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Tandem 33

* Tandempartner*in 1: Ulrich; Naheela

  • Tandempartner*in 2: Otte; Sarah

Bei der Studie „Jugendkriminalität – Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher“ (2010) von Dr. Fähnrich handelt es sich um eine qualitative Studie. Er interessiert sich für die subjektiven Beweggründe von Wiederholungstaten und deren Ursachen (Fähnrich, 2010, S.103-104). Sein Ziel ist es praktische Lösungsansätze für das Problem zu formulieren, welche bisherige Kriminalitätstheorien erweitern und deren Widersprüchlichkeit aufzeigen sollen (ebd., S.105).

Entwurfsfassung

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Im Rahmen von qualitativer Forschung ist die Auseinandersetzung mit vorhandene Wissensbeständen und das in Beziehung setzen zu verwandten Feldern von großer Bedeutung. Die Auseinandersetzung findet statt, bevor der Forscher in das Forschungsfeld eintritt. Er recherchiert nach vorhanden Theorien, gleicht den aktuellen Forschungsstand ab (Flick, 2011, S.72/75-76). Mit den Informationen konstruiert der Forscher ein Modell, aus welchem Hypothesen, die geprüft werden sollen, abgeleitet werden. Das Untersuchungsfeld und -objekt sind im Modell exemplarisch und austauschbar. Allgemeingültig Zusammenhänge sollen überprüft werden (Flick, 1995, S.150). Der Untersuchungsgegenstand der Studie stellt die gestiegene Jugendkriminalität dar. Gegenstand und Vorgehen sind theoretisch verankert, er setzt sich mit vorhandenen Kriminalitätstheorien auseinander, mit welchen ist unklar. Auch das spezifische Vorwissen wird nicht offengelegt, beides bewerten wir als kritisch. Anspruch seiner Studie ist die Forschungslücken zu füllen (Fähnrich, 2010, S.6-7). Nach dem Prinzip der Grounded Theorie entwickeln sich Hypothesen, welche im Laufe der Studie zu Lebenslagentypen zusammengefasst werde und zur Theoriebildung führen (ebd., S.201-212). Fähnrich benennt seine Auseinandersetzung mit dem „Prinzip der Offenheit“ nicht. Laut Flick (1995, S.150) bedeutet Offenheit die Zurückstellung von einer vorherigen „theoretischen Strukturierung des Forschungsgegenstandes“, der untersuchungsgegenstand soll sich durch die Forschungsobjekte selbst herausbilden. Dieses Vorgehen ist bei Fähnrich beobachtbar, indem er flexibel Individualitäten der Probanden hinzuzieht bei der Auswertung (Fähnrich, 2010, S.123-129).

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Das Problem „Jugendkriminalität“ wird von Fähnrich mit dem Ziel behandelt, vorhandene Erkenntnisse zu erweitern, indem die Selbstdeutung der Wiederholungstäter im Fokus stehen. Dies leitet ihn zu folgenden zwei Fragestellungen, inwiefern deuten die Jugendlichen ihre aktuellen Lebensumstände, biografischen Erfahrungen und Straftaten selbst? Außerdem, lassen sich typische Selbstdeutungsmuster aus den Antworten feststellen? (ebd., S.102-105). Durch das wiederholte Erheben und Analysieren von Daten bildet er stufenweise Typen, welche er in Beziehung zueinander setzt und diese sich zu einer Theorie, den drei Lebenslagentypen, verdichten (ebd., S.201-212). Dies entspricht dem Prinzip der Grounded Theory nach Glaser und Strauss (Mey/Mruck, 2011, S.11, 15-16).

