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lehre:sose2014:sozialwissmeth:analysen:tandem20

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   * Flick, Uwe. "Stationen des qualitativen Forschungsprozesses." Handbuch qualitative Sozialforschung: Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen 2 (1995). S. 148-173   * Flick, Uwe. "Stationen des qualitativen Forschungsprozesses." Handbuch qualitative Sozialforschung: Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen 2 (1995). S. 148-173
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 ===== Dritter Text: Endfassung ===== ===== Dritter Text: Endfassung =====
  
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 +==== Verhältnis Theorie-Gegenstand==== 
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 +Bei der Studie von Magnus Prangenberg, Bremen 2002, handelt es sich um eine Dissertation die sich mit der Lebenssituation von Kindern, deren Eltern als geistig Behindert gelten beschäftigtDabei soll die Lebens- und Entwicklungsrealität anhand biografischer Interviews und Erörterung der internationalen Fachliteratur erforscht werden. 
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 +Die Studie schließt dabei "[...] an die Ergebnisse und Fragestellung der Studie "Dann waren sie sauer auf mich, dass ich das Kind haben wollte..." – Eine Untersuchung zur Lebenssituation geistig behinderter Menschen mit Kindern in der BRD von Pixa-Kettner, Bargfrede und Blanken (1995 und 1996a) an." (Prangenberg, 2002, S. 19-20). 
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 +Prangenberg möchte einen Einblick in Lebensläufe von Kindern geistig behinderter Eltern geben. Dies soll retrospektiv,  aus Sicht der erwachsenen Kindern ermöglicht werden (vgl. Prangenberg, 2002, S.16). 
 +Bei der Studie handelt es sich um eine Biografie- und Milieustudie (vgl. Prangenberg, 2002, S. 19) mit qualitativer Forschungsmethodik. 
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 +Die Daten wurden aus Interviews mit (erwachsenen) Kindern von Eltern mit geistiger Behinderung entnommen. Hierbei standen die Kinder und nicht die Eltern im Fokus. 
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 +==== Fragestellung, Forschungsperspektiven==== 
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 +Als Leitfrage gilt, [...]"Wie habt ihr eure Kindheit als Kinder geistig behinderter Eltern erfahren?", als Leitsatz gilt, "Ihr seit die Experten eurer eigenen Lebensgeschichte." (Prangenberg, 2002, S. 16) 
 +Die Studie von Prangenberg sollte das zuvor nicht berücksichtigte Thema der Elternschaft von Menschen mit Behinderung behandeln und dieses aus einer neuen Sicht, nämlich der des Kindes, darstellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Deskription einer Lebenswelt (Flick, Uwe. "Stationen des qualitativen Forschungsprozesses." Handbuch qualitative Sozialforschung: Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen 2 (1995): 148-173). 
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 +Die Fragestellung ist sehr offen gehalten, was ein Merkmal für qualitative Forschung ist, was die Auswertung und Analyse der Datenmenge aber erschwert. 
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 +==== Annäherung ans Feld==== 
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 +Zunächst wurde von Prangenberg geistige Behinderung, Missbrauch, Vernachlässigung und Misshandlung und elterlicher Kompetenz definiert und bewertet. Außerdem beschäftigte er sich mit der geschichtlichen Entwicklung der Thematik. 
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 +Für Prangenberg ergab sich zu Anfang das Problem, dass die gesuchte Bevölkerungsgruppe aktenkundig nicht existiert und somit auf anderem Weg Studienteilnehmer gesucht werden mussten. Um mögliche Teilnehmer zu ermitteln, schickte Prangenberg einen Rundbrief mit anhängendem Fragebogen bundesweit an Einrichtungen und Hilfsdienste für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Mitarbeiter der Institutionen für geistig Behinderte dienten dabei als Kontaktperson[„Key Informant method“] (vgl. Prangenberg, 2002, S.120). Sie füllten die Fragebögen aus und gaben Informationen über mögliche Interviewteilnehmer.  
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 +Von den versendeten Fragebögen wurden nur einige zurückgesendet, sodass anhand der Informationen die aus den Fragebögen entnommen wurden konnten eine vergleichbar geringe Zahl an Kindern ermittelt wurden konnte. Von 368 Kindern wurden 15 Interviews für die Studie verwendet (vgl. Prangenberg, 2002, S.145). 
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 +==== Sammlung der Daten==== 
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 +Für Prangenberg kam nur eine qualitative Forschung in Frage, da nur durch diese eine Erfassung und Deutung sozialer Situationen und Bedingungen deutlich wird. 
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 +Prangenberg nutzt Studien, Diplom und Staatsarbeiten, Positionsartikel, Praxis und Erfahrungsberichte, welche er als qualitativ hochwertig empfand, um sich mit dem Thema vertraut zu machen. 
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 +Prangenberg nutzt eine Mischform aus den Verfahren des Leitfadeninterviews und des narrativen Interviewverfahrens, da dieses auch eventuell behinderten Menschen die Möglichkeit gibt ihren Lebensweg zu erzählen. Diese nennt er "leitfadenorientierte Befragung mit Freiraum für narrative Sequenzen" (Prangenberg, 2002, S.123). 
