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Tandem 11

  • Tandempartner*in 1: Celina Panosch
  • Tandempartner*in 2: Clara Hornung

Entwurfsfassung

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Fähnrich ist der Annahme, dass bislang zu wenig darauf geachtet wurde, wie Jugendliche selbst auf ihre kriminellen Handlungen und Lebenssituationen blicken. Aus diesem Grund richtet er in seiner Arbeit einen intensiveren Blick auf die subjektiven Beschreibungen und Erfahrungen der Jugendlichen (vgl. Fähnrich, 2010, S. 102). Er behandelt folgende Forschungsfragen: 1) „Wie deuten die Jugendlichen ihre aktuellen Lebensumstände und biografischen Erfahrungen (einschließlich ihrer Straftaten) selbst?“ (Fähnrich, 2010, S. 103), sowie 2) „Lassen sich typische Selbstdeutungsmuster der Jugendlichen bezüglich ihrer aktuellen Lebensumstände sowie biografischen Erfahrungen (einschließlich Straftaten) feststellen?“ (vgl. ebd.). Er verfolgt das Ziel, aufzudecken, unter welchen Umständen die Jugendlichen aufgewachsen sind und welche Ereignisse und Situationen sie zu ihren Taten verleitet haben. Hierfür stellt ihm ein hessisches Polizeikommissariat eine Reihe von Daten zur Verfügung (vgl. Fähnrich, 2010, S. 105). Mithilfe einer Zufallsstichprobe (vgl. Fähnrich, 2010, S. 120) gelang ihm die Typenbildung der Situations- und Biografietypen , welche er letztlich in einem Vergleich gegenüberstellt und daraus die „Lebenslagentypen“ bildet (vgl. Fähnrich, 2010, S. 201-212). Bei Fähnrich handelt es sich um eine Vergleichsstudie nach Flick. Hierbei werden unterschiedliche Fälle auf bestimmte Aspekte hin untersucht und zur Datenerhebung dienen gezielte Interviews (vgl. Flick, 2014, S. 180).

Annäherung ans Feld

Fähnrich bekommt seinen Feldzugang mithilfe eines hessischen Polizeipräsidiums, das seit längerer Zeit das Projekt BASU21 führt. Dabei werden Biografien der straftätigen Jugendlichen in Personagrammen festgehalten und weitergeführt (vgl. Fähnrich, 2010, S. 105). Aus den am Anfang 80 jugendlichen Straftätern wurden mittels verschiedener Kriterien (vgl. Fähnrich, 2010, S. 110-116) die für die Untersuchung relevanten Jugendlichen herausgefiltert. Fähnrich zog die Methode des narrativen Interviews und des Leitfadeninterviews in Erwägung, entschied sich letztlich für das Leitfadeninterview (vgl. Fähnrich, 2010, S. 119). Das narrative Interview, welches laut Flick durch eine Eingangsfrage zu einer offenen Erzählung der interviewten Person führen soll (vgl. Flick, 2014, S. 228), hätte womöglich zu einer Überforderung der Jugendlichen geführt (vgl. Fähnrich, 2010, S. 118). Beim Leitfadeninterview benutzt der Interviewer, dessen Rolle hierbei Fähnrich eingenommen hat, vorab formulierte Fragen als Orientierung. Dabei hat der Interviewer jedoch den Vorteil einen gewissen Spielraum zu besitzen und kann selbst entscheiden, welche Fragen an welchem Punkt gestellt oder nicht gestellt werden (vgl. Flick, 2014, S. 222 ff). Fähnrich entschied sich zunächst für die Methode des Selektiven Samplings, auch als Purposive Sampling bekannt (vgl. Flick, 2016, S. 95), tauschte diese jedoch später durch die Zufallsstichprobe aus (vgl. Fähnrich, 2010, S. 120), da es im Laufe der Durchführungen zu vermehrten Problemen kam. Von den zehn ausgewählten Jugendliche, sagten nur vier der Untersuchung zu (vgl. Fähnrich, 2010, S. 121). Nun wird sein Vorgehen etwas unübersichtlich. Durch andere Institutionen gelang Fähnrich durch eine „Art Zufallsstichprobe“ (Fähnrich, 2010, S. 121) an weitere sieben Jugendliche, mit denen er die Interviews durchführte (vgl. ebd). Diese wurden in einem ungestörten Büro (vgl. Fähnrich, 2010, S. 122) durchgeführt und nach der Erhebungsphase (vgl. Flick, 2016, S. 66) ausgewertet. Bei diesem Schritt orientierte sich Fähnrich an dem thematischen Kodieren nach Flick, hierbei „wird zunächst mit Fallanalysen gearbeitet, bei denen eine thematische Struktur herausgearbeitet wird“ (Flick, 2016, S. 172) (vgl. Fähnrich, 2010, S. 124).

