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Tandem 12H

  • Tandempartner*in 1: Stempel, Paula

Endfassung Studienanalyse

1. Forschungsgegenstand und theoretische Verankerung

Es handelt sich um „heuristische Sozialforschung mit Bezügen zur Grounded Theory, sowie der Berücksichtigung der Theorie des sozialen Feldes einschließlich der Habitus‐ und Kapitaltheorie von Pierre Bourdieu“ (Goetz 2018, S. 27), was „[realisiert wird] in deskriptiver Statistik […] [und] die Untersuchung der qualitativ erhobenen Daten [erfolgt] nach der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016) sowie der dokumentarischen Interpretation (Bohnsack 2014)“ (ebd. S. 123). Heuristik meint dabei ein Entdeckungsverfahren, bei dem sowohl qualitative als auch quantitative Daten ausgewertet werden (vgl. Kleining 1994, S. 7). Nach der Grounded Theory konzentriert sich die Forschende auf Teilbereiche der sozialen Wirklichkeit, betonen Erfahrungen und die Entwicklung von Prozessen. Zudem werden Datenerhebung und -auswertung verknüpft, Vergleiche werden getätigt und die Daten werden codiert und Kategorisiert (vgl. Boehm 1994, S. 122 ff.).

2. Fragestellung, Forschungsperspektiven und Forschungsdesign

Nach Flick soll durch Beantwortung der Fragestellung Nutzen erbracht werden, d.h. neue Erkenntnisse und neue Lösungsvorschläge für das untersuchte Problem sollen herausgearbeitet werden (vgl. Flick 2009, S. 38). In der vorliegenden Studie wird der erwartete Nutzen häufig verdeutlicht, beispielsweise durch die detaillierte Aufzählung der Forschungsfragen (vgl. Goetz 2018, S. 120). Zudem gelten Spezifität und Fokussierung als entscheidende Qualitäten von Forschungsfragen, mehrere Teil- oder Unterfragestellungen innerhalb einer Studie nicht ausgeschlossen. Ungenaue Fragen und zu viele Fragen seien zu vermeiden, da die Studie sonst zu überladen sei (vgl. Flick 2009, S. 39). Die Fragestellungen der Studie sind zwar deutlich formuliert und spezifisch, aber es sind zu viele Fragen, was zu Unübersichtlichkeit führt (vgl. Goetz 2018, S. 120 ff.). Die Autorin zeigt ein hohes Theorieverständnis im Theorieteil Ihrer Arbeit (ebd. S. 29-120) und baut den Praxisteil des Textes ebenfalls auf wissenschaftlichen Theorien, wie der Grounded Theory (ebd. S. 27) auf. Durch die theoretische Begründung der Fragestellungen, soll die Arbeit in eine Forschungsperspektive eingebettet werden (vgl. Flick 2009, S. 38). Im Fall der vorliegenden Studie handelt es sich bei der Forschungsperspektive um eine „Deskription sozialen Handelns und sozialer Milieus“ (Lamnek & Krell 2016, S. 41), da als Erhebungsmethoden der Daten das Leitfadeninterview, die Gruppendiskussion und die Beobachtungsmethode genannt wird (vgl. Lamnek & Krell 2016, S. 42; vgl. Goetz 2018, S. 1). Als allgemeines Ziel der Arbeit ist die „Identifikation von Gelingensbedingungen für die Integration der Medienbildung in den Einrichtungen der frühen Bildung“ (Goetz 2018, S. 120) festgeschrieben. Beim Forschungsdesign handelt es sich um eine Momentaufnahme, da der aktuelle Zustand der Medienbildung in Kindertagestätten zur Zeit des Projekts erforscht wird (vgl. Flick 2009, S. 85). Dieses „fußt auf heuristischer Sozialforschung […] [,] der Grounded Theory […] und wird in einem triangulierten Verfahren realisiert“ (vgl. Goetz 2018, S. 123). Die Ergebnisse der Untersuchungen werden mithilfe von Samplings bzw. einer Stichprobe ermittelt, dem stratified sampling (vgl. Flick 2009, S. 65, 94; vgl. Goetz 2018, 140 ff.). Die Arbeit weist Anteile qualitativer und quantitativer Forschung auf. Mithilfe der Fragebögen sollen Häufigkeiten von Phänomenen erkannt werden, was quantitativer Forschung entspricht. Durch die Gruppendiskussion im Praxisfeld sollen Bedeutungen, die mit dem untersuchten Phänomen verknüpft sind, erschlossen werden, was qualitativer Forschung entspricht (vgl. Flick 2009, S. 40; vgl. Goetz 2018, S. 123 ff., 149). Im Gesamten ist die Forschung qualitativ ausgerichtet (vgl. Goetz 2018, S. 1, 123).

