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lehre:sose2019:sozialwissmeth:analysen:tandem06 [2019/09/13 10:50] tandem_06b [Fragestellung, Forschungsperspektiven] |
lehre:sose2019:sozialwissmeth:analysen:tandem06 [2020/11/04 21:16] (aktuell) |
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==== Verhältnis Theorie-Gegenstand ==== | ==== Verhältnis Theorie-Gegenstand ==== | ||
- | Im Folgenden wird die Dissertation von Sue-Ann-Bäsler analysiert. Sie beschäftigt sich darin mit der Thematik „Lernen und Lehren mit Medien und über Medien. Der mediale Habitus und die Ausbildung medienpädagogischer Kompetenz bei angehenden Lehrkräften.“. Bei der Studie handelt es sich um eine qualitative Studie mit einem querschnittlichem Design | + | Im Folgenden wird die Dissertation von Sue-Ann-Bäsler analysiert. Sie beschäftigt sich darin mit der Thematik „Lernen und Lehren mit Medien und über Medien. Der mediale Habitus und die Ausbildung medienpädagogischer Kompetenz bei angehenden Lehrkräften.“. Bei der Studie handelt es sich um eine qualitative Studie mit einem querschnittlichem Design (Bäsler 2019, S. 187). |
- | Qualitative Studien zeichnen sich nach Flick dahingehend aus, dass sie nicht einem theoretischen Modell des Untersuchungsgegenstandes folgen und somit auch keine Hypothesen und Operationalisierungen verwenden | + | Qualitative Studien zeichnen sich nach Flick dahingehend aus, dass sie nicht einem theoretischen Modell des Untersuchungsgegenstandes folgen und somit auch keine Hypothesen und Operationalisierungen verwenden (Flick 2009, S.24). Deshalb werden TeilnehmerInnen gezielt ausgewählt und diesen offenen Fragen gestellt, um deren „subjektiven gemeinten Sinn“ (Flick 2009, S. 25) nachzuvollziehen. Bäsler gelingt dies, indem sie Interviews mit halbstrukturierten Leitfäden mit Studierenden an zwei Universitäten durchführt und deren Eindrücke miteinander vergleicht. |
==== Fragestellung, | ==== Fragestellung, | ||
- | In der Dissertation wird untersucht, „ob und inwiefern sich medienpädagogische Ausbildung im Rahmen der universitären Lehrkräftebildung einerseits und der mediale Habitus von Lehramtsstudierenden andererseits gegenseitig bedingen und damit einhergehend eine Formung des medialen Habitus stattfinden kann“ | + | In der Dissertation wird untersucht, „ob und inwiefern sich medienpädagogische Ausbildung im Rahmen der universitären Lehrkräftebildung einerseits und der mediale Habitus von Lehramtsstudierenden andererseits gegenseitig bedingen und damit einhergehend eine Formung des medialen Habitus stattfinden kann“ (Bäsler 2019, S.59). Daraus entwickelt Bäsler zwei handlungsleitende Forschungsfragen, |
- | Sie erkennt, dass die Mediennutzung ein wesentlicher Teil des Alltags der heutigen Gesellschaft ist. Sie führt auf, dass Lehrkräfte zur Medienbildung beitragen und Politik und Wissenschaft Medienbildung an Schulen als sinnvoll erachten | + | Sie erkennt, dass die Mediennutzung ein wesentlicher Teil des Alltags der heutigen Gesellschaft ist. Sie führt auf, dass Lehrkräfte zur Medienbildung beitragen und Politik und Wissenschaft Medienbildung an Schulen als sinnvoll erachten (Bäsler 2019, S. 6). Dabei erwähnt sie die noch nicht besonders erfolgreiche Medienbildung an deutschen Schulen (Bäsler, ebd.). Ein Grund ist die Einstellung und Kompetenz der Lehrkräfte und somit auch die unzureichende Ausbildung an den Universitäten (Bäsler, ebd.). |
==== Annäherung ans Feld ==== | ==== Annäherung ans Feld ==== | ||
