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lehre:sose2017:sozialwissmeth:analysen:faehnrich:tandem24

Tandem 24

  • Tandempartner*in 1: Aydin; Dilara
  • Tandempartner*in 2: Faizi; Sadaf

Entwurfsfassung

Einleitung

Im Jahr 2009 wurde die hermeneutisch qualitative Studie von Dr. Paed. Oliver Fähnrich zum Thema „Jugendkriminalität Biographischer Kontexte straffälliger Jugendlicher“ veröffentlicht. Die Forschung hängt mit der steigenden Anzahl der Jugendkriminalität in Deutschland zusammen. Personenbezogene Daten oder die Kriminalitätstheorie wurden für das kriminelle Verhalten der Jugendlichen in den Vordergrund gestellt, wobei auf das Empfinden der Jugendlichen über die jeweilige Tat wenig Wert gelegt wurde. Somit ist dies der Schwerpunkt der Dissertation (vgl. Fähnrich, 2009, S. 6-8).

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Fähnrich folgt in seiner Dissertation der klassischen Variante der Modellbildung, am Anfang der Forschung stellt der Wissenschaftler ein Modell auf. Um auf einen vermuteten bzw. einen wirkenden Zusammenhang zu stoßen, greift der Forscher auf theoretische Wissensbestände, wie Lektüren oder Statistiken zurück. Daraus leitet Fähnrich dann Hypothesen ab (Flick u.a., 1995, S.150) Typisch für diese Vorgehensweise ist auch die Einteilung in sukzessive Kategorien, die man dann miteinander verbindet und dann auf ein Ergebnis bzw. auf eine Theorie stößt (vgl. Fähnrich, 2009, S.127). Dem Prinzip der Offenheit folgt Fähnrich nicht, da er sich in der Dissertation nicht von seinem Vorwissen befreit, auf Lektüren zu seinem theoretischen und empirischen Themenfeld nicht verzichtet und somit keine unvoreingenommene Forschung betreibt (Flick u.a.,1995, S.150).

Fragestellung, Forschungsperspektiven

“Gerade in Zeiten, in denen sich fest gefügte soziale Lebenswelten und -stile auflösen und sich das soziale Leben aus immer mehr und neueren Lebensformen und -weisen zusammensetzt, sind Forschungsstrategien gefragt, die zunächst genaue und dichte Beschreibungen liefern“ (Flick, 2015, S.17) . „Und die dabei die Sichtweisen der beteiligten Subjekte, die subjektiven und sozialen Konstruktionen ihrer Welt berücksichtigen” (Flick, 2015, S. 17). In der qualitativen Forschung achtet Fähnrich besonders auf die Subjektivität zu dem Beteiligten in dem jeweiligen Feld. Nach Flick werden aus Beobachtungen, Handlungen, Gefühlen und Einflüssen während dem Interview Daten für die Studie erhoben (vgl. Flick, 2014, S.29). Da die Biografien und Selbstdeutungen straffälliger Jugendlicher in der qualitativen Forschung eher seltener vorkommen, versucht Fähnrich den Kern seiner Arbeit auf die Selbstdeutungen der straffälligen Jugendlichen zu legen. Dabei legte er einen großen Wert auf die Aussagen der Beforschten, wie sie ihre aktuellen Lebensumstände deuten, wie sie ihre biografischen Erfahrungen einschätzen und wie sie ihre Taten begründen. Nach Flick versucht Fähnrich zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit beizutragen, auf Deutungsmuster, Abläufe und auf Strukturmerkmale aufmerksam zu machen (vgl. Flick, 2015, S. 14).