Annäherung ans Feld

Fähnrich nähert sich den jugendlichen Wiederholungstätern über eine Institution, indem er 80 Personagramme vom hessischen Polizeipräsidium (BASU21) analysiert (Flick, 2007, S.145-147) (Fähnrich, 2010, S.105). Daraufhin interviewt er im geschlossenen Feld elf Jugendliche in einem ungestörten Raum (Flick, 2007, S.147-149) (Fähnrich, 2010, S.123-126). Fähnrich wählt das Selektive Sampling: Hierfür werden aus den 80 BASU21 Fällen zehn relevante ausgewählt. Diese gezielte Auswahl wird in Flick auch als Purposive Sampling beschrieben (Flick, 2009, S.95). Auf Grund von Absagen und Nichterscheinen gelingt es ihm aber nur vier Teilnehmer für das Interview zu gewinnen. Er zieht weitere Organisationen mit Jugendlichen, die dem BASU21 Profil entsprechen, hinzu und gewinnt durch eine Zufallsstichprobe sieben weitere Teilnehmer (Fähnrich, 2010, S.121). Das Vorgehen wird ab diesem Punkt unklar. Vom Selektive Sampling wurde aufgrund der problematischen Umstände Abstand genommen und eine „Art Zufallsstichprobe“ angewendet (ebd., S.121). Unklar ist, ob die vier Probanden, mit in die Grundmenge der „Zufallsstichprobe“ einbezogen wurden oder ob die sieben tatsächlich einer Zufallsstichprobe gemäß Flick entstammen. „Eine Zufallsstichprobe liegt dann vor, wenn jedes Element der Stichprobe unabhängig durch einen Zufallsprozess aus der Grundgesamtheit gezogen wird“ (Flick, 2009, S.88). Der Prozess der Zufallsstichprobe ist nicht transparent, das bewerten wir als kritisch.

Sammlung der Daten

Laut Flick stellt die Erhebung von Daten bei qualitativer Forschung eine Art Kreislauf dar. Fähnrich allerdings erhebt alle Daten gemeinsam, ohne einen (Dokumenten-)Datensatz nach dem anderen zu analysieren, zu vergleichen und weitere zu erheben. Laut Flick wird die Vergleichbarkeit der Interpretationen dann erhöht, indem Erhebung, Auswertung von Dokumenten und Vergleich der Fälle zirkulär und nacheinander stattfinden (Flick, 2009, S.72-75). Um Daten zu erheben nutzt Fähnrich zwei Methoden, zunächst die Materialanalyse und dann das Leitfadeninterview, Flick beschreibt dies als Data Triangulation (ebd., S.225). Die Materialanalyse entspricht den Prinzipien der Sekundäranalyse und qualitativen Dokumentenanalyse nach Flick. Sekundäranalyse meint, dass bereits vorliegende Literatur analysiert wird. Außerdem untersucht er Statistiken und Persogramme, entsprechend der Dokumentenanalyse (ebd., S.129-132) (Fähnrich, 2010, S.108). Fähnrich entschied sich für das Leitfadeninterview (Struktur durch Interviewer und Subjekt) (Flick, 2009, S.113-115) (Fähnrich, 2010, S.106-108/118). Der Interviewer nutzt einen Leitfaden, um die wichtigen Themen im Blick zu haben. Er formuliert offene Fragen. Der Interviewer ist aktiv und konstruktiv am Erzählprozess beteiligt und versucht den Interviewpartner durch Hinterfragen zu motivieren, selbstständig Fragen zu beantworten (Flick, 2009, S.113-115). Laut Flick führe dies dazu „die individuelle Sicht des Interviewpartners auf das Thema zu erhalten“ (Flick, 2009, S.114). Um die Daten zu dokumentieren nutzt Fähnrich die Tonbandaufzeichnung und schriftliche Notizen (Fähnrich, 2009, S.123). Die erhobenen Interviews werden transkribiert, dies ermöglicht die Rekonstruktion der Daten und gemeinsame Auswertung mit den Personagrammen (Flick, 2009, S.139) (Fähnrich, 2010, S.122). Fähnrich benennt nicht welche Unterform des Leitfadeninterviews er nutzt, allerdings zeigen sich Parallelen zu dem Problemzentrierten Interview nach Witzel (1982). Witzel sieht hierfür einen vorgefertigten Fragebogen, einen Leitfaden, die Tonbandaufzeichnung und Schriftnotizen vor (Flick, 2007, S.210-211), diese Elemente finden wir bei Fähnrich wieder (Fähnrich, 2010, S.122-123). Das Durchführen von Leitfadeninterviews und eine vorherige Materialanalyse sehen wir in den Fragestellungen begründet, schließlich lassen sich so die individuell geprägten biografischen Erfahrungen mit den Dokumentierten in Bezug setzen (ebd., S.103).