3. Feldzugang und Arbeit im Feld

Der Zugang zum Forschungsfeld erfolgt durch die Leitperson des Feldes, d.h. die Leitperson der jeweiligen Kita (ebd. S. 166). Die Forschende ist in den Tagesablauf der Kita eingebunden und Moderatorin in der Gruppendiskussion (ebd. S. 124, 155-156), weshalb das Geschehen stetige Reflexion benötigt, weil es sich durch ihre Anwesenheit verzerren könnte (ebd. S. 124). Da die Forschende aktiv in den Kitas agiert und deren Tagesablauf z.T. verändert, kann davon ausgegangen werden, dass sie eine bestimmte Rolle im Feld einnimmt und somit eine teilnehmende Beobachtung stattfindet (vgl. Flick 2009, S. 126; vgl. Flick 1991, S. 154). Um den Vertrauens-, Interessen- und Datenschutz zu gewährleistet, müssen die Teilnehmer*innen der Gruppendiskussion eine Zustimmungserklärung für dessen Audio-Mitschnitt abgeben (vgl. Goetz 2018, S. 351). Der Fremdenstatus der Forscherin wird nicht systematisiert, da Sie Ihre Beobachtungen und mögliche Verzerrungen stehts reflektiert und nicht routinisiert. Zudem handelt Sie als Initiantin, da Sie in der Gruppendiskussion moderiert und das Gespräch zugunsten des Forschungsziels steuert (vgl. Flick 1991, S. 154 f.; vgl. Goetz 2018, S. 154 f.). Das Verhältnis von Nähe und Distanz ist gewahrt, da die Autorin sowohl auf eine vertrauensvolle Basis zu den Teilnehmer*innen hinweist, sowie ihre Position als ‚wissende‘ Person, was ein ausgeglichenes Nähe-Distanz-Verhältnis schafft (vgl. Goetz 2018, S. 124-123).

4. Erhebungsverfahren

Die Daten werden auf zwei Wegen erhoben. Die erste Methode ist die schriftliche Befragung ausgewählter Kitas, was eine quantitative Forschungsmethode darstellt. Die Befragung erfolgt als Paper-Pencil-Methode auf der Basis einer Analyse von Ausgangsbedingungen, des möglichen Feldzugangs und der Medienaffinität der Haupt-Zielgruppe (vgl. Goetz 2018, S.142). Die Fragebögen werden nicht unter der Anleitung der Forschenden bearbeitet, sondern durch das jeweilige Leitpersonal der Kita, was eine eigene Zeiteinteilung bei der Beantwortung gewährleistet (ebd.). Die Fragen und Antwortmöglichkeiten sind z.T. vorgegeben und erfolgen durch Rating-Skalen, Aufzählungen oder einigen offenen Antworten (vgl. Flick 2009, S. 105, vgl. Goetz 2018, S. 145). Die Rating-Skalen sind am Schulnotensystem orientiert. Grundsätzlich ist das Forschungsvorhaben qualitativ ausgerichtet und multi-perspektivisch konzipiert (ebd. S. 1). Die Ergebnisse der Fragebögen werden „[realisiert] in deskriptiver Statistik […] [und] die Untersuchung der qualitativ erhobenen Daten [erfolgt] nach der qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2016) sowie der dokumentarischen Interpretation (Bohnsack 2014)“ (ebd. S. 123). Die zweite Methode der Datenerhebung ist eine Gruppendiskussion, die den Prinzipien heuristischer Sozialforschung (vgl. Goetz 2018, S. 1) folgt. Es handelt sich um eine qualitative Forschungsmethode, die sich mit der Entfaltung von Gruppen- und Einzelmeinungen und kollektiven Orientierungsräumen beschäftigt (ebd. S. 149). Sie ist in den Kita-Alltag integriert, was eine neu ungewöhnliche Situation darstellt, weshalb es zu Verzerrungen der Ergebnisse kommen kann (ebd. S. 124). Demnach handelt es sich um eine teilnehmende Beobachtung, da die Autorin im Feld aktiv ist und das Verfahren der Diskussion kaum standardisiert ist (vgl. Flick 2009, S. 126 f.). Das Ziel des Verfahrens ist eine „kollektive Orientierung hinsichtlich der Berücksichtigung der Medienerziehung im Pädagogischen Alltag von Kindertagesstätten herauszuarbeiten“ (Goetz 2018, S. 152). Faktoren für die Umsetzung sind die Gruppengröße und -zusammensetzung, die Diskussionsleitung, sowie Auswertung, Analyse und Interpretation der Daten (ebd. S. 152 ff.). Es sollte mit homogenen, natürlichen Gruppen gearbeitet werden, d.h. Gruppen, die auch im Alltag miteinander agieren und die sich ähneln, d.h. einen gleichen Hintergrund haben (vgl. Flick 2009, S. 122). Es findet in der Diskussion eine leichte inhaltliche Steuerung statt, denn die Forschende, die während des Gesprächs anwesend ist, greift leicht in das Gespräch ein und leitet es mit gezielten Fragen (ebd. S. 122; vgl. Goetz 2018, S. 154 f., S. 372). Da es sich um eine unbekannte Situation für die Teilnehmer*innen handelt, soll durch eine Warming-Up-Phase zu Beginn der Diskussion eine bessere Gesprächssituation geschaffen werden (vgl. Goetz 2018, S. 351).