Annäherung ans Feld

Um Jugendliche Wiederholungstäter zu erreichen, wendet sich Fähnrich an das hessische Polizeikommissariat. Dem Forscher wurden 80 Personagramme und weitere Materialien von „besonders auffälligen Straftätern unter 21“ (Fähnrich, 2009, S.105) (kurz BASU21) zur Verfügung gestellt (vgl. Fähnrich, 2009, S.105). Er entscheidet sich am Anfang seiner Studie für das Selektive Sampling, denn das Theoretical Sampling beschreibt er als sehr aufwendig. Bei dem Theoretical Sampling hängt die Fallauswahl von den bereits entwickelten Konzepten und Theorien ab und dient der Weiterentwicklung (vgl. Flick, 2015, S. 295-297). Im Gegensatz zu dem Theoretical Sampling erklärt Fähnrich, dass der Forscher schon vor der Erhebung der Daten relevante Merkmale und die Größe der Stichprobe kennt und somit die Daten erst nach der Erhebung analysiert. Da zum Zeitpunkt der Befragung nur vier von zehn Jugendlichen auftauchten und die Interviews mit der Bereitschaft der Jugendlichen zusammenhängt, war es nicht mehr möglich, der Methode des Selektiven Samplings zu folgen (vgl. Fähnrich, 2009, S.120). So wurde in weiteren Institutionen nach einer möglichen Untersuchungsgruppe gesucht, die dem Profil (BASU21) entsprechen. Am Ende gelang es Fähnrich mit elf Jugendlichen ein Interview durchzuführen (vgl. Fähnrich, 2009, S.121). Dieses Problem veranlasste den Wandel eines Selektiven Sampling zu einer Art Zufallsstichprobe, welche nach Raithel aber in der quantitativen Forschung genutzt wird. Daraus schließen wir, dass es aufgrund dem Wechsel der Methoden zu einer Verzerrung in dem Ergebnis kommen könnte (vgl. Raithel, Jürgen, 2008, S. 58). Fähnrich folgt in seiner Studie einem methodischen Spektrum unterschiedlicher Ansätze, anstatt einer Einheitsmethode zu folgen und orientiert sich an den Theorien anderer Autoren (vgl. Fähnrich, 2009, S.124-126), (vgl. Flick, 2015, S. 22). Somit gelingt es ihm, „ (…) in Kapitel 6 und 7 ausgewählte Jugendliche unter Berücksichtigung relevanter Untersuchungskategorien [zu] beschreiben und schließlich im Hinblick auf kriminelles Verhalten nach objektiven Strukturmerkmalen in Verbindung mit Selbstdeutungsmustern für straffälliges Verhalten in Typen einzuteilen” (Fähnrich, 2009, S.118).

Sammlung der Daten

Eine umfangreiche Erfassung von Daten hat die Intention, Forschungsprobleme zu erklären (vgl. Flick/von Kardorff/Steinke, 2015, S. 106). Fähnrich sammelt die notwendigen Daten auf vielen verschiedenen Wegen. Hierzu verwendet er die Methoden der qualitativen Sozialforschung (vgl. Fähnrich, 2009, S. 118). Als erstes sammelt er Daten und analysiert sie, welche er dann in Merkmale eingrenzt und damit Gruppen bildet. Um dann schließlich an diese gewählte Gruppe von Jugendlichen zu gelangen, wurde mit dem hessisches Polizeikommissariat Kontakt aufgenommen, welche die Daten auf eine anonymisierte Form zur Verfügung stellte (vgl. Fähnrich, 2009, S.8). Eine weitere Methode zur Datensammlung, die für die weitere Datenerfassung in Frage kommen würde, wäre das narrative Interview nach Fritz Schütze (1976/1977) oder das Leitfadeninterview. Für diese Dissertation wählt Fähnrich die Methode des Leitfadeninterviews, denn es hat den Vorteil, dass sich die Jugendlichen aktiv an dem Interview beteiligen können und sich somit motivieren, stärker mit der Vergangenheit auseinander zu setzen und sie nicht die nötige Offenheit hatten, lange und ohne Hilfe sich über ihre Vergangenheit zu unterhalten (Fähnrich, 2009, S. 119). Die Interviews wurden von Herrn Fähnrich und dem Interviewten alleine geführt, um Verfälschungen vorzubeugen (vgl. Fähnrich, 2009, S.123). Denn je nachdem, wo man das Interview führt, hat es einen unterschiedlichen Eindruck auf den Interviewten. Durch das führen des Gesprächs mit nur seiner eigenen Person, entsteht eine vertrauliche Atmosphäre, die schließlich dazu führen kann, dass der Jugendliche sich wohler fühlt (vgl. Froschauer/ Lueger, 2003, S. 65).

