Inhaltsverzeichnis

Tandem 04

Endabgabe

Einleitung

Die heutige Gesellschaft ist deutlich von vielfältigen Prozessen der Mediatisierung und Digitalisierung geprägt (vgl. Goetz, 2018, S.1). Ilka Goetz befasst sich in ihrer Dissertation ,,Steuerungsmechanismen zur Sicherstellung der Medienbildung in Kindertagesstätten” aus dem Jahr 2018 mit frühkindlicher Medienbildung. Sie untersucht inwieweit eine frühe Medienbildung im Land Berlin gelingt. Um zu einer umfassenden Theoriebildung zu gelangen, geht Goetz mehrperspektivisch und multimethodisch vor. (vgl. ebd., S. 139)

Verhältnis Theorie-Gegenstand

Das Forschungsverfahren von Ilka Goetz ist größtenteils qualitativ ausgerichtet. Der erste Forschungsausschnitt stellt jedoch ein quantitatives Verfahren dar. (vgl. Goetz, 2018, S. 123) Bei der quantitativen Forschung werden zunächst Hypothesen aufgestellt, die dann genauer untersucht werden. (vgl. Flick, 2009, S.25) Ziel qualitativer Forschung ist es hingegen, aus neu gewonnenen Erkenntnissen Hypothesen zu entwickeln und in Theorien auszuführen. (vgl. Flick 2009, S. 25) Als Untersuchungsgegenstand wählt Goetz die Gelingensbedingungen frühkindlicher Medienbildung. (vgl. Goetz, 2018, S. 120) Dabei stellt sie die Theorie auf, dass Kinder ,,für die mediale Aneignung von Welt […] vielfältige Möglichkeiten zur Auseinandersetzung benötigen” (ebd., S.1)

Fragestellung, Forschungsperspektiven

Im Bereich der Sozialforschung sollte nach Uwe Flick die Forschungsfrage eine „gesellschaftlich relevante Problemstellung aufgreifen“ (Flick, 2009, S. 38) und die Beantwortung dieser einen Nutzen mit sich bringen (vgl. ebd.). Ilka Goetz geht in ihrer Dissertation folgender Frage nach: „Auf welchem Stand befindet sich die frühe Medienbildung im Land Berlin und welche Gelingensbedingungen werden für eine erfolgreiche Umsetzung identifiziert“ (Goetz, 2018, S. 120). Ihr Forschungsziel liegt darin herauszufinden, inwieweit förderliche Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten des Landes Berlin durch die Fachkräfte berücksichtigt werden und welche Gelingensbedingungen notwendig sind, um eine Integration der Medienbildung in Einrichtungen der frühen Bildung bundesweit zu ermöglichen (vgl. ebd S.120). Ihre Forschungsfrage greift eine gesellschaftliche Problemstellung auf. Flick äußert zudem, dass die Formulierung einer wissenschaftlichen Fragestellung Aussagen darüber trifft, welche Methoden für den Forschungsprozess angemessen sind und wer (Institution, etc.) oder was (Prozesse, etc.) in die Untersuchung miteinbezogen werden (vgl. Flick, 1999, S. 69). Aus Goetz Fragestellung wird dies nicht ersichtlich. Der Begriff „Frühe Medienbildung“ könnte sich zwar auf Kindertagesstätten beziehen, aber ebenso auf eine andere Institution. Im Rahmen ihrer Arbeit legt sich die Autorin klar auf einen bestimmten Forschungsausschnitt und eine Forschungsperspektive fest. Sie beschränkt sich auf Kindertagesstätten im Land Berlin und legt ihren Fokus auf die handelnden Akteure der Institutionen. Leitung, Erzieher*innen und Eltern (vgl. Goetz, 2018, S. 120).

Es wird klar, dass das Basisdesign ihrer Arbeit ein trianguliertes Forschungsdesign ist. Triangulation bedeutet, dass mit Hilfe verschiedener Methoden unterschiedliche Perspektiven auf einen Forschungsgegenstand herangezogen werden (Flick, 2004, S. 12). Es handelt sich also um ein qualitativ multiperspektivisch konzipiertes Forschungsverfahren. Goetz erhebt ihre Daten durch die schriftliche Befragung einer Stichprobe und späterer Gruppendiskussionen anhand von Samplings, um auf eine zeitlich und personell aufwendigere Komplettbefragung verzichten zu können (vgl. Goetz, 2018, S. 166). Sie setzt ihre Untersuchung mithilfe der heuristischen Sozialforschung durch und bezieht dabei wesentliche Positionen der Grounded Theory mit ein (vgl. ebd. S.123). Im Zuge dieser finden die Erhebung der Daten, deren Analyse sowie die Entwicklung einer Theorie stets im wechselseitigen Ablauf statt. Es ergibt sich also ein zirkulärer Prozess. Heuristische Sozialforschung meint die Konzeption des Forschungsprozesses als Dialog zwischen Forschendem und Forschungsgegenstand und zielt dabei auf die Entdeckung von etwas Neuem ab (vgl. ebd. S.125f.).