Fixierung der Daten

Die Datenfixierung ist nach Flick (1995, S.160-162) ein dreischnittiger Prozess, bestehend aus der Aufzeichnung, Transkription und Konstitution der gesammelten Daten. Dieser soll dabei helfen gesammelte Daten objektiv zu ordnen und leichter zugänglich zu machen. Fähnrich zeichnet die Interviews auf und macht Feldnotizen ohne dabei den Redner zu unterbrechen (Fähnrich, 2010, S.123). Welche Transkriptionsmethoden Fähnrich wählt benennt er nicht, es ist nur nachvollziehbar, dass die Interviews im originalen Wortlaut aufbereitet und zu Fallporträts verschriftlicht wurden. So wird sichergestellt, dass das Gesagte bei der Transkription nicht von der Subjektivität des Forschers beeinflusst wird. Mit den transkribierten Interviews und Personagrammen konnte eine Konstitution nach Flick (1995, S.162), eine Zusammensetzung der Realität stattfinden, um letztendlich „typische kriminelle Karriereverläufe“ (Fähnrich, 2010, S.123) aufzuzeigen.

Interpretation der Daten

In dem Auswertungsverfahren reintegriert Fähnrich die von Flick beschriebene Zirkularität (Flick, 2009, S.72-75). Er erstellt aus den gegenwärtigen Interviews (Ebene 1) Einzelfallanalysen, die er in der Auswertung miteinander abgleicht. Durch das Erstellen von Feinanalysen und die dadurch entwickelten thematischen Strukturen (Familie: Eltern, Geschwister etc.), können Unterschiede und Gemeinsamkeiten gut aufgezeigt werden. Dabei wendet er die Methode der Konzeptualisierung nach Strauss und Corbin (1998) an. Nachdem Untersuchungskategorien festgelegt wurden, analysiert er die Fälle und achtet darauf individuelle biografische Erlebnisse zu berücksichtigen, woraufhin sich Gruppen mit ähnlichen Merkmalen bilden, Situationstypen. Denselben Prozess durchläuft er mit den biografischen Informationen und bildet Biografietypen (Ebene 2). Die Typen werden im nächsten Schritt miteinander verglichen. Die Interpretationen dieser Merkmale führen zu drei Lebenslagentypen (Fähnrich, 2010, S.123-129). Durch dieses Vorgehen wird Fähnrich den Ansprüchen einer hohen Vergleichbarkeit nach Flick gerecht (Flick, 2009, S.72-75).

Geltungsbegründung

Inwiefern diese Lebenslagentypen allgemeingültig sind, versuchen wir anhand des von Flick formulierten Gütekriteriums, der Verallgemeinerung, zu analysieren (Flick, 2009, 275). Nach ihm wird „in der qualitativen Forschung eher eine theoretische Verallgemeinerung angestrebt“ (ebd., S.279). Die wird erreicht durch das Bilden von Typen und das Gegenüberstellen von Fällen. Das wird in der detaillierten Auswertung von Fähnrich erfüllt, indem er Kategoriesysteme erstellt, welche er miteinander abgleicht. Anhand der entstehenden thematischen Strukturen kann er weitere Fälle analysieren und miteinander vergleichen. Die darauffolgende Feinanalyse und der erneute Vergleich der Fälle erhöht die Vergleichbarkeit und lässt eine Verallgemeinerung zu. Das Gegenüberstellen von unterschiedlichen Fällen findet somit statt (ebd., S.79). Aufgrund dieser Verallgemeinerung bildet Fähnrich unterschiedliche Typen auf zwei Ebenen (Fähnrich, 2010, S.201), die zusammengefasst werden. Anhand derer er praktische Lösungsansätze für das Problem an das hessische Polizeipräsidium weiterleitet (ebd., S.105). Es findet eine Weitergabe an Dritte statt, er lässt seine Studie nachvollziehbar werden, was nach Flick zusätzlich die Geltung der Studie begründet (Flick, 1995, S.167-169). Wir bewerten die gewählte Interviewform nach Flicks Kriterien (ebd.) als geeignet, da so ein hoher Grad an Authentizität angestrebt werden konnte, die Probanden durften sich selbstständig äußern und Fragen stellen (Fähnrich, 2010, S.123).