Fixierung der Daten

Die Fixierung der Daten erfolgte durch die vollständige Aufzeichnung der Interviews, welche schließlich zum wörtlichen Transkribieren benutzt wurde (vgl. Fähnrich, 2009, S. 123). Doch aber nach Flick wirft die Aufzeichnung von Interviews neue Fragen der Forschungsethik auf. Hier sind die “[…] Veränderung[en] der untersuchten Situationen durch die Form der Aufzeichnung sowie der Verlust an Anonymität für die Befragten” (Zit. nach: Flick, 2014, S. 374) das Hautproblem. Dieses Problem versucht Fähnrich durch Zusicherung der Schweigepflicht und die Zusicherung, dass nur befugte Personen Zugriff auf die Aufzeichnungen haben, zu lösen (Fähnrich, 2009, S.123).

Interpretation der Daten

Zur Analyse dieser Dissertation verwendet Fähnrich die Einzelfallanalyse (vgl. Fähnrich,2009, S. 9). Er teilt nach der Datensammlung die Jugendlichen in zwei Gruppen ein, Ebene 1, die situationsbedingt ist und Ebene 2 die biografisch bedingt ist (vgl. Fähnrich, 2009, S. 9). Doch aber „Wer einen Text verstehen will, muß bereit sein, zuzuhören und sich der eigenen Voreingenommenheit gegenüber dem Inhalt stellen“ (Froschauer/Lueger, 2003, S. 83). Diese Aussage, bezogen auf die Gesprächsinterpretation zeigt, dass man seine eigene Meinung außer Acht lassen muss, um das Verständnis erbringen zu können, die Person gegenüber zu verstehen (vgl. Froschauer/Lueger, 2003, S. 83 ff). Hierzu ist in der Dissertation von Fähnrich zum finden, dass er versucht eine bislang eingegliederte Denkweise durch einen anderen Blickwinkel zu betrachten. Denn „(…) bislang [wurden die] Gründe für straffälliges Verhalten Jugendlicher in der Regel aus den unterschiedlich existierenden Kriminalitätstheorien abgeleitet und interpretiert oder personenbezogene Daten von jugendlichen Straftätern zu einem Kombinationsmuster zusammengesetzt (…)“ (Fähnrich, 2009, S. 213), wobei er in seiner These davon ausgeht, dass diese Interpretationen nicht zwangsweise identisch mit dem Empfinden der Jugendlichen ist (vgl. Fähnrich, 2009, S. 213).

Geltungsbegründung

In jeder Forschung stellt sich die Frage, inwiefern es möglich ist, die Wissenschaftlichkeit, Gültigkeit und Geltung einer qualitativen Forschung zu überprüfen und zu bewerten (vgl. Flick, 2015, S. 319). Anhand von zentralen Kriterien wie Validität, Reliabilität und Objektivität lässt sich ein Überblick über die Geltung der Forschung machen (vgl. Flick, 2015, S. 320). Hinsichtlich der Validität könnte die getroffene Entscheidung vom selektiven Sampling zu einer Art Zufallsstichprobe zu wechseln eine Verzerrung in der Forschung verursacht haben (vgl. Fähnrich, 2009, S.121). Fähnrich hat während seiner Interviews auf einige Punkte viel Wert gelegt (vgl. Fähnrich, 2009, S.123)(Kommunikative Validierung, 
Validierung der Interviewsituation
, Authentizität (vgl. Flick, 2015, S. 320)). 
Das heißt, dass Fähnrich den Untersuchten den Grund und den Inhalt der Forschung erklärt hat, auf weitere Personen im Raum verzichtet hat, Fragen und thematische Schwerpunkte der Forschung vorgelegt hat und den Untersuchten die Schweigepflicht zugesichert hat, somit kann man von einer guten und nachvollziehbaren Geltung ausgehen (vgl. Fähnrich, 2009, S.123).