Sammlung der Daten

Für die Datenerhebung verwendet Fähnrich zunächst die Materialanalyse, indem er bereits vorhandenes Material, Informationen aus „BASU 21“ und Persogramme der Jugendlichen, hinzuzieht und analysiert (vgl. Fähnrich, 2010, S. 105-109). Eine spezifische Dokumentenanalyse ermöglicht nähere Aussagen über Geschlecht, Herkunft, Anzahl und Art der Delikte sowie die resultierenden Sanktionen. Um die individuellen Gründe der Straftaten erfassen zu können, ist es sinnvoll ein zusätzliches Interview zu führen (vgl. ebd., S. 117). Fähnrich entscheidet sich in seiner Studie für das Leitfadeninterview. Diese Methode ist zwar laut Flick nicht die aufschlussreichste, wie beispielsweise das narrative Interview (vgl. Flick, 2014, S. 178), jedoch erscheint sie uns als sinnvollste, da der Interviewer mit den Jugendlichen im Gespräch bleibt und er dadurch die Motivation der Jugendlichen bestärken kann (vgl. Fähnrich, 2010, S. 119). Außerdem können die Jugendlichen hier zunächst frei heraus Antworten geben und auch aus eigener Intention ausführlicher auf Themen eingehen. Trotzdem sind Nachfragen für den Interviewer möglich (vgl. Flick, 2009, S. 114). Bei der Dokumentation des Interviews entscheidet sich Fähnrich für die Tonbandaufzeichnung (vgl. Fähnrich, 2010, S. 122) und wie auch Flick es vorgibt, folgt daraufhin die Transkription (vgl. Flick, 2009, S. 73). Nachdem das Interview verschriftlicht wurde, gelangt Fähnrich durch das Rekonstruieren „zu verallgemeinernden Aussagen“ (Flick, 2009, S. 139). Deshalb ordnet er die Jugendlichen unterschiedlichen Situations- und Biografietypen zu (vgl. Fähnrich, 2010, S. 168-172 und S. 189-200), um diese anschließend miteinander zu kombinieren und die Zusammenhänge auszuwerten (vgl. ebd., S. 201ff.). Aus dieser erneuten Typenbildung leitet Fähnrich drei sogenannte Lebenslagentypen ab, anhand derer er dann Antworten und Rückschlüsse zu seinen Fragestellungen gibt (vgl. ebd., S. 215-219).