- | Der theoretische Einstieg in das Themenfeld erfolgt durch die Zusammenfassung bisheriger Forschungsergebnisse zum medialen Habitus (Bäsler 2019, S. 9 ff.) und zur medienpädagogischen Kompetenz (Bäsler 2019, S. 23 ff.). Daran schließen die Erklärung von Grundbegriffen, | + | Der theoretische Einstieg in das Themenfeld erfolgt durch die Zusammenfassung bisheriger Forschungsergebnisse zum medialen Habitus (Bäsler 2019, S. 9 ff.) und zur medienpädagogischen Kompetenz (Bäsler 2019, S. 23 ff.). Daran schließen die Erklärung von Grundbegriffen, |
Sue-Ann Bäsler nimmt die Rolle der Interviewenden ein (Bäsler 2019, S. 62) und verzichtet auf ein Einnehmen der Innenperspektive, | Sue-Ann Bäsler nimmt die Rolle der Interviewenden ein (Bäsler 2019, S. 62) und verzichtet auf ein Einnehmen der Innenperspektive, | ||
Die Interviews wurden per Telefon und über Skype (Bäsler 2019, S. 67) durchgeführt. Dabei fehlt jedoch die Information, | Die Interviews wurden per Telefon und über Skype (Bäsler 2019, S. 67) durchgeführt. Dabei fehlt jedoch die Information, | ||
Nähe wird bei den Telefoninterviews lediglich durch die halbstrukturierten Leitfäden erzeugt, welche ermöglichen, | Nähe wird bei den Telefoninterviews lediglich durch die halbstrukturierten Leitfäden erzeugt, welche ermöglichen, | ||
- | Da, nach Mayring, ein Grundgedanke des Problemzentrierten Interviews darin besteht, eine Vertrauenssituation herzustellen (Mayring 2002, S. 69), kann an dieser Stelle kritisiert werden, dass auf ein face-to-face-Gespräch verzichtet wurde. | + | Da, nach Mayring, ein Grundgedanke des Problemzentrierten Interviews darin besteht, eine Vertrauenssituation herzustellen (Mayring 2002, S. 69), kann an dieser Stelle kritisiert werden, dass auf ein face-to-face-Gespräch verzichtet wurde. |
Positiv zu betrachten ist der starke Anonymitätsschutz, | Positiv zu betrachten ist der starke Anonymitätsschutz, | ||
==== Sammlung der Daten ==== | ==== Sammlung der Daten ==== | ||
Bei der Sammlung der Daten wird ein halbstrukturierter Leitfaden für die Interviews verwendet (Bäsler 2019, S. 62), wodurch eine Strukturierung sowohl durch das befragte Subjekt als auch durch den Forschenden entsteht (Flick 1995, S.158). | Bei der Sammlung der Daten wird ein halbstrukturierter Leitfaden für die Interviews verwendet (Bäsler 2019, S. 62), wodurch eine Strukturierung sowohl durch das befragte Subjekt als auch durch den Forschenden entsteht (Flick 1995, S.158). | ||
- | Somit handelt es sich nach Mayring um problemzentrierte Interviews. Diese sind einem offenen Gespräch nachempfunden, | + | Somit handelt es sich nach Mayring um problemzentrierte Interviews. Diese sind einem offenen Gespräch nachempfunden, |
Bäsler thematisiert nicht genauer, wie die Interviews durchgeführt wurden. Dabei können die unterschiedlichen äußeren Faktoren die Interviews beeinflusst haben. Bäsler zieht dies jedoch nicht in Betracht. Sie erforscht nicht die Situation an sich, sondern die persönliche Sichtweise der Studierenden. Daraus entwickelt sie Tendenzen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Kohorten festzustellen. Dabei sollte jedoch betont werden, dass die Ausbildung der Universitäten indirekt betrachtet wird, da sie nur Daten der subjektiven Wahrnehmung der Interviewten erfasst und auswertet. Deswegen erscheint die Datensammlung für den Gegenstand der medialen Ausbildung nicht angemessen. Zwar wird nicht auf eine mögliche Verzerrung des Telefoninterviews eingegangen, | Bäsler thematisiert nicht genauer, wie die Interviews durchgeführt wurden. Dabei können die unterschiedlichen äußeren Faktoren die Interviews beeinflusst haben. Bäsler zieht dies jedoch nicht in Betracht. Sie erforscht nicht die Situation an sich, sondern die persönliche Sichtweise der Studierenden. Daraus entwickelt sie Tendenzen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Kohorten festzustellen. Dabei sollte jedoch betont werden, dass die Ausbildung der Universitäten indirekt betrachtet wird, da sie nur Daten der subjektiven Wahrnehmung der Interviewten erfasst und auswertet. Deswegen erscheint die Datensammlung für den Gegenstand der medialen Ausbildung nicht angemessen. Zwar wird nicht auf eine mögliche Verzerrung des Telefoninterviews eingegangen, | ||