 + 
 +Auf Grundlage von Pixa-Kettner entwickelte Prangenberg Themenbereiche wie „Deutung des Selbst“, „Eltern“ und „Umfeld“, anhand von welchen er den Interviewleitfaden konstruierte (vgl. Prangenberg, 2002, S.125). Der Interviewleitfaden wurde kontinuierlich überarbeitet. 
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 +==== Fixierung der Daten==== 
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 +Bei der Aufarbeitung des Tonbandmaterials und den Biografien hat er darauf geachtet, dass „[…]eine Ausgewogenheit zwischen theoretischer Explikation des Forschers und autobiografischer Berichtserstattung des Befragten herrschen soll.“ (Prangenberg, 2002, S. 127).  
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 +Möglichst frühzeitig nach dem Interview wird ein Protokoll erstellt, welches sowohl subjektive Eindrücke, den Verlauf, die Interviewthemen und eine vorläufige biografische Konstruktion des Lebenslaufes beinhalten soll.  
 +Bei dem Prozess der Transkription der Tonbandaufnahmen beschreibt er die Aufmerksamkeit und Genauigkeit die es auf sich zieht, das Material auf Ungereimtheiten, Zwischenbemerkungen und Widersprüchen zu prüfen (vgl. Prangenberg, 2002, S. 128).  
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 +Prangenberg hält sich in Bezug auf die Sammlung der Memos nicht direkt an die „Groundet Theory“ nach Glaser und Strauss (1967). Er beschreibt: „Die Memos dienen dabei nicht wie in der „Grounded Theory“ als Produkt einer Arbeitssitzung eines Forschungsteams (vgl. ders., 151ff.), sondern bieten eine Dokumentation und Sicherung der einzelnen Arbeitsschritte.“ (Prangenberg, 2002, S.128). So soll aus seiner Sicht für ein Gütekriterium  und einer Sicherung und Rücküberprüfung gesorgt werden.  
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 +Die anschließenden Bearbeitungen der Kurzbiografien,  sollen den ersten Analyseschritt darstellen und ein erster Überblick gegeben werden. Außerdem schreibt Prangenberg: „Durch die Kurzbiografien soll eine Grundlage für die spätere Einzelfallauswertung gelegt werden, lassen sich durch den Vergleich der reduzierten Lebensgeschichten erste „Typen“ vorsichtig charakterisieren und für eine spätere Auswahl qualifizieren.“ (Prangenberg, 2002, S.130).  
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 +==== Interpretation der Daten==== 
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 +Bei der Auswertung der Daten hat sich Prangenberg an einem Raster von Schmidt, Haupert, Bortz und Döring orientiert. Die Daten sollen dabei nach der „systematisch thematischen Analyse“ von Faraday und Plummer ausgewertet werden (vgl. Prangenberg, 2002, S.126). 
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 +Bei der Interpretation der Texte geht Prangenberg von einer „unmethodischen intuitiven“ Form der Deutung aus. Demnach werden Botschaften und Äußerungen „natürlich“ verstanden und interpretiert (vgl. Prangenberg, 2002, S. 130).  Prangenberg hat bei der Textinterpretation zwei Herangehensweisen (vgl. Prangenberg, 2002, S. 131). 
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 +**1. Themenorientierte Auswertung:** 
 +Bei dieser Herangehensweise werden Themengruppen und Kernthemen, welche im Lebenslauf der Kinder von Eltern mit Behinderung auftreten gesammelt. Diese Kategorien werden im folgendem journalistisch-deskriptiv dargestellt.  
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 +Bei der technischen Aufarbeitung hat sich Prangenberg „stark am Verfahren der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1997) orientiert“ (Prangenberg, 2002, S.131). Zunächst wird eine zusammenfassende Inhaltsanalyse erstellt, welche die wesentlichen Kerninhalte enthält. Im ersten Schritt wird paraphrasiert, generalisiert und reduziert und die überbleibenden Textpassagen in Kategorien und Subkategorien geordnet. Im zweiten Schritt werden unklare Textstellen verglichen und geklärt. Dieser Schritt wird die explizierende Inhaltsanalyse genannt. Im letzen Schritt, der strukturierenden Inhaltsanalyse, wird ein Kategorieschema erstellt und die Endauswertung vorgenommen. Prangenberg hat hierbei nur eine inhaltliche Zielrichtung verfolgt.  
 +Relevante Themen sind zum Beispiel „Elterliche Kompetenz“, „Alltag der Kinder“ und „heutige Lebenssituation“. 
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 +**2. Einzelfallorientierte Auswertung:** 
 +Die Einzelfallorientierte Auswertung konzentriert sich auf  die Reaktionen der Kinder auf das Erlebte und erlernte Handlungsmuster. Die im gesamten Kontext betrachtete Lebensgeschichte wird im weiteren Verlauf mit anderen verglichen, um so Besonderheiten hervorzuheben. Hierbei hat sich Prangenberg an dem Auswertungsverfahren nach Schütze orientiert, bei welchem keine Sortierung nach Thema oder Ereignis stattfindet (vgl. Prangenberg, 2002, S.133). 
