?“ (Beekman, Polakow 1984, S. 72). Auch was das „Alleine-Spielen“ und „Mit-Anderen-Spielen“ betrifft, trennen sich die Meinungen der beiden Kinder. Trevor ist der Auffassung, dass man nicht alleine spielen kann, Jeff widerspricht ihm und sagt, dass er auch alleine spielt. Für die phänomenologische Ansicht ist hier wichtig zu erkennen, dass man von vornherein wissen muss, dass es eben keine Regeln und Richtlinien für das Spielen gibt und dass jedes Kind sich seine Regeln in seiner Spielwelt selbst setzt.

Weitere Beispiele aus der Sicht der phänomenologischen Pädagogik: 1) Oftmals kann man beobachten, dass Kinder mit imaginären Freunden spielen. Sie reden mit ihnen, lachen mit ihnen und spielen mit ihnen. Für uns Erwachsene ist diese imaginäre Welt etwas Unverständliches und oft auch etwas Angsteinflößendes. Es ist eine Welt, die wir nicht greifen können und in die wir unsere Kinder auch nicht hineinlassen, sondern sie davor schützen wollen. So versucht man als Erwachsener in der Situation dem Kind klarzumachen, dass es schwachsinnig sei und er damit aufhören solle. Doch betrachten wir das aus der Sicht der phänomenologischen Pädagogik, besteht die Aufgabe und auch Herausforderung darin, sich auf diese imaginäre Welt des Kindes einzulassen. Das Kind soll einen mit in diese Welt nehmen und so muss man versuchen, die imaginäre Welt aus Kindersicht zu verstehen. Wenn man sie versteht und die Hintergründe kennt, kann man auch richtig handeln. Dem Kind klarmachen zu wollen, dass es falsch sei, ist hiermit also nicht der richtige Weg. Denn das Kind wird seine individuellen Beweggründe haben, warum es sich in dessen selbst erschaffene Welt flüchtet. 2) Dieses Beispiel ist außerhalb des Kontextes der Spielwelt der Kinder. Hier möchten wir auf einen Besuch mit einem Kind in beispielsweise einem Baumarkt eingehen. Beobachtet man das Kind, fällt auf, dass es sich ganz erstaunt und interessiert umguckt. Viele Dinge locken Kinder hier an und erscheinen ihnen als etwas ganz Besonderes. Ein Baumarktbesuch aus Kindersicht bringt auch ganz andere Perspektiven als die Sicht des Erwachsenen. Allein schon auf die Größe des Kindes bezogen, erscheint der Baumarkt riesig – überall stehen Regale, die fast bis zu Decke reichen und man läuft durch breite und hohe Gänge. Ebenso gibt es viel zu entdecken, was Erwachsene als Normal hinnehmen, was für Kinder jedoch interessant ist, was sie so eventuell noch nicht gesehen haben. Und da sieht man schon oft erstaunte Blicke von Seiten der Kinder.

Das letzte Beispiel soll einfach vor allem darauf aufmerksam machen, dass viele Alltagsdinge aus Sicht der Kinder etwas ganz Anderes darstellen und bewirken können. Es sind oft Perspektiven, die man als Erwachsener so nicht mehr wahrnimmt, weil man es oft „besser weiß“. Sei es die Spielwelt oder ein Besuch im Baumarkt, im Zoo etc., all das sehen Kinder anders als Erwachsene. Und es gilt, diese Sichtweise zu verstehen, sie einzunehmen, aus ihr zu lernen.

Literaturverzeichnis: Beekman, T.; Polakow, V. (1984): Welt der Kinder, nur eine Spielwelt? Entwicklung und Wandel der Utrechter Schule. In: Danner, H.; Lippitz, W. (Hrsg.): Beschreiben – Verstehen – Handeln. Phänomenologische Forschungen in der Pädagogik. S. 69 – 81. München: Gerhard Röttger Verlag.

lehre/wise2016-17/gruppe2/station3.txt · Zuletzt geändert: 2020/11/04 21:02 (Externe Bearbeitung)