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lehre:sose2017:sozialwissmeth:analysen:nader:tandem21

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lehre:sose2017:sozialwissmeth:analysen:nader:tandem21 [2017/09/12 17:26]
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 ====Einleitung ==== ====Einleitung ====
  
 +In der Dissertation „Konstruktionstätigkeit mit Digitalen Medien - Eine qualitative Studie als Beitrag zur Medienbildung“ von Isabel Zorn aus dem Jahr 2010 geht es um eine Studie zur Konstruktionstätigkeit mit Digitalen Medien als neue Form der Mediengestaltung. Ziel ist es, dass durch diese Studie der Erkenntnishorizont erweitert wird, damit Bildungspotenziale entdeckt werden, die relevant für die Medienbildungstheorie sind. Zu diesem Zweck werden Interviews mit Laien-KonstrukteurInnen durchgeführt (vgl. Zorn 2010, S.5).
 ==== Verhältnis Theorie-Gegenstand==== ==== Verhältnis Theorie-Gegenstand====
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 +Beim Untersuchungsgegenstand der Studie handelt es sich um das Bildungspotenzial in Konstruktionsfähigkeiten mit Digitalen Medien. Bislang gibt es laut Zorn in der Medienpädagogik nur vereinzelte Resultate zu diesem Forschungsgegenstand (vgl. Zorn 2010, S.4). Diese Lücke im bisherigen Forschungsstand zu erkennen, stellt eine zentrale Begründung für die Relevanz des Sichtens bereits erschienener Literatur dar (vgl. Flick 1995, S.77). Isabel Zorn bezieht bestehende Erkenntnisse in ihre eigene Studie mit ein und versucht daran anschließend weitere zu erlangen. „Die Herangehensweise an den Forschungsgegenstand soll nach Glaser/Straus möglichst ohne theoriegeleitete Vorannahmen erfolgen. Da dies praktisch nicht möglich sei, solle bestehendes theoretisches Vorwissen als „sensibilisierende Konzepte“ genutzt werden und offen gelegt werden“ (Zorn 2010, S.94). Zorn versteht unter den „sensibilisierten Konzepten“ das Besitzen und das flexible Anwenden theoretischer Perspektiven, demnach das Reflektieren des empirischen Gegenstands mit dem theoretischen Vorwissen (ebd.). Verwendete Theorien werden im Kapitel 2 „Theoretischer Rahmen“ dargelegt. Zorn reflektiert also die Art der Verwendung bestehender Theorien genau und legt die Theorien, die sie als Ausgang für ihre Forschung nahm, offen.
  
  
 ==== Fragestellung, Forschungsperspektiven==== ==== Fragestellung, Forschungsperspektiven====
  
 +Mit Hilfe einer qualitativen Studie soll der subjektive Sinn der Konstruktionstätigkeiten für die Befragten erfasst werden. Durch Fragen zu den persönlichen Erfahrungen der KonstrukteurInnen war es anschließend möglich, Dimensionen des Sinns zu kategorisieren (vgl. Zorn 2010, S.6). Die Fragestellungen entwirft Zorn in Anlehnung an den bisherigen Forschungsstand bzw. in Anbetracht der Forschungslücke, die sie im Rahmen ihrer Einleitung aufzeigt (vgl. ebd. S.4). Die endgültigen Fragestellungen für die Studienarbeit lauten: „Welche Sinndimensionen von Konstruktionstätigkeit artikulieren KonstrukteurInnen?“ Und: „Welche Bildungspotenziale bietet die eigene Konstruktionstätigkeit mit Digitalen Medien?“ (ebd. S.6). 
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 +Im Rahmen eines Basisdesigns nach Flick (vgl. 1995, S.185) lässt sich Zorns Studie als Momentaufnahme bezeichnen, da sie die Interviewten zwar hauptsächlich zu bereits in der Vergangenheit liegenden Konstruktionstätigkeiten befragt, jedoch an der Bedeutung dieser Tätigkeiten für die Personen in der Gegenwart interessiert ist. Außerdem liegt hier kein Vergleich der einzelnen Interviewten, sondern eine Fallanalyse vor. 
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 +Zorn ist klar, dass ihre Forschungsperspektive nur eine bereichsbezogene Gültigkeit ihrer Ergebnisse zulässt. Auch eine Typenbildung, die sich zum Ende hin als möglich herausstellt, wird durch ihr Forschungsdesign nicht abgedeckt. Zorn betont jedoch die Möglichkeit, dass die Arbeit zahlreiche Anschlussmöglichkeiten für weitere Untersuchungen bietet (vgl. Zorn 2010, S.454).
  