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==== Geltungsbegründung ==== | ==== Geltungsbegründung ==== | ||
Bäsler unterscheidet bei den Gütekriterien in Reliabilität und Validität (Bäsler 2019, S.76f.). Dies sind quantitative Kriterien, welche von Bäsler auf eine qualitative Studie angewendet werden. Steinke nennt dabei beispielsweise die Interkodierreliabilität, | Bäsler unterscheidet bei den Gütekriterien in Reliabilität und Validität (Bäsler 2019, S.76f.). Dies sind quantitative Kriterien, welche von Bäsler auf eine qualitative Studie angewendet werden. Steinke nennt dabei beispielsweise die Interkodierreliabilität, | ||
- | Bäsler verwendet diese Interkodierreliabilität in ihrer Studie. Dabei bezieht sie sich erneut auf Mayring und verweist auf die Kritik, dass Interkodierreliabilität nur bei einfachen Studien eine Übereinstimmung hervorrufen können (Bäsler 2019, S. 76). Bei der Darstellung der Grenzen ihrer Studie erwähnt sie die Herausforderung, | + | Bäsler verwendet diese Interkodierreliabilität in ihrer Studie. Dabei bezieht sie sich erneut auf Mayring und verweist auf die Kritik, dass Interkodierreliabilität nur bei einfachen Studien eine Übereinstimmung hervorrufen können (Bäsler 2019, S. 76). Bei der Darstellung der Grenzen ihrer Studie erwähnt sie die Herausforderung, |
Für die Validität verwendet sie das sogenannte Außenkriterium (Bäsler 2019, S.76f.), indem sie sich auf andere Studien bezieht, die in einem engen Zusammenhang zu ihrer Forschungsarbeit stehen (Bäsler, ebd.). | Für die Validität verwendet sie das sogenannte Außenkriterium (Bäsler 2019, S.76f.), indem sie sich auf andere Studien bezieht, die in einem engen Zusammenhang zu ihrer Forschungsarbeit stehen (Bäsler, ebd.). | ||
- | Sie orientiert sich an einer inhaltlichstrukturierenden Inhaltsanalyse mit induktiver Kategorienbildung nach Kuckartz, zeigt diese an einem projektbezogenen Beispiel (Bäsler 2019, S. 70-76) und stellt eine beispielhafte Interviewreduktion tabellarisch dar (Bäsler 2019, S. 74). Außerdem sind nicht nur der gesamte Interviewleitfaden und der Kodierleitfaden in dem Anhang der Dissertation zu finden (Bäsler 2019, S.220-234), sondern auch ein Beispieltext eines Interviews (Bäsler 2019, S. 236-245), sowie ein Beispiel eines Codings (Bäsler 2019, S. 247-250). Dadurch wird eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Für Steinke ist die intersubjektive Nachvollziehbarkeit eines der Kernkriterien der qualitativen Forschung (Flick/von Kardoff/ | + | Sie orientiert sich an einer inhaltlichstrukturierenden Inhaltsanalyse mit induktiver Kategorienbildung nach Kuckartz, zeigt diese an einem projektbezogenen Beispiel (Bäsler 2019, S. 70-76) und stellt eine beispielhafte Interviewreduktion tabellarisch dar (Bäsler 2019, S. 74). Außerdem sind nicht nur der gesamte Interviewleitfaden und der Kodierleitfaden in dem Anhang der Dissertation zu finden (Bäsler 2019, S.220-234), sondern auch ein Beispieltext eines Interviews (Bäsler 2019, S. 236-245), sowie ein Beispiel eines Codings (Bäsler 2019, S. 247-250). Dadurch wird eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit gewährleistet. Für Steinke ist die intersubjektive Nachvollziehbarkeit eines der Kernkriterien der qualitativen Forschung (Flick/von Kardoff/ |