5. Datenfixierung

Zur Fixierung der Daten wird im Anhang der Dissertation eine tabellarische Übersicht über die Kita-Struktur Berlins gegeben, aus der wichtige Informationen abgelesen werden können, beispielsweise die Anzahl der befragten Kitas (Goetz 2018, S. 463). Zudem sind die verwendeten Fragebögen und deren Auswertung im Anhang zu finden (ebd. S. 464 ff., 483 ff.). Außerdem sind die jeweiligen Anschreiben an die Träger und Leiter*innen der Kitas dort aufzufinden (ebd. 481 f.). In der Gruppendiskussion wird ein Audio-Mitschnitt angefertigt, um die Diskussion rückblickend nachvollziehen zu können (ebd. S. 372). Da die gewonnenen Daten mithilfe softwaregestützt mit MAXQDA ausgewertet werden, ist die dazugehörige Code-Übersicht im Anhang vermerkt (ebd. S. 574).

6. Auswertung und Interpretation

Die Forschung baut auf die Grounded Theory auf, was heißt, dass Daten systematisch analysiert und erhoben werden (Strauss & Corbin 1996 S. 7 f. zitiert nach Goetz 2018, S. 125), wobei das „Erheben der Daten, ihre Analyse sowie die Entwicklung der Theorie“ wechselseitig abläuft (Goetz 2018, S. 125). Das Kodieren der Daten ist dabei bedeutend für die Generierung von Theorien, weshalb in drei Abschnitten kodiert wird; im offenen, axialen und selektiven Kodieren (ebd. S. 128). Die Skalierung der Fragebögen erfolgt mithilfe einer Intervallskala, der Likert-Skala (ebd. S. 146 f.). Bei deren Auswertung wird laut Autorin auf Fehlerquellen wie Halo- oder Kontexteffekte sowie Reaktivität, Antwortverzerrung und Bedeutungsäquivalenz (ebd. S. 144) geachtet. Auch bei der Auswertung der Diskussion wird berücksichtigt, dass das Ergebnis durch die ungewöhnliche Situation und Macht-Beziehungen beeinflusst werden kann (ebd. S. 124). Die Diskussion wird zudem mithilfe von MAXQDA rekonstruiert und interpretiert und in einem zirkulären Prozess ausgewertet. Dabei wird das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse der dokumentarischen Inhaltsanalyse genutzt. Außerdem wird in der Auswertung zwischen zwei Sinnesebenen, der wörtlichen und der dokumentarischen, unterschieden (ebd. S. 156 ff.). Grundsätzlich sollen gemeinsame Weltanschauungen herausgefunden werden, die generalisierbar sind und von Menschen aus dem gleichen Milieu reproduziert werden (vgl. Lamnek 2010, S. 392 zitiert nach Goetz 2018, S. 157).