Forschung als Diskurs

“An dieser Stelle werden erneut das Subjektverständnis der Forschung und die Frage nach der Einbeziehung der Erforschten zum Thema” (Flick, u.a., 1995, S.170). Dies erfolgt durch den Dialog zwischen dem Forscher und dem Beforschten. Flick ist der Meinung, dass die Ansicht der Berforschten, so authentisch wie möglich beschrieben werden sollten (Flick, u.a., 1995, S. 170). Hier gab es in der Dissertation Probleme, da nur 4 von 10 Jugendlichen zu dem Vereinbarten Termin erschienen (Fähnrich, 2009, S. 121). Doch wurden die geführten Interviews durch das vollständige wörtliche Transkribieren möglichst authentisch gemacht (Fähnrich, 2009, S. 123). Zugleich bedeutet Dialog auch die Rückmeldung der erhobenen Daten und Interpretationen und die Rückmeldung nach Abschluss der Forschung (Flick, u.a., 1995, S.170). Doch ob diese Rückmeldungen erfolgt wurden, wird in der Dissertation nicht angegeben.

Literatur

  • Flick, Uwe: „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg. (2014).
  • Flick, Uwe: „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“. Hamburg. (2007).
  • Flick, Uwe/ Von Kardorff, Ernst/ Steinke, Ines (Hg.): „Qualitative Forschung. Ein Handbuch“. Hamburg. (2015).
  • Raithel, Jürgen: „Quantitative Forschung. Ein Praxiskurs“. Wiesbaden. (2008).
  • Pfeiffer, Dietmar K./ Püttmann, Carsten: „ Methoden empirischer Forschung in der Erziehungswissenschaft. Ein einführendes Lehrbuch“. Baltmannsweiler. (2011).
  • Froschauer, Ulrike/ Lueger, Manfred: „Das qualitative Interview. Zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme“. Wien. (2003).
  • Flick, Uwe/v. Kardorff, Ernst/ Krupp, Heiner/ v. Rosenstiel, Lutz/ Wolff, Stephan: „Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. Weinheim. (1995). 3. Auflage.

Zweiter Text: Begründete Einschätzung anderer Analysen

Ranking: 1. Platz, 2. Platz, 3. Platz, 4. Platz (jeweils Tandem-Nummer eintragen)

Tandem 27, Platz 1

Die Studienanalyse von Tandem 27, haben wir im Ranking auf Platz 1 gesetzt. Die Analyse weist keine grammatikalischen Fehler auf, zudem wurde auf sprachliche Richtigkeit viel Wert gelegt. Alles ist kompakt formuliert und das wichtigste wurde genannt. Es wurden verschiedene Quellen zur Zitation benutzt, jedoch wurde an ein paar wenigen Stellen Belege vergessen (z.B. letzter Satz des ersten Abschnittes und letzter Satz des Textes von dem Punkt zur Annäherung an das Feld).

Tandem 23, Platz 2

Die Analyse von Tandem 23 haben wir im Ranking auf Platz 2 gesetzt. Sie greift viele wichtige Punkte auf, jedoch steigen sie gleich mit der Analyse ein und machen die Forschungsfrage erst etwas später klar. Im Allgemeinen ist die Analyse einfach zu lesen und leicht verständlich, es fehlen aber an einigen Stellen die Belege für die Aussagen (wie z.B. bei dem letzten Satz der Fragestellung und bei dem letzten Satz von dem Abschnitt zu der Interpretation der Daten). Dazu kommt, dass man noch etwas an der Zitation arbeiten könnte, denn es wird keine einheitliche Zitation verwendet. “Dieses Verfahren ermöglicht Vergleichbarkeit und Offenheit gegenüber andere Sichtweisen (ebd.).” Zudem weist die Analyse grammatikalische Fehler auf. “Während diesen Vorgangs soll der Autor offen für neues sei, um seine Struktur zu modifizieren” (Vgl. Flick, S. 404). An manchen Stellen der Analyse könnte man expliziter und deutlicher formulieren. “Der Grund seiner Arbeit ist, dass die bisherigen Studien nicht berücksichtigt haben, wie die Jugendlichen selbst ihr kriminelles Verhalten beurteilen.”