Forschung als Diskurs

Forschung als Diskurs beschreibt Flick (1995, S.170) als Subjektverständnis. Dies meint, inwieweit bei der Datensammlung, -auswertung die Probanden einbezogen werden und Wert auf das subjektiv Gemeinte gelegt wird. Nach Flick kann dies in drei Schritten erfolgen. Der Forscher kann die erfassten Daten nach der Erhebung zurückmelden und zugänglich für die Probanden machen. Eine Einverständniserklärung und Zusicherung der Anonymität findet man bei Fähnrich (Fähnrich, 2010, S.167-170), allerdings geht nicht hervor, ob die Probanden nach der Erhebung Zugriff auf die Daten hatten. Im zweiten Schritt sollen die Probanden bei der „Interpretation der Daten“ (Flick, 1995, S.170) einbezogen werden, bzw. eine Rückmeldung erhalten, um möglichst nah am subjektiv gemeinten Sinn zu bleiben. Diese zwei Schritten werden von Flick als „kommunikative Validieren“ (ebd.) bezeichnet. Abschließend sollte, falls keine Rückmeldung nach Erhebung oder Interpretation stattgefunden hat, eine Rückmeldung nach Beendigung des Forschungsprozesses folgen. Beachtet werden soll, dass die Ergebnisse auch für fachfremde Leser nachvollziehbar sind (ebd.). In der Studie bleibt unklar, ob eine Rückmeldung nach der Erhebung oder Interpretation stattgefunden hat. Es ist nur bekannt, dass die Ergebnisse (Fähnrich, 2010, S.235) mit Beendigung des Forschungsprozesses zugänglich gemacht und weitergeleitete wurden an das Polizeipräsidiums (ebd., S.105). Diese sollen in Zukunft bei der Prävention von Jugendkriminalität helfen.

Literatur

  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg. (2014).

* Fähnrich, Oliver (2009): Jugendkriminalität. Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher. Dissertation. Dortmund: Technische Universität Dortmund.

* Flick, Uwe (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlts Enzyklopädie.

* Flick, Uwe (2009): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA-Studiengänge. Reinbek bei Hamburg: Rowohlts Enzyklopädie.

* Flick, Uwe (1995): Stationen des qualitativen Forschungsprozesses. In: Flick, U./von Kardoff, E./Keupp, H./von Rosenstiel, L./Wolff, St. (Hrsg.): Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. 2. Aufl. Weinheim: Beltz, PVU, S. 148-173.

* Mey, Günther/Mruck, Katja (2011): Grounded Theory Reader. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Zweiter Text: Begründete Einschätzung anderer Analysen

Ranking:

Tandem 32, Platz 1

Die Analyse hat durch ihre gute Verständlichkeit, Einheitlichkeit und das analytische Vorgehen überzeugt. Das Tandem hat forschungsmethodische Literatur genutzt und sich mit dieser auseinandergesetzt. Größter Kritikpunkt stellt die Zitation dar, hier sollte man sich für einen einheitlichen Stil entscheiden (ebd. weiterführen oder weg lassen, Jahreszahlen nicht vergessen) und auf Einhaltung der Zeitformen achten. Dem Tandem ist es gelungen fremdes Gedankengut deutlich von ihrem eigenen zu trennen. Bei der Sammlung von Daten sollte überprüft werden ob tatsächlich nur die Zufallsstichprobe angewendet wurde. Wir möchten hervorheben, dass Methoden ausführlich und verständlich erläutert wurden. Allerdings sollte erwähnt werden um welche Form des Leitfadeninterviews es sich handelt. Abschließend ist es dem Tandem gelungen die Studie zu analysieren und nicht nur zu beschreiben.

Tandem 29, Platz 2

Die Analyse weist einen einheitlichen Zitationsstil auf, außerdem setzt sich das Tandem mit viel zusätzlicher wissenschaftlich relevanter Literatur auseinander. Lediglich die Studie selbst fehlt im Literaturverzeichnis. Bei der Annäherung ans Feld sollte auf eine genaue Seitenanzahl in der Studie verwiesen und deutlich differenziert werden welche Gedanken Flick dazu hat. Ebenfalls wird nicht auf die Interviews eingegangen, wir bewerten diese aber als relevant. Hier sollte hervorgehoben werden, um welche Form des Leitfadeninterview es sich handelt. Zudem sollte kritisch hinterfragt werden ob tatsächlich nur die Zufallsstichprobe angewendet wurde und falls ja wie es zu der Auswahl der Probanden kam.

