Inhaltsverzeichnis

Tandem 11

Erster Text: Entwurfsfassung

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Im Folgenden soll die Studie „Lernen und Lehren mit Medien und über Medien: der mediale Habitus und die Ausbildung medienpädagogischer Kompetenz bei angehenden Lehrkräften“ von Sue-Ann Bäsler aus dem Jahre 2019 analysiert werden. Bäsler untersucht in ihrer Studie einerseits die Relation der beiden Komponenten medienpädagogische Ausbildung und medialer Habitus von Lehramtsstudierenden, andererseits die Frage nach möglichen Effekten auf den medialen Habitus durch die universitäre Ausbildung (vgl. Bäsler, 2019, S. 59). Es handelt sich um eine qualitative Studie. Qualitative Forschung lege den Fokus laut Flick weniger auf die Überprüfung offenkundiger Theorien, sondern mehr auf die Exploration neuer Hypothesen (vgl. Flick, 2009, S.25). Deckungsgleich zu dieser Anforderung wird der Untersuchungsgegenstand bei Bäslers Studie in kritischer Auseinandersetzung mit den vorher eingeführten Theorien zum aktuellen Forschungsstand entwickelt (vgl. Bäsler, 2019, S.9f.). Darüber hinaus werde bei Studien mit einem qualitativen Forschungsdesign kein theoretisches Modell des Gegenstandes verwendet und infolgedessen auf Operationalisierung und Hypothesen verzichtet. Eine Standardisierung der Untersuchungssituation, Repräsentativität durch zufällige Auswahl der Probanden und messbare Indikatoren rücke in den Hintergrund. Stattdessen würden die Studienteilnehmer gezielt ausgewählt und die Datenerhebung offen gestaltet, mit dem Ziel den subjektiv gemeinten Sinn des Untersuchungsgegenstandes nachvollziehen zu können (vgl. Flick, 2009, S. 25). Bei Bäsler erfolgt keine explizite Auseinandersetzung mit dem Prinzip der Offenheit, jedoch lässt sich feststellen, dass sich Bäsler in der vorliegenden Studie zu Beginn auf drei Grundannahmen stützt und somit keine Suspendierung des Vorwissens stattfindet (vgl. Bäsler, 2019, S. 59).

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Wie bereits gesagt, gehen der genannten Fragestellung drei Grundannahmen voraus, die zu Beginn der Studie von Bäsler benannt werden (vgl. Bäsler, 2019, S.59). Im Rahmen der Studie wird demnach nicht nur die Korrelation von medienpädagogischer Ausbildung und medialem Habitus untersucht, auch die Auswirkungen der universitären Ausbildung werden erörtert. Somit steht die Beantwortung zweier Forschungsfragen im Interesse der Untersuchung. Die Dissertantin Bäsler greift durch die Fragestellungen in ihrer Forschungsarbeit demnach eine gesellschaftlich relevante Problemstellung auf, die mittels der Beantwortung dieser Vorteile bringen soll. Ihr Leitsatz korrespondiert mit Uwe Flicks Anforderungen an Forschungsfragen in quantitativer und qualitativer Forschung. Fragestellungen sollten laut Flick theoretisch begründet und eingegliedert in eine bestimmte Forschungsperspektive sein. Darüber hinaus gelte es, die Forschungsfragen so zu formulieren, dass sie mithilfe der Methoden der Sozialwissenschaft behandelbar seien (vgl. Flick, 2009, S.38f.). Es gebe verschiedene Gründe für den Entwurf von Forschungsproblemen, so beispielsweise alltagstypische Probleme, fehlende Daten oder die Überprüfung von Theorien. Auf Grundlage dessen entwicklen sich Fragestellungen, die gegenwärtige Zustände oder Prozesse beschreiben und sich, wenn möglich, auf den bisherigen Forschungsstand beziehen (vgl. Flick, 2009, S.35f.). So wird auch in Bäslers Studie Bezug auf den bisherigen Forschungsstand genommen, der sowohl den medialen Habitus, als auch medienpädagogische Kompetenz international betrachtet (Bäsler, 2019, S.22f.) Die gewählte Forschungsperspektive zielt auf die Deskription von Lebenswelt, sozialem Handeln und sozialen Milieus ab. Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine Querschnitts- und Vergleichsstudie. Die Autorin thematisiert diesbezüglich im Schluss der Forschungsarbeit, dass durch den gewählten Ausschnitt ein begrenzter Zugang zu einigen Aspekten entstehen könne, der mit einem anderen Forschungsausschnitt behoben werden könne (vgl. Bäsler, 2019, S. 187).