 ==== Annäherung ans Feld==== ==== Annäherung ans Feld====
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 +Das Interesse an diesem Forschungsthema entstand bei Zorn durch das Mitwirken in einer Forschungsgruppe über Digitale Medien, in der sie bei der Durchführung von Projekten und Workshops beteiligt war. Durch das dort beobachtete positive Erleben von Konstruktionstätigkeit, wollte sie sich näher mit dem Thema beschäftigen (vgl. Zorn 2010, S.3). In ihrer qualitativen Studie hat sie die Perspektiven von Laien, die an Konstruktionstätigkeiten mitgewirkt haben, erforscht (vgl. ebd. S.5). Sie wählte Kinder sowie Erwachsene aus, ohne eine „Ausrichtung auf Generation, Geschlecht oder spezifische Milieus vorzunehmen“ (ebd. S.6), damit keine bestimmte Zielgruppe bei der Studie in den Vordergrund rückt.
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 +Das Nähe-Distanz-Problem des Forschers zum Feld, nachdem durch seine Perspektive seine Methodenwahl sowie seine Art des Zugangs maßgeblich beeinflusst werden (vgl. Flick 1995, S.151), ist Zorn bewusst. So gab sie bspw. zu, dass sie aufgrund eigener Tätigkeiten in Konstruktionsworkshops vermutlich dazu geneigt sei, sich mehr auf positive als auf negative Aspekte des Gegenstands fokussiert zu haben. Sie versuchte jedoch eine Verzerrung  der Ergebnisse durch verschiedene Maßnahmen möglichst gering zu halten (vgl. Zorn 2010, S.451f.).
  
  
 ==== Sammlung der Daten==== ==== Sammlung der Daten====
  
 +Zorn wählt zur Erhebung und Auswertung der Daten ihrer Studie die Grounded Theory Methodology nach Strauss&Corbin (1996). Dies ist ein Forschungsstil der unterschiedliche Methoden, die ineinander über gehen, beinhaltet. Die Grounded Theory Methodology wird oftmals in Bereichen verwendet, die noch nicht besonders weit erforscht sind, da es keine festgelegte Hypothese von Beginn an gibt, sondern die Theorieentwicklung erst im Forschungsprozess stattfindet (vgl. Zorn 2010, S.96f.). 
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 +Zuerst wählt Zorn das Leitfragen-Interview, damit sie konkrete Fragen stellen kann, wodurch die wichtigsten Punkte des Themenbereiches abgedeckt sind. Jedoch wird durch diese Art von Interview ein flüssiges Gespräch verhindert, da es wie eine Abfrage wirkt (vgl. Zorn 2010, S.108f.). Diese Schwierigkeit, auf die Zorn gestoßen ist, gilt als allgemeines Problem bei Leitfaden-Interviews (vgl. Przyborski, Wohlrab-Sahr 2014, S.130). Zorn erweiterte daraufhin das Leitfragen-Interview durch das narrative Interview, welches dem Interviewten mehr Raum zur Entfaltung, durch einen am Anfang gesetzten Erzählimpuls, gibt. Dadurch entsteht ein Redefluss mit einem individuellen Relevanzsystem des Interviewten. Dieses Vorgehen ist jedoch für die Befragung von Kindern auch nicht einwandfrei, da diese oftmals eine Schwierigkeit damit haben, ohne verschiedene Leitfragen frei zu sprechen (vgl. Zorn 2010, S.108ff.)
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 +Am Ende verwendet Zorn eine Mischform, die „methodisch erweitertes problemzentriertes Interview“ genannt wird (ebd. S.111). Die Gespräche beginnen mit einem Erzählimpuls wie bei einem narrativen Interview, gefolgt von Nachfragen nach spezifischen Erlebnissen, angelehnt an das Episodische Interview nach Flick (1996). Im dritten Schritt werden spezifische Sondierungsfragen (Witzel 2000 S.17) zum besseren Verständnis gestellt und abschließend nach Zukunftsvorstellungen und einem Fazit gefragt. Im Interview mit einigen Kindern arbeitete Zorn außerdem mit Materialien wie Fotos um ein stockendes Gespräch wieder zum Laufen zu bringen. Dieses Vorgehen stammt aus der Methode des fokussierten Interviews (Merton 1956). Zorn verwendetet bei den Interviews keinen konkreten Leitfaden, sondern lediglich eine Frageskizze, um das Gespräch möglichst offen zu halten (vgl. Zorn 2010, S.113ff.)
  