Tandem 38, Platz 3

Die Analyse wurde sinnvoll strukturiert, allerdings gibt es grobe Mängel bei der Zitation und Rechtschreibung. Z.B. sollte man die Quellenangabe mit einem Punkt abschließen oder den Verlag im Literaturverzeichnis erwähnen. Dem Tandem ist es gelungen ihr eigenes Gedankengut deutlich von fremden zu differenzieren, allerdings sollte versucht werden den Inhalt mehr in eigenen Worten wiederzugeben (zu viele direkte Zitate). Außerdem sollte hinterfragt werden, ob die 11 Personen nur durch die Zufallsstichprobe ausgewählt wurden. Zudem handelt es sich bei der Zufallsstichprobe um eine quantitative und nicht qualitative Forschungsmethode (siehe Flick, 2009, S.87). Das Interviewverfahren wurde gut beschrieben, jedoch sollte erwähnt werden um welche Form des Leitfadeninterviews es sich handelt. Die Interpretation der Daten sollte ausführlicher bearbeitet werden.

Tandem 42, Platz 4

Dem Tandem ist ein übersichtlicher Einstieg in die Analyse gelungen, außerdem haben sie einen einheitlichen Zitationsstil. Negativ bewerten wir, dass sich nicht mit zusätzlicher Literatur auseinandergesetzt wurde. Bei der Annäherung ans Feld bleibt unklar, was BASU21 genau ist. Bei der Sammlung und Fixierung von Daten lassen sich gravierende Fehler finden, sowohl inhaltlich, als auch formal (siehe Selective Sampling und Zufallsstichprobe). Dennoch wirkt dieser Abschnitt leicht verständlich für den Leser, hierbei sollte zwischen dem Gedankengut von Fähnrich und Flick deutlich differenziert werden. Zudem sollte hervorgehoben werden um welche Form des Leitfadeninterviews es sich handelt. Allgemein bleiben viele Fragen offen, es findet kein deutlicher Diskurs zwischen Fähnrich und Flick statt, außerdem empfinden wir die Analyse als zu deskriptiv.

Dritter Text: Endfassung

Einleitung

Bei der Studie „Jugendkriminalität – Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher“ (2010) von Dr. Fähnrich handelt es sich um eine qualitative Studie. Er interessiert sich für die subjektiven Beweggründe von Wiederholungstaten und deren Ursachen (Fähnrich, 2010, S.103-104). Sein Ziel ist es praktische Lösungsansätze für das Problem zu formulieren, welche bisherige Kriminalitätstheorien erweitern und deren Widersprüchlichkeit aufzeigen sollen (ebd., S.105).

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Im Rahmen von qualitativer Forschung ist die Auseinandersetzung mit vorhandenen Wissensbeständen und das in Beziehung setzen zu verwandten Feldern von großer Bedeutung. Die Auseinandersetzung findet statt, bevor der Forscher in das Forschungsfeld eintritt. Er recherchiert nach vorhanden Theorien und gleicht den aktuellen Forschungsstand ab (Flick, 2011, S.72/75-76). Mit den Informationen konstruiert der Forscher ein Modell, aus welchem Hypothesen, die geprüft werden sollen, abgeleitet werden. Das Untersuchungsfeld und -objekt sind im Modell exemplarisch und austauschbar. Allgemeingültige Zusammenhänge sollen überprüft werden (Flick, 1995, S.150). Der Untersuchungsgegenstand der Studie stellt die gestiegene Jugendkriminalität dar. Gegenstand und Vorgehen sind theoretisch verankert, er setzt sich mit vorhandenen Kriminalitätstheorien auseinander, mit welchen ist allerdings unklar. Auch das spezifische Vorwissen wird nicht offen gelegt, beides bewerten wir als kritisch. Anspruch seiner Studie ist die Forschungslücken zu füllen (Fähnrich, 2010, S.6-7). Nach dem Prinzip der Grounded Theory entwickeln sich Hypothesen, welche im Laufe der Studie zu Lebenslagentypen zusammengefasst werden und zur Theoriebildung führen (ebd., S.201-212). Fähnrich benennt seine Auseinandersetzung mit dem „Prinzip der Offenheit“ nicht. Laut Flick (1995, S.150) bedeutet Offenheit die Zurückstellung von einer vorherigen „theoretischen Strukturierung des Forschungsgegenstandes“, der Untersuchungsgegenstand soll sich durch die Forschungsobjekte selbst herausbilden. Dieses Vorgehen ist bei Fähnrich beobachtbar, indem er bei der Auswertung flexibel Individualitäten der Probanden hinzuzieht (Fähnrich, 2010, S.123-129).