Fixierung der Daten

Neben der eigentlichen Datenerhebung, dem Interview, bedient sich Fähnrich der Einzelfallanalyse, erstellt also Kurzprofile der Jugendlichen unter Einbezug der Materialien und liefert Personenbeschreibungen durch Interpretieren des jeweiligen Falls (vgl. Fähnrich, 2010, S. 125). Mittels Feinanalyse können einzelne Textausschnitte genauer analysiert werden (vgl. ebd.). Das Interview wird mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet, zusätzlich notiert Fähnrich sich seine Fragen, um die Jugendlichen nicht zu unterbrechen. Diese Fragen werden im Anschluss des Interviews gestellt und Unklarheiten geklärt (vgl. Fähnrich, 2010, S. 123). Anschließend wurden die Interviews wörtlich verschriftlich und aufgrund dessen Fallporträts erstellt, wie genau dieser Vorgang ablief, beschreibt Fähnrich allerdings nicht (vgl. ebd.). Um aus den einzelnen Fällen erst Kategorien, dann Typen bilden zu können, nutzt Fähnrich das Kodieren (vgl. ebd., S. 126f.). Die Zielsetzung, wie der Fallvergleich (vgl. Fähnrich, 2010, S. 129), weist bei Fähnrich starke Ähnlichkeiten zu Flicks beschriebenem thematischen Kodieren auf (vgl. Flick, 2009, S. 172ff.).

Interpretation der Daten

Das kontinuierliche Abgleichen der Daten und Erstellen von Einzelfallanalysen, die wiederum analysiert und kategorisiert werden, bezieht sich unserer Meinung nach auf das von Flick typische Kreislaufmodell des qualitativen Forschungsprozesses (vgl. Flick, 2009, S. 75). Nachdem diese Kategorisierung vorgenommen wurde, bildet Fähnrich Situations- und Biografietypen. Diese Typenbildung erfolgt aufgrund der Tendenz, wieder straffällig zu werden (Situationstyp), und der biografisch erlebten Erfahrungen in Familien- und Freundeskreis (Biografietyp) (vgl. Fähnrich, 2010, S. 165 und 187f.) Die Erarbeitung dieser Typen führt Fähnrich sehr detailliert und differenziert durch, indem er verschiedene Aspekte miteinbezieht (vgl. ebd., z.B. S. 164f.).

Geltungsbegründung

Forschung als Diskurs

Literatur

  • Fähnrich, Oliver (2010): Jugendkriminalität. Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher. Merkmale und Selbstdeutungsmuster jugendlicher Wiederholungstäter.
  • Flick, Uwe (2016): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA-Studiengänge. 3 Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
  • Flick, Uwe (2014): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. 6 Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
  • Flick, Uwe/v. Kardorff, Ernst/Keupp, Heiner/v. Rosenstiel, Lutz/Wolff, Stephan (1995): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. 3 Auflage. Weinheim: Psychologie Verlags Union.

Zweiter Text: Begründete Einschätzung anderer Analysen

Ranking:

Tandem 12, Platz 1

Sehr positiv bewerten wir die Erläuterung der Forschungsperspektiven und die damit verbundenen Forschungsfragen. Die Annäherung an das Feld wurde sehr detailliert beschrieben. Äußerst gelungen finden wir das Herausarbeiten des Prozesses, den Fähnrich in seiner Studie bei der Probandenfindung hat. Das Leitfadeninterview, sowie weitere wichtige Begriffe, werden mithilfe Flicks Literaturen verständlich gemacht und dann an Fähnrichs Studie näher erklärt. Die Kennzeichnung der unterschiedlichen Quellen ist überwiegend gelungen. Allerdings wird der Unterschied zwischen direkten und indirekten Zitaten nicht deutlich, da das „vgl.“ fehlt. Im Abschnitt „Datenfixierung“ erscheint uns die Beschreibung und Auswertung der Tonbandaufzeichnung etwas zu kurz, die Methode der Transkription wird leider nicht erläutert. Kleine Grammatikfehler, vor allem am Ende des Abschnitts „Interpretation der Daten“, sollten noch verbessert werden. Inhaltlich hat uns dieser Abschnitt jedoch sehr überzeugt, die Typenbildung wurde umfassend beschrieben und Fähnrichs Vorgehen gut auf Flick bezogen. Das Literaturverzeichnis ist vollständig.