Annäherung ans Feld

Laut Flick nehme der/die Forscher_in im Forschungsfeld eine bestimmte Rolle ein, die letztlich darüber entscheide, welche Informationen er/sie im Rahmen seiner/ihrer Arbeit erhalte (vgl. Flick, 1995, S. 154). Umso wesentlicher ist es, den Zugang zum Feld geschickt zu gestalten. Bei Bäsler erfolgt der Feldzugang mittels sechs den Forschungsfragen untergliederten Fragestellungen. Diese beschäftigen sich mit der Rolle der Medien und der der Medienbildung im Studium der Lehramtsstudierenden. Außerdem zielen die Fragen auf die Bewertung der Lehramtsstudierenden hinsichtlich der Themen Medienbildung und schulischer Medienerziehung ab. Zuletzt wird explizit nach dem medialen Habitus der Lehramtsstudierenden gefragt und darüber hinaus, welche medienbezogenen Vorstellungen diesen prägen (vgl. Bäsler, 2019, S.59f.). Auf Grundlage dessen wird ein Interviewleitfaden entwickelt, der mehrfach erprobt wird. Im Zuge der Probeinterviews ergeben sich schließlich „vier zentrale Fragen sowie eine These, auf die die Studierenden antworten bzw. reagieren sollten“ (Bäsler, 2019, S.64). Motivation dafür ist, den Studierenden angemessen zu begegnen und gleichzeitig einen dynamischen Ablauf des Interviews mit der Intention einer möglichst offenen Befragung zu erlangen (vgl. Bäsler, 2019, S.65). Sicherlich solle mit dieser Annäherung auch die sukzessive Einnahme einer Innenperspektive erreicht werden, die es dem/der Forscher_in erlaubt, seinen/ihren Fremdenstatus zu reduzieren und tieferen Einblick in die Perspektive des Erforschten zu erhalten (vgl. Flick, 1995, S.154f.). Bezüglich des Verhältnisses von Forscherin und Beforschten lässt sich im Hinblick auf die Wahl des Telefoninterviews als Befragungsmethode sagen, dass eine gewisse Distanz zwischen den beiden Akteuren geschaffen wird, da Bäsler die Probanden nicht persönlich kennenlernt und somit eher die Rolle der Besucherin als der Initiantin einnimmt. Die explizite Rolle der Forscherin im Feld und die damit einhergehenden Effekte auf die Ergebnisse werden jedoch kaum thematisiert. Wünschenswert wäre eventuell eine stärkere Teilnahme der Forscherin im universitären Alltag der Befragten gewesen, insbesondere im Hinblick auf eine verbesserte Vergleichbarkeit beider Kohorten.

Sammlung der Daten

Zur Datenerhebung wählt Bäsler unteranderem die Studie zum medialen Habitus von Kommer und Biermann (2012) und zur medienpädagogischen Kompetenz von Blömeke (2003) als Ausgangspunkt ihrer Forschung (vgl. Bäsler, 2019, S.60). Im weiteren Verlauf der Sammlung von Daten entscheidet sich die Autorin für ein halb-offenes Leitfadeninterview als Erhebungsinstrument, es liegen also verbale Daten vor. Ihre Intention ist hierbei, eine flexible Interviewsituation zu erzeugen, die es dem/der Interviewenden ermöglicht, auf Fragen zurückzukommen (vgl. Bäsler, 2019, S.62). Somit werden die Daten sowohl von der Forscherin als auch dem beforschten Subjekt strukturiert. Laut Flick kennzeichne diese Tatsache das rekonstruktive Verfahren des Leitfadeninterviews. Eine besondere Schwierigkeit bestehe hierbei für den/die Forscher_in: Das Entwickeln einer dynamischen und konstanten Befragung, die sich entlang des Leitfadens orientiert (vgl. Flick, 1995, S.158). Eventuell auftretende Hindernisse in Bezug auf das Datenerhebungsinstrument werden in Bäslers Studie nicht thematisiert.