Tandem 17, Platz 3

Das Tandem 17 erhält die begründete Einschätzung mit dem Rang 3 von uns. Mit dem ausführlichen Einstieg in die Fragestellung, ist ein schneller Einstieg in das Thema nicht möglich, da die Einleitung mit der Fragestellung kombiniert wurde. Auf sprachliche Richtigkeit wurde geachtet, jedoch erschweren einige Hypotaxen das lesen der Analyse. „Daraus abgeleitet, möchte der Forschende die Frage beantworten, wie Jugendliche ihre aktuellen Lebensumstände und biographischen Erfahrungen selbst deuten und ob sich typische Selbstdeutungsmuster der Jugendlichen bezügliche ihrer aktuellen Lebensumstände und biographischen Erfahrungen feststellen lassen.“ Diesen Satz könnte man in kürzeren Sätzen unterteilen, somit entstehen keine Rechtschreibfehler (bezügliche ohne e). Bei dem Punkt Annährung an das Feld, sollte die Grammatik verbessert werden. „Auf diese 80 Jugendlichen kam man indem folgende Kriterien auf eine EDV-Recherche der Polizei angewandt wurden.“ Der Satz ist nicht so einfach zu verstehen und grammatikalisch nicht richtig. Positiv aufgefallen ist, dass wir der Analyse nachvollziehen können und den Punkten in der Dissertation folgen können.

Tandem 19, Platz 4

Das Tandem 19 bewerten wir mit dem Platz 4. Das Team hat sich bei der Ausarbeitung viel Mühe gegeben, was jedoch bei der Sammlung der Daten übertrieben wurde. Es wurde alles detailliert wiedergegeben, somit hat der Leser zu viele irrelevante Informationen. Wie beispielsweise, „Jeder Befragte hatte zwischen 60 und 90 Minuten Zeit, um alle Fragen ausführlich zu beantworten (vgl. S. 123).“ Deshalb empfanden wir persönlich den Punkt, Sammlung der Daten zu lang verfasst. Auf sprachliche Richtigkeit wurde geachtet. Allgemein ist der Text einfach zu lesen und gut nachvollziehbar. Als Leser hat man das Gefühl, das die Tandem Gruppe sich zu sehr auf die Dissertation konzentriert hat, wir hätten uns gerne Anmerkungen, Zitate und andere Sichtweisen von anderen Autoren gewünscht.

Dritter Text: Endfassung

Einleitung

Im Jahr 2009 wurde die hermeneutisch qualitative Studie von Dr. Paed. Oliver Fähnrich zum Thema „Jugendkriminalität Biographischer Kontexte straffälliger Jugendlicher“ veröffentlicht. Die Forschung hängt mit der steigenden Anzahl der Jugendkriminalität in Deutschland zusammen. Personenbezogene Daten oder die Kriminalitätstheorie wurden für das kriminelle Verhalten der Jugendlichen in den Vordergrund gestellt, wobei auf das Empfinden der Jugendlichen über die jeweilige Tat wenig Wert gelegt wurde. Somit ist dies der Schwerpunkt der Dissertation (vgl. Fähnrich, 2009, S. 6-8).

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Fähnrich folgt in seiner Dissertation der klassischen Variante der Modellbildung, am Anfang der Forschung stellt der Wissenschaftler ein Modell auf. Um auf einen vermuteten bzw. einen wirkenden Zusammenhang zu stoßen, greift der Forscher auf theoretische Wissensbestände, wie Lektüren oder Statistiken zurück. Daraus leitet Fähnrich dann Hypothesen ab (Flick u.a., 1995, S.150) Typisch für diese Vorgehensweise ist auch die Einteilung in sukzessive Kategorien, die man dann miteinander verbindet und dann auf ein Ergebnis bzw. auf eine Theorie stößt (vgl. Fähnrich, 2009, S.127). Dem Prinzip der Offenheit folgt Fähnrich nicht, da er sich in der Dissertation nicht von seinem Vorwissen befreit, auf Lektüren zu seinem theoretischen und empirischen Themenfeld nicht verzichtet und somit keine unvoreingenommene Forschung betreibt (Flick u.a.,1995, S.150).