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 +Im ersten Schritt werden Einzelfälle ausgewählt. Die Auswahl erfolgt bei Prangenberg nach dem Prinzip des minimalen und maximalen Vergleiches. Bei diesem werden bestimmte Einzelfälle anhand von Kriterien ausgewählt. 
 +Im zweiten Schritt werden die Texte zur temporären, thematischen oder dramturgischen Überschaubarkeit sequenziert. Die Themenschwerpunkte der Sequenzen werden schon während des Erzählens vom Interviewten festgelegt (vgl. Prangenberg, 2002, S.134). 
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 +Im dritten Schritt werden die inhaltlich relevanten Aspekte isoliert, um Begründungen und Handlungsketten nachvollziehbar zu machen. Dadurch wir ein Hineinleben in der Text ermöglicht.  
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 +Der vierte Schritt, die analytischen Abstraktion, teilt sich in „Die biografische Gesamtformung“ und die „autobiografische Thematisierung“. (Prangenberg, 2002, S. 135). Zum einen soll die gesamte Lebensgeschichte betrachtet  und zum anderen genauer auf den Umgang der Kinder mit den bestehenden Problemen geschaut werden. 
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 +Im fünften Schritt werden die Einzelfälle verglichen, wobei keine Verallgemeinerung das Ziel ist, sondern viel mehr eine Analyse von Ähnlichkeiten und Wiedersprüchen. Aus diesem Schritt ergeben sich für Prangenberg auch neue Fragestellungen (vgl. Prangenberg, 2002, S. 135-136). 
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 +Bei der Darstellung der Daten konzentriert sich Prangenberg auf inhaltliche Aspekte und rückt das methodische Vorgehen in den Hintergrund. So sollen ausschließlich „zentrale Ergebnisse der themenorientierten Auswertung auf Grundlage der Einzelfallauswertung“ (Prangenberg, 2002, S. 136) dargestellt werden.  
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 +==== Geltungsbegründung==== 
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 +Prangenberg hat sich selbst zum Ziel gesetzt, „sich aus dem Machtverhältnis eines standardisierten Verfahrens zu lösen und eine Offenheit zur Erörterung möglicherweise tabuisierter Themenkomplexe zu ermöglichen“ (Prangenberg, 2002, S.118).  Es lässt sich erkennen, dass ein großer Aufwand bei der Datensammlung in Kauf genommen wird um die Ziele einer qualitativen Forschung zu verwirklichen. 
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 +Zu bemängeln ist, dass nur Prangenberg selbst die Befragung und die Auswertung der Daten ausgeführt hat und so nur seine subjektive Sichtweise und Analyse in die Studie mit einfließt.   
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 +Kritisch zu beurteilen ist die Transparenz des Vorgehens in der Studie von Prangenberg. So merkt er selbst an: „Eine Darstellung der einzelnen Analyseschritte der themenorientierter Auswertung und der Einzelfälle wäre im Sinne der Transparenz methodischer Vorgehensweisen sicherlich wünschenswert, aber aufgrund der ausufernden Fülle des Materials schlichtweg nicht zu realisieren.“(Prangenberg, 2002, S.136). 
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 +Durch das Arbeiten mit vorangegangenen internationalen Studien, wird Prangenberg unserer Meinung nach eventuell negativ beeinflusst und bringt subjektive Eindrücke in die Studie ein, welche Einfluss auf die Aussage der Studie haben könnten. Dies wird deutlich wenn Prangenberg zum Ende seiner Studie seinen Titel hinterfragt: „Ein wesentliches Fazit dieser Arbeit liegt für mich in der Feststellung, dass der Titel der Arbeit zu hinterfragen ist, denn es gibt keine Kinder geistig behinderter Eltern. Es gibt allenfalls Risikokinder, deren Eltern u.a. eine geistige Behinderung aufweisen.“(Prangenberg, 2002, S. 330). Diese Selbstkritik empfinden wir als positiv. 
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 +==== Forschung als Diskurs==== 
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 +Bei Prangenbergs qualitativer Studie über das Thema „Zur Lebenssituation von Kinder deren Eltern als geistig behindert gelten“, ist der Diskurs zwischen Befragtem und Forscher von besonderer Bedeutung. Da Prangenberg seine Fragestellung zu Anfang sehr offen hält, prägen die Gespräche mit den Studienteilnehmern den Fortlauf der Studie wesentlich. 
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 +Es geht nicht hervor welche Auswirkung die Studie auf die Studienteilnehmer hatte. Außerdem haben die Ergebnisse keinerlei Einfluss auf die Lebensumstände und bieten auch kein Nutzen für die Praxis. 
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 +==== Literatur ==== 
 +  * Prangenberg, Magnus 2002: Zur Lebenssituation von Kindern, deren Eltern als geistig behindert gelten. Eine Exploration der Lebens- und Entwicklungsrealität anhand biografischer Interviews und Erörterung der internationalen Fachliteratur. Bremen. 
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 +  * Flick, Uwe. "Stationen des qualitativen Forschungsprozesses." Handbuch qualitative Sozialforschung: Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen 2 (1995). S. 148-173 
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