Tandem 7, Platz 2

Dank der sehr gut formulierten Einleitung des Tandems, bekommt man einen guten Einblick in Fähnrichs Studie. Es ist ihnen sehr gut gelungen einen deutlichen Bezug zwischen Fähnrich und Flick herzustellen, der sich durch die gesamte Analyse durchzieht. Die unterschiedlichen Gedankengänge der beiden Autoren wurden gut und fehlerfrei gekennzeichnet. Bemängeln müssen wir leider, dass das Literaturverzeichnis unvollständig ist. Es sollte außerdem darauf geachtet werden, dass bei Zitaten die Zeichensetzung innerhalb der Klammern korrekt ist und nach einem direkten Zitat der Autor direkt gekennzeichnet wird, dass es nicht zu einer Verwirrung kommt, wer nun diesen Gedankengang hatte. Besonders überzeugt hat uns die kurze Erläuterung des Projekts BASU 21, sowie der sehr verständlich und ausführlich beschriebene Feldzugang von Fähnrich und die Erläuterung des Wechsels der Interviewmethode vom narrativen- zum Leitfadeninterview. Des Weiteren bewerten wir positiv, dass das Tandem die Vorgehensweise des Interviews nachvollziehbar erklärt und auch die Kategorienbildung sehr ausführlich beschrieben hat.

Tandem 3, Platz 3

Wir bewerten sehr positiv, dass das Tandem es geschafft hat, durchgehend einen deutlichen Bezug zwischen Fähnrich und Flick zu erstellen, denn dadurch wird die gesamte Vorgehensweise Fähnrichs verständlicher und nachvollziehbarer. Leider treten bei diesen Vergleichen häufig Zitationsfehler auf, beispielsweise wird im Abschnitt „Fragestellung, Forschungsperspektiven“ Fähnrich beschrieben und mit Flick belegt. Des Weiteren wurde uneinheitlich zitiert, oder im Abschnitt „Sammlung der Daten“ direkte Zitate falsch wiedergegeben. Stark bemängeln müssen wir das häufige Erscheinen von Grammatikfehlern, die bei einem erneuten Korrekturlesen hätten verhindert werden können. Besonders schade finden wir, dass Begrifflichkeiten wie das Selektive Sampling, die offene und selektive Kodierung oder die genaue Formerläuterung des Leitfadeninterviews nicht näher in ihrer Bedeutung erläutert wurden. Dazu ist das Literaturverzeichnis leider unvollständig. Positiv hervorheben wollen wir jedoch die Tatsache, dass das Tandem den Aufbau der Datensammlung und den der Typenbildung sehr ausführlich und verständlich darstellt.

Dritter Text: Endfassung

Einleitung

Die qualitative Studie „Jugendkriminalität - Biografische Kontexte straffälliger Jugendliche “ (2010) von Dr. Oliver Fähnrich, beschäftigt sich mit den Selbstdeutungsmustern und den subjektiven Beweggründen von jugendlichen Wiederholungstäter*innen. Ziel seiner Arbeit ist es, diesbezüglich die Forschungslücken zu füllen und mögliche Lösungsansätze zu formulieren.

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Für die Entwicklung eines Untersuchungsgegenstandes ist es von essentieller Bedeutung, sich vorab mit dem gegenwärtigen Forschungsstand und Theorien auseinanderzusetzen. Forscher*innen entwickeln mithilfe dieser Auseinandersetzungen ein Modell, womit sie Hypothesen ableiten und einen für sie relevanten Untersuchungsgegenstand manifestieren können (vgl. Flick, 1995, S. 150). Fähnrich recherchiert vorab nach vorhandenen Theorien und Modellen, welche er in seiner Arbeit präzise wiedergibt. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 53-89) Er entwickelt seinen Forschungsgegenstand durch eine kritische Auseinandersetzung mit den von ihm näher erläuterten Theorien. Diese weisen alle „unterschiedliche Stärken, aber auch Schwächen“ (Fähnrich, 2010, S. 99) auf. Am stärksten kritisiert Fähnrich, dass bislang den subjektiven Vorstellungen der Jugendlichen zu wenig Bedeutung zugeschrieben wurde. (Fähnrich, 2010, S. 102) Mit seiner Studie möchte er diese Forschungslücke füllen. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 6 f.) Den Gegenstand der Studie stellt die Jugendkriminalität, mit besonderem Hinblick auf die Selbstdeutungsmuster der Jugendlichen, dar. Das Prinzip der Offenheit bezeichnet Flick als eine Zurückstellung des Forschungsgegenstandes, „bis sich die Strukturierung des Forschungsgegenstandes durch die Forschungssubjekte herausgebildet hat“ (Flick, 1995, S. 150, zitiert nach: Hofmann-Riem, 1980, S. 343). Fähnrich benennt das Miteinbeziehen dieses Prinzips nicht explizit, jedoch ist dies in seinen flexiblen Handlungsschritten mit den Jugendlichen zu erkennen. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 120 ff.) Als kritisch bewerten wir, dass er nicht erwähnt, mit welchen Theorien er sich näher auseinandersetzt.