Fragestellung, Forschungsperspektiven

“Gerade in Zeiten, in denen sich fest gefügte soziale Lebenswelten und -stile auflösen und sich das soziale Leben aus immer mehr und neueren Lebensformen und -weisen zusammensetzt, sind Forschungsstrategien gefragt, die zunächst genaue und dichte Beschreibungen liefern“ (Flick, 2015, S.17) . „Und die dabei die Sichtweisen der beteiligten Subjekte, die subjektiven und sozialen Konstruktionen ihrer Welt berücksichtigen” (Flick, 2015, S. 17). In der qualitativen Forschung achtet Fähnrich besonders auf die Subjektivität zu dem Beteiligten in dem jeweiligen Feld. Nach Flick werden aus Beobachtungen, Handlungen, Gefühlen und Einflüssen während dem Interview Daten für die Studie erhoben (vgl. Flick, 2014, S.29). Da die Biografien und Selbstdeutungen straffälliger Jugendlicher in der qualitativen Forschung eher seltener vorkommen, versucht Fähnrich den Kern seiner Arbeit auf die Selbstdeutungen der straffälligen Jugendlichen zu legen. Dabei legte er einen großen Wert auf die Aussagen der Beforschten, wie sie ihre aktuellen Lebensumstände deuten, wie sie ihre biografischen Erfahrungen einschätzen und wie sie ihre Taten begründen. Nach Flick versucht Fähnrich zu einem besseren Verständnis sozialer Wirklichkeit beizutragen, auf Deutungsmuster, Abläufe und auf Strukturmerkmale aufmerksam zu machen (vgl. Flick, 2015, S. 14).

Annäherung ans Feld

Um Jugendliche Wiederholungstäter zu erreichen, wendet sich Fähnrich an das hessische Polizeikommissariat. Dem Forscher wurden 80 Personagramme und weitere Materialien von „besonders auffälligen Straftätern unter 21“ (Fähnrich, 2009, S.105) (kurz BASU21) zur Verfügung gestellt (vgl. Fähnrich, 2009, S.105). Er entscheidet sich am Anfang seiner Studie für das Selektive Sampling, denn das Theoretical Sampling beschreibt er als sehr aufwendig. Bei dem Theoretical Sampling hängt die Fallauswahl von den bereits entwickelten Konzepten und Theorien ab und dient der Weiterentwicklung (vgl. Flick, 2015, S. 295-297). Im Gegensatz zu dem Theoretical Sampling erklärt Fähnrich, dass der Forscher schon vor der Erhebung der Daten relevante Merkmale und die Größe der Stichprobe kennt und somit die Daten erst nach der Erhebung analysiert. Da zum Zeitpunkt der Befragung nur vier von zehn Jugendlichen auftauchten und die Interviews mit der Bereitschaft der Jugendlichen zusammenhängt, war es nicht mehr möglich, der Methode des Selektiven Samplings zu folgen (vgl. Fähnrich, 2009, S.120). So wurde in weiteren Institutionen nach einer möglichen Untersuchungsgruppe gesucht, die dem Profil (BASU21) entsprechen. Am Ende gelang es Fähnrich mit elf Jugendlichen ein Interview durchzuführen (vgl. Fähnrich, 2009, S.121). Dieses Problem veranlasste den Wandel eines Selektiven Sampling zu einer Art Zufallsstichprobe, welche nach Raithel aber in der quantitativen Forschung genutzt wird. Daraus schließen wir, dass es aufgrund dem Wechsel der Methoden zu einer Verzerrung in dem Ergebnis kommen könnte (vgl. Raithel, Jürgen, 2008, S. 58). Fähnrich folgt in seiner Studie einem methodischen Spektrum unterschiedlicher Ansätze, anstatt einer Einheitsmethode zu folgen und orientiert sich an den Theorien anderer Autoren (vgl. Fähnrich, 2009, S.124-126), (vgl. Flick, 2015, S. 22). Somit gelingt es ihm, „ (…) in Kapitel 6 und 7 ausgewählte Jugendliche unter Berücksichtigung relevanter Untersuchungskategorien [zu] beschreiben und schließlich im Hinblick auf kriminelles Verhalten nach objektiven Strukturmerkmalen in Verbindung mit Selbstdeutungsmustern für straffälliges Verhalten in Typen einzuteilen” (Fähnrich, 2009, S.118).