 ==== Fixierung der Daten==== ==== Fixierung der Daten====
  
 +Zu den durchgeführten Interviews wurden Postskripte in Anlehnung an das Konzept von Witzel zum problemzentrierten Interview erstellt. Hierbei notiert der Interviewer im Anschluss an das Gespräch aus dem Gedächtnis Inhalte, Atmosphäre und Besonderheiten, die ihm sonst noch aufgefallen sind. Auch thematische Schwerpunktsetzungen des Befragten, Ideen zur späteren Interpretation oder Fragen wurden hier aufgeschrieben. Zorn hebt hier die Möglichkeit hervor, durch die Postskripte Kriterien für die Auswahl geeigneter Interviews zu finden und Gesprächssituationen besser vergleichen zu können (vgl. Zorn 2010, S.122). Flick führt außerdem an, dass Kontextinformationen, die hier verschriftlicht sind, nützlich für die spätere Auswertung sein können (vgl. Flick 1995, S.13).
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 +Im Sinne eines Strebens nach Objektivität (Gütekriterium nach Flick 1995, S.499) wurden die Transkripte der aufgezeichneten Interviews von mehreren Personen erstellt. Dies brachte teilweise einen erhöhten Arbeitsaufwand mit sich, wenn aufwändige Korrekturvorgänge nötig waren. Festgelegte Transkriptionsregeln nennt Zorn an dieser Stelle nicht. Sie führt lediglich an, dass zentrale, besondere oder widersprüchliche Stellen immer festgehalten wurden (vgl. Zorn 2010, S.122f.). Die Problematik, dass die Realität durch eine Verschriftlichung nie vollständig abgebildet werden kann und u.a. durch den Stil des Notierenden abgewandelt und neu strukturiert wird – also eine neue Realität geschaffen wird – (vgl. Flick 1995, S.383f.), wird von Zorn nicht thematisiert.
  
 ==== Interpretation der Daten==== ==== Interpretation der Daten====
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 +Bei der Interpretation der Daten orientiert sich Zorn am Kodierungsparadigma der Grounded Theory Methodology nach Corbin/Strauss (1996). Sie verwendet alle drei Arten des Kodierens, die im Rahmen der Theorie unterschieden werden: Offenes Kodieren, Axiales Kodieren und Selektives Kodieren (vgl. Przyborski, Wohlrab-Sahr 2014, S.201 f.). 
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 +Zudem ist ihr eine Zirkularität in ihrem Vorgehen wichtig (vgl. Zorn 2010, S.100). Datenerhebung uns –auswertung wechseln sich hier gegenseitig ab. So gibt es zwischendurch immer wieder Vorannahmen anhand derer weiter geforscht wird. Vorteil ist hier die permanente Reflexion des Forschungsvorgehens (vgl. Flick 1995. S.126). Während des gesamten Forschungsprozesses wurden Memos mit Ideen und Hypothesen erstellt, die regelmäßigt wieder angeschaut, überprüft und ggf. verändert oder verworfen werden konnten. Dies ist zentral für die Methode der Grounded Theory. Außerdem wurde von Zorn ein Forschungstagebuch geführt und das Computerprogramm MaxQDA als Hilfe verwendet (vgl. Zorn 2010, S.129). 
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 ==== Forschung als Diskurs==== ==== Forschung als Diskurs====
  
 +Zorn erklärt das Prinzip der Kommunikation als konstitutiv für ihre Forschung. Dies bedeutet u.a., dass die Befragten als Experten in Bezug auf den zu erforschenden Gegenstand  sowie vor allem als selbstreflexive Subjekte gesehen werden. Interviewsituationen spiegeln demnach alltagsweltliche Gesprächssituationen wider, in denen Forscher und Befragte als Subjekte interagieren. Es gibt keine Möglichkeit diese durch neutrale, vollkommen objektive Messungen ersetzen zu können (vgl. Zorn 2010, S. 91). Dies entspricht dem Verständnis qualitativer Forschung, anhand derer subjektive Perspektiven erfragt und eine der Differenziertheit des Alltags angemessene Methode gewählt werden soll  (vgl. Flick 1995, S.28f.).
 ==== Literatur ==== ==== Literatur ====
-  * Flick, Uwe. Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg.(2014)+ 
 +    * Flick, Uwe. "Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung". Hamburg. (1995). 
 +    * Przyborski, Aglaja; Wohlrab-Sahr, Monika. "Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch". München. (2014). 
 +    * Zorn, Isabel. "Konstruktionstätigkeit mit Digitalen Medien - Eine qualitative Studie als Beitrag zur Medienbildung". (2010). http://elib.suub.uni-bremen.de/diss/docs/00011776.pdf (zuletzt aufgerufen am 08.06.2017)
  
 ===== Kommentare ===== ===== Kommentare =====
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