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Das Problem „Jugendkriminalität“ wird von Fähnrich mit dem Ziel behandelt, vorhandene Erkenntnisse zu erweitern, indem die Selbstdeutung der Wiederholungstäter im Fokus stehen. Dies leitet ihn zu folgenden zwei Fragestellungen, inwiefern deuten die Jugendlichen ihre aktuellen Lebensumstände, biografischen Erfahrungen und Straftaten selbst? Außerdem, lassen sich typische Selbstdeutungsmuster aus den Antworten feststellen? (ebd., S.102-105). Durch das wiederholte Erheben und Analysieren von Daten bildet er stufenweise Typen, welche er in Beziehung zueinander setzt und diese sich zu einer Theorie, den drei Lebenslagentypen, verdichten (ebd., S.201-212). Dies entspricht dem Prinzip der Grounded Theory nach Glaser und Strauss (Mey/Mruck, 2011, S.11, 15-16).

Annäherung ans Feld

Fähnrich nähert sich den jugendlichen Wiederholungstätern über eine Institution, indem er 80 Personagramme vom hessischen Polizeipräsidium (BASU21) analysiert (Flick, 2007, S.145-147) (Fähnrich, 2010, S.105). Daraufhin interviewt er im geschlossenen Feld elf Jugendliche in einem ungestörten Raum (Flick, 2007, S.147-149) (Fähnrich, 2010, S.123-126). Fähnrich wählt das Selektive Sampling: Hierfür werden aus den 80 BASU21 Fällen zehn relevante ausgewählt. Diese gezielte Auswahl wird in Flick auch als Purposive Sampling beschrieben (Flick, 2009, S.95). Aufgrund von Absagen und Nichterscheinen gelingt es ihm aber nur vier Teilnehmer für das Interview zu gewinnen. Er zieht weitere Organisationen mit Jugendlichen, die dem BASU21 Profil entsprechen, hinzu und gewinnt durch eine Zufallsstichprobe sieben weitere Teilnehmer (Fähnrich, 2010, S.121). Das Vorgehen wird ab diesem Punkt unklar. Vom Selektive Sampling wurde aufgrund der problematischen Umstände Abstand genommen und eine „Art Zufallsstichprobe“ angewendet (ebd., S.121). Unklar ist, ob die vier Probanden mit in die Grundmenge der „Zufallsstichprobe“ einbezogen wurden, oder ob die sieben tatsächlich einer Zufallsstichprobe gemäß Flick entstammen. „Eine Zufallsstichprobe liegt dann vor, wenn jedes Element der Stichprobe unabhängig durch einen Zufallsprozess aus der Grundgesamtheit gezogen wird“ (Flick, 2009, S.88). Der Prozess der Zufallsstichprobe ist nicht transparent, das bewerten wir als kritisch.

Sammlung der Daten

Laut Flick stellt die Erhebung von Daten bei qualitativer Forschung eine Art Kreislauf dar. Fähnrich allerdings erhebt alle Daten gemeinsam, ohne einen (Dokumenten-)Datensatz nach dem anderen zu analysieren, zu vergleichen und weitere zu erheben. Laut Flick wird die Vergleichbarkeit der Interpretationen dann erhöht, indem Erhebung, Auswertung von Dokumenten und Vergleich der Fälle zirkulär und nacheinander stattfinden (Flick, 2009, S.72-75). Um Daten zu erheben nutzt Fähnrich zwei Methoden, zunächst die Materialanalyse und dann das Leitfadeninterview, Flick beschreibt dies als Data Triangulation (ebd., S.225). Die Materialanalyse entspricht den Prinzipien der Sekundäranalyse und qualitativen Dokumentenanalyse nach Flick. Sekundäranalyse meint, dass bereits vorliegende Literatur analysiert wird. Außerdem untersucht er Statistiken und Persogramme, entsprechend der Dokumentenanalyse (ebd., S.129-132) (Fähnrich, 2010, S.108). Fähnrich entschied sich für das Leitfadeninterview (Struktur durch Interviewer und Subjekt) (Flick, 2009, S.113-115) (Fähnrich, 2010, S.106-108/118). Der Interviewer nutzt einen Leitfaden, um die wichtigen Themen im Blick zu haben. Er formuliert offene Fragen. Der Interviewer ist aktiv und konstruktiv am Erzählprozess beteiligt und versucht den Interviewpartner durch Hinterfragen zu motivieren, selbstständig Fragen zu beantworten (Flick, 2009, S.113-115). Laut Flick führe dies dazu „die individuelle Sicht des Interviewpartners auf das Thema zu erhalten“ (Flick, 2009, S.114). Um die Daten zu dokumentieren nutzt Fähnrich die Tonbandaufzeichnung und schriftliche Notizen (Fähnrich, 2009, S.123). Die erhobenen Interviews werden transkribiert, dies ermöglicht die Rekonstruktion der Daten und gemeinsame Auswertung mit den Personagrammen (Flick, 2009, S.139) (Fähnrich, 2010, S.122). Fähnrich benennt nicht welche Unterform des Leitfadeninterviews er nutzt, allerdings zeigen sich Parallelen zu dem Problemzentrierten Interview nach Witzel (1982). Witzel sieht hierfür einen vorgefertigten Fragebogen, einen Leitfaden, die Tonbandaufzeichnung und Schriftnotizen vor (Flick, 2007, S.210-211), diese Elemente finden wir bei Fähnrich wieder (Fähnrich, 2010, S.122-123). Das Durchführen von Leitfadeninterviews und eine vorherige Materialanalyse sehen wir in den Fragestellungen begründet, schließlich lassen sich so die individuell geprägten biografischen Erfahrungen mit den Dokumentierten in Bezug setzen (ebd., S.103).