Sammlung der Daten

Eine umfangreiche Erfassung von Daten hat die Intention, Forschungsprobleme zu erklären (vgl. Flick/von Kardorff/Steinke, 2015, S. 106). Fähnrich sammelt die notwendigen Daten auf vielen verschiedenen Wegen. Hierzu verwendet er die Methoden der qualitativen Sozialforschung (vgl. Fähnrich, 2009, S. 118). Als erstes sammelt er Daten und analysiert sie, welche er dann in Merkmale eingrenzt und damit Gruppen bildet. Um dann schließlich an diese gewählte Gruppe von Jugendlichen zu gelangen, wurde mit dem hessisches Polizeikommissariat Kontakt aufgenommen, welche die Daten auf eine anonymisierte Form zur Verfügung stellte (vgl. Fähnrich, 2009, S.8). Eine weitere Methode zur Datensammlung, die für die weitere Datenerfassung in Frage kommen würde, wäre das narrative Interview nach Fritz Schütze (1976/1977) oder das Leitfadeninterview. Für diese Dissertation wählt Fähnrich die Methode des Leitfadeninterviews, denn es hat den Vorteil, dass sich die Jugendlichen aktiv an dem Interview beteiligen können und sich somit motivieren, stärker mit der Vergangenheit auseinander zu setzen und sie nicht die nötige Offenheit hatten, lange und ohne Hilfe sich über ihre Vergangenheit zu unterhalten (Fähnrich, 2009, S. 119). Die Interviews wurden von Herrn Fähnrich und dem Interviewten alleine geführt, um Verfälschungen vorzubeugen (vgl. Fähnrich, 2009, S.123). Denn je nachdem, wo man das Interview führt, hat es einen unterschiedlichen Eindruck auf den Interviewten. Durch das führen des Gesprächs mit nur seiner eigenen Person, entsteht eine vertrauliche Atmosphäre, die schließlich dazu führen kann, dass der Jugendliche sich wohler fühlt (vgl. Froschauer/ Lueger, 2003, S. 65).

Fixierung der Daten

Die Fixierung der Daten erfolgte durch die vollständige Aufzeichnung der Interviews, welche dann wörtlich transkribiert wurden (vgl. Fähnrich, 2009, S. 123). Doch aber nach Flick wirft die Aufzeichnung von Interviews neue Fragen der Forschungsethik auf. Hier sind die “[…] Veränderung[en] der untersuchten Situationen durch die Form der Aufzeichnung sowie der Verlust an Anonymität für die Befragten” (Zit. nach: Flick, 2014, S. 374) das Hautproblem. Dieses Problem versucht Fähnrich durch Zusicherung der Schweigepflicht und die Zusicherung, dass nur befugte Personen Zugriff auf die Aufzeichnungen haben, zu lösen (Fähnrich, 2009, S.123).

Interpretation der Daten

Zur Analyse dieser Dissertation verwendet Fähnrich die Einzelfallanalyse (vgl. Fähnrich,2009, S. 9). Er teilt nach der Datensammlung die Jugendlichen in zwei Gruppen ein, Ebene 1, die situationsbedingt ist und Ebene 2 die biografisch bedingt ist (vgl. Fähnrich, 2009, S. 9). Doch aber „Wer einen Text verstehen will, muß bereit sein, zuzuhören und sich der eigenen Voreingenommenheit gegenüber dem Inhalt stellen“ (Froschauer/Lueger, 2003, S. 83). Diese Aussage, bezogen auf die Gesprächsinterpretation zeigt, dass man seine eigene Meinung außer Acht lassen muss, um das Verständnis erbringen zu können, die Person gegenüber zu verstehen (vgl. Froschauer/Lueger, 2003, S. 83 ff). Hierzu ist in der Dissertation von Fähnrich zum finden, dass er versucht eine bislang eingegliederte Denkweise durch einen anderen Blickwinkel zu betrachten. Denn „(…) bislang [wurden die] Gründe für straffälliges Verhalten Jugendlicher in der Regel aus den unterschiedlich existierenden Kriminalitätstheorien abgeleitet und interpretiert oder personenbezogene Daten von jugendlichen Straftätern zu einem Kombinationsmuster zusammengesetzt (…)“ (Fähnrich, 2009, S. 213), wobei er in seiner These davon ausgeht, dass diese Interpretationen nicht zwangsweise identisch mit dem Empfinden der Jugendlichen ist (vgl. Fähnrich, 2009, S. 213).