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Fähnrich richtet seinen Fokus auf die subjektiven Beschreibungen und Erfahrungen der Jugendlichen (vgl. Fähnrich, 2010, S. 102). Er behandelt folgende Forschungsfragen: 1) „Wie deuten die Jugendlichen ihre aktuellen Lebensumstände und biografischen Erfahrungen (einschließlich ihrer Straftaten) selbst?“ (Fähnrich, 2010, S. 103), sowie 2) „Lassen sich typische Selbstdeutungsmuster der Jugendlichen bezüglich ihrer aktuellen Lebensumstände sowie biografischen Erfahrungen (einschließlich Straftaten) feststellen?“ (ebd.). Er verfolgt das Ziel, aufzudecken, unter welchen Umständen die Jugendlichen aufgewachsen sind und was sie zu ihren Taten verleitet hat. Hierfür stellt ihm ein hessisches Polizeikommissariat eine Reihe von Daten zur Verfügung. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 105) Mithilfe einer Zufallsstichprobe (vgl. Fähnrich, 2010, S. 120) gelang ihm die Typenbildung der Situations- und Biografietypen , welche er in einem Vergleich gegenüberstellt und daraus die Lebenslagentypen bildet. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 201-212) Bei Fähnrich handelt es sich um eine Vergleichsstudie nach Flick. Hierbei werden unterschiedliche Fälle auf bestimmte Aspekte hin untersucht (vgl. Flick, 2015, S. 254), der Datenerhebung dienen gezielte Interviews. (vgl. Flick, 2014, S. 180)

Annäherung ans Feld

Fähnrich bekommt seinen Feldzugang mithilfe eines hessischen Polizeipräsidiums, das seit längerer Zeit das Projekt BASU21 führt. Dabei werden Biografien der straftätigen Jugendlichen in Personagrammen festgehalten und weitergeführt. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 105) Aus den am Anfang 80 jugendlichen Straftäter*innen wurden mittels verschiedener Kriterien, die für die Untersuchung relevanten Jugendlichen herausgefiltert. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 110-116) Fähnrich zog die Methode des narrativen Interviews und des Leitfadeninterviews in Erwägung, entschied sich letztlich für das Leitfadeninterview. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 119) Beim narrativen Interview werden die Proband*innen darum gebeten, über einen bestimmten Gegenstand frei zu erzählen. Sie bestimmen selbst, wann die Erzählphase abgeschlossen ist. (vgl. Lamnek, 2010, S. 326 ff.) Diese Methode hätte womöglich zu einer Überforderung der Jugendlichen geführt. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 118) Beim Leitfadeninterview benutzen Interviewer*innen, deren Rolle hierbei Fähnrich eingenommen hat, vorab formulierte Fragen als Orientierung. Dabei haben Interviewer*innen jedoch den Vorteil, einen gewissen Spielraum zu besitzen und selbst zu entscheiden, welche Fragen an welchem Punkt gestellt werden. (vgl. Flick, 2014, S. 222 ff.) Fähnrich entschied sich zunächst für die Methode des Selektiven Samplings, auch als Purposive Sampling bekannt (vgl. Flick, 2016, S. 95), tauschte diese später jedoch durch die Zufallsstichprobe aus (vgl. Fähnrich, 2010, S. 120), da es im Laufe der Durchführungen zu Problemen kam. Von den zehn ausgewählten Jugendlichen sagten nur vier der Untersuchung zu. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 121) Nun wird sein Vorgehen etwas unübersichtlich. Mithilfe anderer Institutionen, gelang Fähnrich durch eine Zufallsstichprobe an weitere sieben Jugendliche, mit denen er die Interviews durchführte. (vgl. ebd) Diese wurden in einem ungestörten Büro durchgeführt und nach der Erhebungsphase ausgewertet. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 122) (vgl. Flick, 2016, S. 66) Bei diesem Schritt orientierte sich Fähnrich an dem thematischen Kodieren nach Flick (vgl. Fähnrich, 2010, S. 124), hierbei „wird zunächst mit Fallanalysen gearbeitet, bei denen eine thematische Struktur herausgearbeitet wird“ (Flick, 2016, S. 172).