Fixierung der Daten

Die Datenfixierung ist nach Flick (1995, S.160-162) ein dreischnittiger Prozess, bestehend aus der Aufzeichnung, Transkription und Konstitution der gesammelten Daten. Dieser soll dabei helfen gesammelte Daten objektiv zu ordnen und leichter zugänglich zu machen. Fähnrich zeichnet die Interviews auf und macht Feldnotizen ohne dabei den Redner zu unterbrechen (Fähnrich, 2010, S.123). Welche Transkriptionsmethoden Fähnrich wählt benennt er nicht, es ist nur nachvollziehbar, dass die Interviews im originalen Wortlaut aufbereitet und zu Fallporträts verschriftlicht wurden. So wird sichergestellt, dass das Gesagte bei der Transkription nicht von der Subjektivität des Forschers beeinflusst wird. Mit den transkribierten Interviews und Personagrammen konnte eine Konstitution nach Flick (1995, S.162), eine Zusammensetzung der Realität stattfinden, um letztendlich „typische kriminelle Karriereverläufe“ (Fähnrich, 2010, S.123) aufzuzeigen.

Interpretation der Daten

In dem Auswertungsverfahren reintegriert Fähnrich die von Flick beschriebene Zirkularität (Flick, 2009, S.72-75). Er erstellt aus den gegenwärtigen Interviews (Ebene 1) Einzelfallanalysen, die er in der Auswertung miteinander abgleicht. Durch das Erstellen von Feinanalysen und die dadurch entwickelten thematischen Strukturen (Familie: Eltern, Geschwister etc.), können Unterschiede und Gemeinsamkeiten gut aufgezeigt werden. Dabei wendet er die Methode der Konzeptualisierung nach Strauss und Corbin (1998) an. Nachdem Untersuchungskategorien festgelegt wurden, analysiert er die Fälle und achtet darauf individuelle biografische Erlebnisse zu berücksichtigen, woraufhin sich Gruppen mit ähnlichen Merkmalen bilden, Situationstypen. Denselben Prozess durchläuft er mit den biografischen Informationen und bildet Biografietypen (Ebene 2). Die Typen werden im nächsten Schritt miteinander verglichen. Die Interpretationen dieser Merkmale führen zu drei Lebenslagentypen (Fähnrich, 2010, S.123-129). Durch dieses Vorgehen wird Fähnrich den Ansprüchen einer hohen Vergleichbarkeit nach Flick gerecht (Flick, 2009, S.72-75).