7. Geltungsbedingungen und Gütekriterien

Als Gütekriterien einer wissenschaftlichen Arbeit zählen Relevanz, Originalität, Objektivität, Nachvollziehbarkeit, Rückbezug auf den aktuellen Wissensstand, Übersichtlichkeit, formale Korrektheit und Prägnanz (vgl. Heesen 2014, S. 16-26). Zudem gelten auch Reliabilität, d.h. die Verlässlichkeit der Daten sowie externe und interne Validität, d.h. Glaubwürdigkeit und Transferierbarkeit der Kriterien (vgl. Steinke 2013, S. 320). Da die Daten und die Forschungsfragen laut der Forscherin „eine andere Spezifik auf[weisen]“ (Goetz 2019, S. 164) müssen andere Gütekriterien herangezogen werden. Dazu zählt die Autorin Angemessenheit, d.h. dass sich Forschende und Diskurspartner*innen mit Offenheit, Vertrauen und Arbeitsbereitschaft begegnen, die Arbeitsmethoden aufeinander abgestimmt sind und Samplingstrategien und Transkriptionsregeln passend gewählt wurden (vgl. Steinke 1999, S. 217 ff. zitiert nach Goetz 2019, S. 164 f.). Zudem soll die entwickelte Theorie mit Daten belegt und widersprechende Beispiele betrachtet werden. Dabei verweist die Autorin auf kommunikative Validierung (vgl. Goetz 2019, S. 165; vgl. Steinke 2013, S. 320). Zuletzt zählt sie die Nachvollziehbarkeit auf, die durch detaillierte Beschreibungen der Daten, Kriterien, Methoden, des Vorgehens und theoretischen Vorwissens gewährleistet werden soll (ebd.). Dabei leisten die Nutzung von Software, Entwicklung von Kategorien, ein Code-System und Memos einen wichtigen Teil (ebd. S. 428).

8. Forschung als Diskurs

Nach Flick sollte „die Rückmeldung an die Betroffenen nach Abschluss des Forschungsprozesses eigentliche eine Selbstverständlichkeit sein“ (Flick 1995, S. 170), allerdings weist die Forscherin in Ihrer Arbeit nicht darauf hin, dass die Daten zur Nachbesprechung an die Teilnehmer*innen weitergeleitet wurden. Lediglich die Nachbesprechung der Diskussion könnte z.T. als kommunikativen Validierung angesehen werden (vgl. Flick 1995, S. 170; Goetz 2019, S. 349). Es werden Veränderungen angestrebt, indem Fachberatungen mit Fokus auf Bildungsprozesse der Kinder vermehrt genutzt werden sollen, wodurch entsprechende Aufgaben für Fachkräfte herausgefunden werden. Außerdem sollten Projektteilnahmen, längerfristige Fortbildungen und Zusammenarbeit mit Grundschulen erfolgen (vgl. Goetz 2019, S. 413).

Literatur

Boehm, A. (1994). Google Scholar. Grounded Theory - wie aus Texten Modelle und Theorien gemacht werden: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/1442/ssoar-1994-boehm-grounded_theory_-_wie_aus.pdf?sequence=1 (abgerufen am 27.08.2021)

Flick, U. (1995). Stationen des qualitativen Forschungsprozesses. In Flick, U., Handbuch qualitativer Sozialforschung (S.148-173). Weinheim: Belz.

Flick, U. (2009). Qualitative und quantitative Forschung. In Flick, U., Sozialforschung: Methoden und Anwendungen: Ein Überblick für die BA-Studiengänge (S. 20-27). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Flick, U. (2009). Von einer Idee zur Fragestellung. In Flick, U., Sozialforschung: Methoden und Anwendungen: Ein Überblick für die BA-Studiengänge (S.33-44). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Flick, U. (2009). Planung und Umsetzung von Sozialforschung. In Flick, U., Sozialforschung: Methoden und Anwendungen: Ein Überblick für die BA-Studiengänge (S.62-101). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Goetz, I. (2017). Steuerungsmechanismen zur Sicherstellung der Medienbildung in Kindertagestätten. Eine empirische Studie zur Kindertagesbetreuung im Land Berlin. Dortmund: https://d-nb.info/116800960X/34 (abgerufen am 25.08.2021)

Heesen, B. (2014). Wissenschaftliches Arbeiten. Methodenwissen für das Bachelor-, Master- und Promotionsstudium (3. Auflage Ausg.). Ansbach: Springer-Verlag.

Kleining, G. (1994). Google Scholar. Qualitativ-heuristische Sozialforschung: Schriften zur Theorie und Praxis : ssoar-1994-kleining-qualitativ-heuristische_sozialforschung.pdf (abgerufen am 27.08.2021)

Lamnek, S., & Krell, C. (2016). Forschungsperspektiven qualitativer Sozialforschung. In Qualitative Sozialforschung (S. 40-43).

Steinke, I. (2013): Gütekriterien qualitativer Forschung. In: Flick, U., von Kardorff, E. & Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch (S. 319-331). Reinbek b. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch.


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