Sammlung der Daten

Für die Datenerhebung verwendet Fähnrich zunächst die Materialanalyse, indem er bereits vorhandenes Material, Informationen aus „BASU 21“ und Personagramme der Jugendlichen, hinzuzieht und analysiert. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 105-109) Eine spezifische Dokumentenanalyse ermöglicht nähere Aussagen über Geschlecht, Herkunft, Anzahl und Art der Delikte, sowie die resultierenden Sanktionen. Um die individuellen Gründe der Straftaten erfassen zu können, ist es sinnvoll, ein zusätzliches Interview zu führen. (vgl. ebd., S. 117) Fähnrich entscheidet sich in seiner Studie für das Leitfadeninterview. Für die Dokumentation des Interviews verwendet er die Tonbandaufzeichnung (vgl. Fähnrich, 2010, S. 122) und wie auch Flick es vorgibt, folgt daraufhin die Transkription .(vgl. Flick, 2009, S. 73) Nachdem das Interview verschriftlicht wurde, gelangt Fähnrich durch das Rekonstruieren „zu verallgemeinernden Aussagen“ (Flick, 2009, S. 139). Deshalb ordnet er die Jugendlichen unterschiedlichen Situations- und Biografietypen zu (vgl. Fähnrich, 2010, S. 168-172 und S. 189-200), um diese anschließend miteinander zu kombinieren und die Zusammenhänge auszuwerten. (vgl. ebd., S. 201 ff.) Aus dieser erneuten Typenbildung leitet Fähnrich drei sogenannte Lebenslagentypen ab, anhand derer er dann Antworten und Rückschlüsse zu seinen Fragestellungen gibt. (vgl. ebd., S. 215-219)

Fixierung der Daten

Neben der eigentlichen Datenerhebung, dem Interview, bedient sich Fähnrich der Einzelfallanalyse. Er erstellt also, unter Einbezug der Materialien, Kurzprofile der Jugendlichen und liefert Personenbeschreibungen durch Interpretieren des jeweiligen Falls. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 125) Mittels Feinanalyse können einzelne Textausschnitte genauer analysiert werden. (vgl. ebd.) Das Interview wird mit einem Tonbandgerät aufgezeichnet, zusätzlich notiert Fähnrich seine Fragen, um die Jugendlichen nicht zu unterbrechen. Diese werden im Anschluss an das Interview gestellt und Unklarheiten geklärt. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 123) Anschließend wurden die Interviews wörtlich verschriftlicht und Fallporträts erstellt. (vgl. ebd.) Wie genau dieser Vorgang ablief, beschreibt Fähnrich allerdings nicht. Um aus den einzelnen Fällen zunächst Kategorien und dann Typen bilden zu können, nutzt Fähnrich das Kodieren. (vgl. ebd., S. 126 f.) Die Zielsetzung sowie der Fallvergleich , weisen bei Fähnrich starke Ähnlichkeiten zu Flicks beschriebenem thematischen Kodieren auf. (vgl. ebd., S. 129) (vgl. Flick, 2009, S. 172 ff.)