Geltungsbegründung

Inwiefern diese Lebenslagentypen allgemeingültig sind, versuchen wir anhand des von Flick formulierten Gütekriteriums, der Verallgemeinerung, zu analysieren (Flick, 2009, 275). Demnach wird „in der qualitativen Forschung eher eine theoretische Verallgemeinerung angestrebt“ (ebd., S.279). Die wird erreicht durch das Bilden von Typen und das Gegenüberstellen von Fällen. Das wird in der detaillierten Auswertung von Fähnrich erfüllt, indem er Kategoriesysteme erstellt, welche er miteinander abgleicht. Anhand der entstehenden thematischen Strukturen kann er weitere Fälle analysieren und miteinander vergleichen. Die darauffolgende Feinanalyse und der erneute Vergleich der Fälle erhöht die Vergleichbarkeit und lässt eine Verallgemeinerung zu. Das Gegenüberstellen von unterschiedlichen Fällen findet somit statt (ebd., S.79). Aufgrund dieser Verallgemeinerung bildet Fähnrich unterschiedliche Typen auf zwei Ebenen (Fähnrich, 2010, S.201), die zusammengefasst werden. Anhand derer leitet er praktische Lösungsansätze für das Problem an das hessische Polizeipräsidium weiter (ebd., S.105). Es findet eine Weitergabe an Dritte statt, er lässt seine Studie nachvollziehbar werden, was nach Flick zusätzlich die Geltung der Studie begründet (Flick, 1995, S.167-169). Wir bewerten die gewählte Interviewform nach Flicks Kriterien (ebd.) als geeignet, da so ein hoher Grad an Authentizität angestrebt werden konnte, die Probanden durften sich selbstständig äußern und Fragen stellen (Fähnrich, 2010, S.123).

Forschung als Diskurs

Forschung als Diskurs beschreibt Flick (1995, S.170) als Subjektverständnis. Dies meint, inwieweit bei der Datensammlung, -auswertung die Probanden einbezogen werden und Wert auf das subjektiv Gemeinte gelegt wird. Nach Flick kann dies in drei Schritten erfolgen. Der Forscher kann die erfassten Daten nach der Erhebung zurückmelden und zugänglich für die Probanden machen. Eine Einverständniserklärung und Zusicherung der Anonymität findet man bei Fähnrich (Fähnrich, 2010, S.167-170), allerdings geht nicht hervor, ob die Probanden nach der Erhebung Zugriff auf die Daten hatten. Im zweiten Schritt sollen die Probanden bei der „Interpretation der Daten“ (Flick, 1995, S.170) einbezogen werden, bzw. eine Rückmeldung erhalten, um möglichst nah am subjektiv gemeinten Sinn zu bleiben. Diese zwei Schritte werden von Flick als „kommunikatives Validieren“ (ebd.) bezeichnet. Abschließend sollte, falls keine Rückmeldung nach Erhebung oder Interpretation stattgefunden hat, eine Rückmeldung nach Beendigung des Forschungsprozesses folgen. Beachtet werden soll, dass die Ergebnisse auch für fachfremde Leser nachvollziehbar sind (ebd.). In der Studie bleibt unklar, ob eine Rückmeldung nach der Erhebung oder Interpretation stattgefunden hat. Es ist nur bekannt, dass die Ergebnisse (Fähnrich, 2010, S.235) mit Beendigung des Forschungsprozesses zugänglich gemacht und an das Polizeipräsidium weitergeleitet wurden (ebd., S.105). Diese sollen in Zukunft bei der Prävention von Jugendkriminalität helfen.

Literatur

* Fähnrich, Oliver (2010): Jugendkriminalität. Biografische Kontexte straffälliger Jugendlicher. Dissertation. Dortmund: Technische Universität Dortmund.

* Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg.(2014)

* Flick, Uwe (2007): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlts Enzyklopädie.

* Flick, Uwe (2009): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA-Studiengänge. Reinbek bei Hamburg: Rowohlts Enzyklopädie.

* Flick, Uwe (1995): Stationen des qualitativen Forschungsprozesses. In: Flick, U./von Kardoff, E./Keupp, H./von Rosenstiel, L./Wolff, St. (Hrsg.): Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. 2. Aufl. Weinheim: Beltz, PVU, S. 148-173.

* Mey, Günther/Mruck, Katja (2011): Grounded Theory Reader. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Kommentare

Diskussion

Sveva Chantal Stauch, 2017/07/12 12:39

Tandem 33, Platz 1 Tandem 33 erhält in unserem Ranking den ersten Platz, da wir die Analyse als am besten gelungen empfinden. Sowohl in Bezug auf die Strukturierung, als auch auf die Verständlichkeit der Sätze wird deutlich, dass die Materie verstanden wurde. Die Differenzierung der eigenen bzw. fremden Gedanken ist uns besonders positiv aufgefallen, außerdem wurden eigene Ansichten im Text begründet. Im Verlauf der Forschungsanalyse wurde ausreichend Bezug auf die Werke Flicks genommen. Einen Kritikpunkt sehen wir in dem nicht ganz einheitlichen Literaturverzeichnis (siehe Jahreszahl). (Letzter Zugriff: 05.07.17, 11:25 Uhr)

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