==== Forschung als Diskurs ==== | ==== Forschung als Diskurs ==== | ||
- | Rückmeldung über die Ergebnisse kann den Beforschten nach Flick auf drei Wegen gegeben werden. Durch das Einholen von Zustimmung zur Wiedergabe der Aussagen, durch die Rückmeldung der Interpretation oder nach Abschluss der Forschungsarbeit (Flick 2009, S. 170). | + | Rückmeldung über die Ergebnisse kann den Beforschten nach Flick auf drei Wegen gegeben werden. Durch das Einholen von Zustimmung zur Wiedergabe der Aussagen, durch die Rückmeldung der Interpretation oder nach Abschluss der Forschungsarbeit (Flick 2009, S. 170). \\ |
Da Bäsler die Aussagen der Studierenden im originalen Wortlaut wiedergibt (Bäsler 2019, S. 82ff), müsste sie dazu auch die Zustimmung der Befragten eingeholt haben. Dies erwähnt sie jedoch an keiner Stelle. Auch von der Rückmeldung der Interpretation ist nicht die Rede. Dies geschieht lediglich innerhalb der Interviews, da Bäsler ihre Fragen teils durch eine Rückmeldung einleitet, beispielsweise durch den Satz: „Das Projekt Forschungswerkstatt scheint bisher für dich ganz gewinnbringend zu sein.“ (Bäsler 2019, S. 93). Dies wird jedoch nicht bewusst reflektiert. Auch eine Rückmeldung nach Abschluss der Forschungsarbeit wird nicht erwähnt. | Da Bäsler die Aussagen der Studierenden im originalen Wortlaut wiedergibt (Bäsler 2019, S. 82ff), müsste sie dazu auch die Zustimmung der Befragten eingeholt haben. Dies erwähnt sie jedoch an keiner Stelle. Auch von der Rückmeldung der Interpretation ist nicht die Rede. Dies geschieht lediglich innerhalb der Interviews, da Bäsler ihre Fragen teils durch eine Rückmeldung einleitet, beispielsweise durch den Satz: „Das Projekt Forschungswerkstatt scheint bisher für dich ganz gewinnbringend zu sein.“ (Bäsler 2019, S. 93). Dies wird jedoch nicht bewusst reflektiert. Auch eine Rückmeldung nach Abschluss der Forschungsarbeit wird nicht erwähnt. | ||
- | Bäsler beschäftigt sich also an keiner Stelle bewusst mit der Rückmeldung an die Befragten. Dies wäre nach Flick jedoch von Bedeutung, da die Beforschten so konsequenter einbezogen werden, was zu besseren Ergebnissen führen soll. (Flick 2009, S.170) | + | Bäsler beschäftigt sich also an keiner Stelle bewusst mit der Rückmeldung an die Befragten. Dies wäre nach Flick jedoch von Bedeutung, da die Beforschten so konsequenter einbezogen werden, was zu besseren Ergebnissen führen soll. (Flick 2009, S.170) |
Dass Bäsler eine Veränderung der Lehrerbildung – nach Flick eine „Veränderung der Lebenspraxis“ (Flick 2009, S.170) - anstrebt, lässt sich allerdings ableiten, da sie an mehreren Stellen Implikationen für die Lehrkräftebildung ableitet (Bäsler 2019, S. 100ff). Des Weiteren versucht sie den Diskurs voranzubringen, | Dass Bäsler eine Veränderung der Lehrerbildung – nach Flick eine „Veränderung der Lebenspraxis“ (Flick 2009, S.170) - anstrebt, lässt sich allerdings ableiten, da sie an mehreren Stellen Implikationen für die Lehrkräftebildung ableitet (Bäsler 2019, S. 100ff). Des Weiteren versucht sie den Diskurs voranzubringen, | ||
All diese Rückmeldeprozesse bewegen sich jedoch innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft und der Institutionen der Lehrerbildung. Bäsler versucht nicht, den Diskurs in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Somit handelt es sich lediglich um einen „Diskurs nach innen“ (Flick 2009, S 171.). | All diese Rückmeldeprozesse bewegen sich jedoch innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft und der Institutionen der Lehrerbildung. Bäsler versucht nicht, den Diskurs in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Somit handelt es sich lediglich um einen „Diskurs nach innen“ (Flick 2009, S 171.). |