Interpretation der Daten

Das kontinuierliche Abgleichen der Daten und Erstellen von Einzelfallanalysen, die wiederum analysiert und kategorisiert werden, bezieht sich unserer Meinung nach auf das von Flick typische Kreislaufmodell des qualitativen Forschungsprozesses. (vgl. Flick, 2009, S. 75) Nachdem diese Kategorisierung vorgenommen wurde, bildet Fähnrich Situations- und Biografietypen. Diese Typenbildung erfolgt aufgrund der Tendenz, wieder straffällig zu werden (Situationstyp), und der biografisch erlebten Erfahrungen in Familien- und Freundeskreis (Biografietyp). (vgl. Fähnrich, 2010, S. 165 und 187 f.) Die Erarbeitung dieser Typen führt Fähnrich sehr detailliert und differenziert durch, indem er verschiedene Aspekte miteinbezieht. (vgl. ebd., z.B. S. 164 f.)

Geltungsbegründung

Fähnrichs Vorgehen empfinden wir allgemein als strukturiert und gut durchdacht, die kodierten Daten werden immer „weiter im Prozess des Vergleichs einbezogen“ (Flick, 2009, S. 277). Dies führt zu einer hohen Vergleichbarkeit der Fälle und ist demnach wichtig, um verallgemeinerbare Aussagen treffen zu können. (vgl. ebd., S. 275 f.) Wie im Kapitel „Interpretation der Daten“ schon angeschnitten wurde, bildete Fähnrich verschiedene Typen, um sie anschließend miteinander vergleichen zu können. Mithilfe der drei resultierenden Lebenslagentypen gelingt es Fähnrich, Thesen dahingehend aufzustellen, welche Maßnahmen nötig sind, damit die Jugendlichen wieder ein straffreies Leben führen könnten. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 216 und 218) Positiv bewerten wir hier vor allem Fähnrichs Intention, dass eine zusätzliche pädagogische Unterstützung in jedem Fall empfehlenswert ist. (vgl. ebd.) Allerdings sehen wir auch eine Grenze hinsichtlich der Verallgemeinerung, da sich Fähnrich bei seiner Studie auf individuelle Personagramme der Jugendlichen bezieht, die wiederum nicht einheitliche Kriterien enthielten. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 109) Die daraus entwickelten Thesen sind deshalb immer im Kontext der Materialien zu betrachten. (vgl. Flick, 2009, S. 275) Deshalb ist diesbezüglich, auch nach Meinung Fähnrichs, eine generelle Aussage zu allen straffälligen Jugendlichen, erst nach einer umfangreichen durchgeführten Studie möglich. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 219)

Forschung als Diskurs

Forschung als Diskurs bezieht sich immer auf das Subjektverständnis, also ob und wie weit die Proband*innen in die Forschung miteinbezogen werden. Dieser Prozess kann in drei Schritte eingeteilt werden. Fähnrich bat die Jugendlichen vor den Interviews um ihre Zustimmung, für die Nutzung ihrer Aussagen (vgl. Fähnrich, 2010, S. 120), was unter den Begriff der kommunikativen Validierung fällt. Diese bezeichnet „die Einbeziehung der Akteure […] in den weiteren Forschungsprozess“ (Flick, 2014, S. 495) und ist in den ersten beiden Schritten des Prozesses verhaftet. Forscher*innen können die erhobenen Daten den Proband*innen rückmelden oder ihnen einen Zugang erschaffen. Der zweite Schritt beinhaltet das Einbeziehen der Erforschten in die „Interpretation der Daten“ (Flick, 1995, S. 170). Im Falle, dass die kommunikative Validierung nicht erfolgte, sollten die Erforschten nach dem Forschungsabschluss eine Rückmeldung erhalten. (vgl. ebd.) Wir bewerten als kritisch, dass in der Studie nicht ersichtlich ist, inwieweit Fähnrich dies umgesetzt hat. Lediglich wurde die Anonymität der Proband*innen gewährleistet und die Ergebnisse nach Vollendung der Forschung öffentlich gemacht, sowie an das hessische Polizeipräsidium weitergegeben. (vgl. Fähnrich, 2010, S. 105)