Geltungsbegründung

Bei Forschungen stellt sich die Frage, inwiefern es möglich ist, die Wissenschaftlichkeit, Gültigkeit und Geltung einer qualitativen Forschung zu überprüfen und zu bewerten (vgl. Flick, 2015, S. 319). Anhand von zentralen Kriterien wie Validität, Reliabilität und Objektivität lässt sich ein Überblick über die Geltung der Forschung machen (vgl. Flick, 2015, S. 320). Hinsichtlich der Validität könnte die getroffene Entscheidung vom selektiven Sampling zu einer Art Zufallsstichprobe zu wechseln eine Verzerrung in der Forschung verursacht haben (vgl. Fähnrich, 2009, S.121). Fähnrich hat während seiner Interviews auf einige Punkte viel Wert gelegt (vgl. Fähnrich, 2009, S.123)(Kommunikative Validierung, Validierung der Interviewsituation
, Authentizität (vgl. Flick, 2015, S. 320)). 
Das heißt, dass Fähnrich den Untersuchten den Grund und den Inhalt der Forschung erklärt und thematische Schwerpunkte der Forschung vorgelegt hat. Somit kann man von einer guten und nachvollziehbaren Geltung ausgehen (vgl. Fähnrich, 2009, S.123).

Forschung als Diskurs

“An dieser Stelle werden erneut das Subjektverständnis der Forschung und die Frage nach der Einbeziehung der Erforschten zum Thema” (Flick, u.a., 1995, S.170). Dies erfolgt durch den Dialog zwischen dem Forscher und dem Beforschten. Flick ist der Meinung, dass die Ansicht der Berforschten, so authentisch wie möglich beschrieben werden sollten (Flick, u.a., 1995, S. 170). Hier gab es in der Dissertation Probleme, da nur 4 von 10 Jugendlichen zu dem Vereinbarten Termin erschienen (Fähnrich, 2009, S. 121). Doch wurden die geführten Interviews durch das vollständige wörtliche transkribieren möglichst authentisch gemacht (Fähnrich, 2009, S. 123). Zugleich bedeutet Dialog auch die Rückmeldung der erhobenen Daten und Interpretationen und die Rückmeldung nach Abschluss der Forschung (Flick, u.a., 1995, S.170). Doch ob diese Rückmeldungen erfolgt wurden, wird in der Dissertation nicht angegeben.

Literatur

  • Flick, Uwe. „Sozialforschung. Methoden und Anwendungen Ein Überblick für die BA Studiengänge“. Hamburg.(2014)
  • Flick, Uwe: „Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung“. Hamburg. (2007).
  • Flick, Uwe/ Von Kardorff, Ernst/ Steinke, Ines (Hg.): „Qualitative Forschung. Ein Handbuch“. Hamburg. (2015).
  • Raithel, Jürgen: „Quantitative Forschung. Ein Praxiskurs“. Wiesbaden. (2008).
  • Pfeiffer, Dietmar K./ Püttmann, Carsten: „ Methoden empirischer Forschung in der Erziehungswissenschaft. Ein einführendes Lehrbuch“. Baltmannsweiler. (2011).
  • Froschauer, Ulrike/ Lueger, Manfred: „Das qualitative Interview. Zur Praxis interpretativer Analyse sozialer Systeme“. Wien. (2003).
  • Flick, Uwe/v. Kardorff, Ernst/ Krupp, Heiner/ v. Rosenstiel, Lutz/ Wolff, Stephan: „Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. Weinheim. (1995). 3. Auflage.

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