Fixierung der Daten

Bäsler zeichnet die mit Skype aufgenommenen Interviews ihrer Studie im mp3-Format auf, jene die telefonisch geführt werden, im amr-Format. Die Audiodatei wird im Hinblick auf die Transkription ebenfalls in ein mp3-Format konvertiert (vgl. Bäsler, 2019, S.67). Flick hebt hervor, dass mit dieser modernen Form der Aufzeichnung einerseits Flexibilität einhergehe, andererseits dies aber auch ein Verlust der Anonymität für die Befragten bedeute. Darüber hinaus könne eine zu starke Präsenz der Aufzeichnung die Natürlichkeit der Situation negativ beeinflussen (vgl. Flick, 1995, S.160f.). Die von externen Personen durchgeführte Transkription in Bäslers Studie ergibt Datenmaterial von 8-13 Seiten pro Interview (vgl. Bäsler, 2019, S.67). Die Daten werden anschließend in drei Schritten ausgewertet, dabei orientiert sich die Autorin an der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010,2012).

Interpretation der Daten

Verschiedene Aspekte seien bei der Interpretation relevant. Zum einen sei wichtig, woher die in den Daten vermuteten Zusammenhänge entwickelt werden. Außerdem sei zu erörtern, wie die Kategorien entstanden sind und wie die Daten diesen zugeordnet werden. Zuletzt muss das Ziel der Interpretation festgelegt sein (vgl. Flick, 1995, S.163). Anhand der vorliegenden Studie lässt sich jedoch nur der zuletzt genannte Punkt erkennen. Um die gesammelten Daten angemessen interpretieren zu können, werden Fragen, die an die Forschungsfragen angelehnt sind, gestellt. Zum einen wird nach der Entwicklung des medialen Habitus im Laufe der universitären Ausbildung und den Beitrag der jeweiligen Universitäten und zum anderen nach günstigen und ungünstigen Einflüssen durch die Ausbildung auf die Entwicklung des medialen Habitus gefragt. Diese Fragen leiten die Interpretation zwischen den verschiedenen Kategorien. Auf jede Interpretation folgt ein Fazit (vgl. Bäsler, 2019, S.147f.). Für die Analyse wird die induktive Kategoriengewinnung angewendet. So lässt sich mithilfe des Materials Haupt- und Subkategorien ableiten, die nochmals auf ihre Qualität geprüft werden. Mithilfe eines Kodierleitfadens lassen sich die Textpassagen einer Kategorie zuordnen. Anschließend werden die Ergebnisse der Kategorienbildung entlang eines Leitfadens verschriftlicht. Dann werden die gewonnen Daten interpretiert. Zuletzt erfolgt eine computergestützte Auswertung in sieben Schritten, bei der das Material auf allgemeingültige Kategorien (Mayring, 2010) reduziert wird (vgl. Bäsler, 2019, S.68f.). Die Auswahl des Verfahrens der qualitativen Inhaltsanalyse ist als positiv zu bewerten, da mithilfe dieser das Material signifikant reduziert wird.