Literatur

  • Fähnrich, Oliver (2010): Jugendkriminalität. Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher. Merkmale und Selbstdeutungsmuster jugendlicher Wiederholungstäter.
  • Flick, Uwe/ v. Kardorff, Ernst/ Keupp, Heiner/ v. Rosenstiel, Lutz/ Wolff, Stephan (1995): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. 3. Auflage. Weinheim: Psychologie Verlags Union.
  • Flick, Uwe (2009): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA-Studiengänge. Original-Ausgabe. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
  • Flick, Uwe (2014): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. 6. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
  • Flick, Uwe/ v. Kardorff, Ernst/ Steinke, Ines (Hrsg.) (2015): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg:Rowohlt Taschenbuch Verlag.
  • Flick, Uwe (2016): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA-Studiengänge. 3. Auflage. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
  • Lamnek, Siegfried (2010): Qualitative Sozialforschung. 5. Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Verlag.

Kommentare

Diskussion

Lena Hauner, 2018/06/30 16:16

Auf den zweiten Platz möchte ich Tandem 11 einordnen. Die Forschungsfragen wurden zu Beginn eindeutig herausgearbeitet und die verwendeten Methoden gut beschrieben. Sprachlich und grammatikalisch weißt diese Analyse nur sehr wenig Mängel auf, wie z. B. „Von den zehn ausgewählten Jugendliche, sagten …“. Die Analyse wurde gut verständlich und nachvollziehbar verfasst. Von Tandem 11 wurde immer wieder ein sehr guter Bezug zu Flick hergestellt und auf richtige Zitation geachtet. Positiv fällt auf, dass das Tandem mehrere Bücher von Uwe Flick zur Analyse der Dissertation herangezogen hat, welche auch im Literaturverzeichnis angegeben wurden und somit das Literaturverzeichnis vervollständigen.

Anna Wolschendorf, 2018/07/01 11:18

Tandem 11 gelingt eine gute Einleitung, indem die Fragen nach Fragestellung und Forschungsperspektiven gut dargestellt und erläutert werden. Allgemein wird inhaltlich auf die wichtigsten Dinge Bezug genommen, teilweise allerdings etwas grob und zu knapp. Getätigte Aussagen werden mithilfe von Fachliteratur gut belegt, sodass man als Leser/in zwischen eigenen Gedanken und Fähnrichs/Flicks Gedanken differenzieren kann. Begrifflichkeiten wie etwa das Narrative Interview oder das Leitfadeninterview werden gut erklärt und auch auf das Selektive Sampling wird eingegangen. Allerdings überschneiden sich teilweise die Inhalte der einzelnen Unterpunkte. Unter ‚Annäherung an das Feld’ wird erläutert wie Fähnrich seine Interviews führt und die positiven Aspekte des Leitfadeninterviews herausgearbeitet. Dann werden im Unterpunkt ‚Sammlung der Daten’ die vorausgegangenen Aussagen teilweise wiederholt. Hier hätte man Wiederholungen vermeiden können und dafür im Gegenzug andere Inhalte intensiver betrachten können. Das Thematische Kodieren wird beispielsweise nur kurz angerissen, dabei hätte es hier mehr Informationen dazu gebraucht. Auch wird nicht ersichtlich für welche Form der Transkription sich Fähnrich hinsichtlich seiner Tonbandaufzeichnungen entschieden hat, oder ob dies überhaupt genannt wird.

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