Geltungsbegründung

Geltungsbegründung meint laut Flick, wie der/die Forscher_in vorgehen müsse, um die Qualität der Ergebnisse seiner/ihrer Forschung abzusichern und zu beweisen. Dazu trete ins Interesse, wie Evidenzen entstehen und wie sich diese stützen sowie darstellen lasse (vgl. Flick, 1995, S.167). Das Ziel laute also, „den kreativen Umgang des Forschers mit seinem Material durch mehr oder minder formale Schritte und Kriterien im Sinne kontrollierter Subjektivität nachvollziehbar werden zu lassen“ (Flick, 1995, S.167). Um dieses Ziel zu erreichen, sollen im Sinne qualitativer Sozialforschung die klassischen Gütekriterien auf die Forschung bezogen werden. Die Forscherin zieht zur Bestimmung der Zuverlässigkeit ihrer Ergebnisse (Reliabilität) das Verfahren der „Interkodierreliabilität“ heran, welches laut Mayring allerdings problematisch sei (vgl. Mayring, 2010, S.117). In Bäslers Studie wird als Methode der Validität das „Außenkriterium“ angewendet, bei der ähnliche Untersuchungen zum Vergleich herangezogen werden (vgl. Bäsler, 2019, S.76). Das Kriterium der Objektivität wird außer Acht gelassen. Gütekriterien werden in Bäslers Studie zwar thematisiert, jedoch nur dürftig. Grund hierfür könnte sein, dass die klassischen Gütekriterien ursprünglich für standardisierte Forschung konzipiert wurden und lediglich modifiziert auf qualitative Forschungsdesigns bezogen werden können (vgl. Flick, 2014, S.412). Um dennoch die Qualität qualitativer Forschung zu bestimmen, sollen dementsprechend weitere Kernkriterien zur Überprüfung herangezogen werden (vgl. Steinke, 2013, S.319f.). In diesem Zusammenhang sind die intersubjektive Nachvollziehbarkeit, die empirische Verankerung sowie die Limitation von Bedeutung. Bäsler wählt als Methode der Datenauswertung die qualitative Inhaltsanalyse, die sich laut Mayring zur intersubjektiven Nachvollziehbarkeit größerer Datenmengen eigne (vgl. Mayring & Hurst, 2005, S.436). Steinke betont weiterhin, dass die Dokumentation des Forschungsprozesses als Hauptmerkmal gesehen werden könne (vgl. Steinke, 2013, S.324). Die Studie von Bäsler lässt keinen der von Steinke angeführten Punkte außer Acht, was die Dokumentation des Forschungsprozesses angeht. In Kapitel 1 „Theoretischer Rahmen und Fragestellung“ wurden die Vorverständnisse von Bäsler dargestellt (vgl. Bäsler, 2019, S.9f.). Die Dokumentation der Erhebungsmethoden, Transkriptionsregeln, Daten, Auswertungsmethoden, Informationsquellen, Entscheidungen und Problemen wird stringent beachtet, wodurch Transparenz erzeugt wird. „Transparenz wird“, so Flick, „nur dann geschaffen, wenn Forschung im Sinne der größtmöglichen Nachvollziehbarkeit auch so dargestellt wird, dass Leser die methodischen Entscheidungen und Vorgehensweisen einer Studie möglichst detailliert beurteilen können“ (Flick, 2014, S. 421). Die qualitative Inhaltsanalyse ist ein kodifiziertes Verfahren, was einerseits dem Leser die Überprüfung der Nachvollziehbarkeit erleichtere (vgl. Steinke, 2013, S. 326) und mit der andererseits gewährleistet werde, dass die Erkenntnisse empirisch verankert sein (vgl. Steinke, 2013, S. 328). Im Schluss der Forschungsarbeit werden zudem die Grenzen thematisiert. Steinke beschreibt Limitation als Kriterium, welches „die Verallgemeinerbarkeit einer im Forschungsprozess entwickeln Theorie herausfinde und prüfe“ (Steinke, 2013, S. 329). Positiv zu erwähnen ist, dass in Bäslers Forschungsarbeit insbesondere auf die Grenzen der Aussagekraft des Ergebnisses eingegangen wird, da die befragten Lehramtsstudenten laut Bäsler in ihrem Referendardienst in einem längsschnittlichen Forschungsdesign hätten weiterbefragt werden müssen, um die Forschungsfrage endgültig zu beantworten (vgl. Bäsler, 2019, S. 187).

Literatur

Bäsler, Sue-Ann, Lernen und Lehren mit Medien und über Medien, der mediale Habitus und die Ausbildung medienpädagogischer Kompetenz bei angehenden Lehrkräften, 2019, Berlin. http://d-nb.info/1178524981 (zuletzt abgerufen: 13.06.2019)

Flick, Uwe, Sozialforschung, Methoden und Anwendungen, 2009, Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Flick, Uwe, Handbuch Qualitative Sozialforschung, Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen, 1995, Weinheim, 2. Auflage Beltz / Psychologie Verlags Union.

Flick, Uwe, „Gütekriterien qualitativer Sozialforschung“, in: Nina Baur, Jörg Blasius (Hrsg.), Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, 2014, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden.

Mayring, Philipp, Qualitative Inhaltsanalyse, 11.Auflage, 2010, Weinheim: Beltz

Mayring, Philipp & Hurst, Alfred (2005), „Qualitative Inhaltsanalyse“, In L.Mikos & C.Wegener (Hrsg.), Qualitative Medienforschung, Ein Handbuch (S. 436-444), UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz.

Flick/von Kardoff/Steinke, Qualitative Forschung, 10. Auflage, 2013, Hamburg, Rowohlt. S. 319-331.

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