Annäherung ans Feld

Die Auswahl der einbezogenen Institutionen trifft die Forschende mithilfe einer geschichteten Zufallsstichprobe. Dabei fand die Einteilung in die einzelnen Schichten anhand der Kriterien Trägerschaft, stadtbezirkliche Verteilung und Größe der Einrichtung statt (vgl. Goetz, 2018, S.166). Die Annäherung an das Feld findet in drei verschiedenen Feldern statt. Durch den/die Leiter*in, die Erzieher*innen und die Eltern. Der Zugang zum Forschungsfeld erfolgt dabei über die Leitung der Kindertagesstätte. Dadurch wird eine direkte Absprache mit der Institution möglich (vgl. ebd.). Die Auswahl der Erzieher*innen für die spätere Gruppendiskussion erfolgt durch Vorauswahl und in Absprache mit der Leitung (vgl. ebd. S.167). Die Autorin weist ausdrücklich darauf hin, dass sie sich bewusst ist, dass die Auswahl durch die Leitung in der Interpretation der Daten beachtet werden muss (vgl. ebd. S.124). Der zweite Forschungsabschnitt findet im Praxisfeld statt, wodurch die Forscherin in die Interaktion der Akteur*innen mit eingebunden wird (vgl. ebd., S. 124). Dabei nimmt sie die Rolle der Beobachterin wahr. Ob sie dadurch einen Einfluss auf die Diskussion der Gruppe hat, reflektiert sie nicht. Ihre Beziehung zu den Teilnehmenden in Bezug auf Nähe und Distanz bleibt für die Lesenden unklar.

Sammlung der Daten

Die Sammlung der Daten erfolgt einerseits durch die Befragung und andererseits durch die Gruppendiskussion. Der erste Forschungsabschnitt beinhaltet die Befragung, die Goetz quantitativ durch führt. Laut Flick ist es wichtig eine repräsentative Stichprobe zu befragen, sodass von dieser auf die Grundgesamtheit geschlossen werden kann (Flick, 2009, S. 87). Goetz kommt diesem nach und wählt die geschichtete Zufallsstichprobe (vgl. Goetz, 2018, S.167). Diese Art von Zufallsstichprobe stellt eine komplexe Zufallsauswahl dar, bei der die Grundgesamtheit in mehrere Teil- Grundgesamtheiten geteilt wird (vgl. ebd., S. 89). Dieses Verfahren ermöglicht eine genaue Abbildung der Verteilung nach Bezirken und Trägerschaft. Zur Befragung der Stichprobe verwendet Götz drei verschiedene Fragebögen, die auf die jeweiligen Perspektiven abgestimmt sind (vgl. Goetz, 2018, S.170). Die leicht voneinander abweichenden Fragen tragen dazu bei, dass eine möglichst konkrete Auswertung der Daten realisierbar wird. Im weiteren Verlauf der Forschung nutzt Goetz die qualitative Methode und wählt ein Sampling für die Gruppendiskussion. Durch die Auswertung der Daten der schriftlichen Befragung entstehen einige Differenzen, welche die Forscherin in diesem Schritt genau unter die Lupe nimmt (vgl. Goetz, 2018, S. 427). Das Sampling wählt sie dabei in Abhängigkeit von der Beteiligung der vorherigen Befragung (vgl. ebd., S.168). In der qualitativen Forschung sind die einzelnen Forschungsabschnitte stärker miteinander verknüpft und weisen eine Zirkularität auf (vgl. Flick, 2009, S. 75). Das bedeutet, in einem zyklischen Prozess wiederholen sich die Schritte der Auswertung und Sammlung von Daten. Goetz strukturiert die gewonnenen Ergebnisse, vergleicht diese, entwickelt Theorien und formuliert neue Fragen. Anschließend nimmt sie diese mit in weitere Gruppendiskussionen (vgl. Goetz, 2018, S. 127).

Fixierung der Daten

Für die Verwendung und spätere Auswertung der Daten ist eine Dokumentation dieser von großer Bedeutung (vgl. Flick, 2009, S. 67). Um solch einer kontinuierlichen Dokumentation gerecht zu werden, nutzt die Forscherin Kategorien und Code-Systeme sowie das Aufnehmen von Memos, um Zwischenergebnisse festzuhalten (vgl. Goetz, 2018, S. 429). Unterstützend dazu verwendet sie das Softwareprogramm MAXQDA (vgl.ebd., S.160). Die genannten Aspekte beschreiben vor allem, wie die Forscherin die Ergebnisse der Gruppendiskussion fixiert. Für den/die Leser*in bleibt jedoch unklar, wie die Daten der Fragebögen fixiert werden.

Interpretation der Daten

Ilka Goetz zieht zur Dokumentation ihrer Daten und zur Theorieentwicklung die Software MAXQDA heran. Diese sorgt vor allem für eine transparente und nachvollziehbare Darstellung ihrer Ergebnisse und ist vor allem für die inhaltliche Analyse von Bild-, Audio- und Videodateien wie beispielsweise bei Interviews geeignet (vgl. Goetz 2018: 128). Bei der qualitativen Auswertung ihrer Daten achtet die Autorin vor allem darauf primär die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und für die Kontrastierung weitere Daten auszuwählen (vgl. ebd. S.128). Goetz hebt hervor, dass bei der Interpretation der Daten berücksichtigt werden muss, dass die Leitung bei der Auswahl der Teilnehmenden für die Gruppendiskussion entsprechend persönlicher Prioritäten vorgegangen ist (vgl. ebd. S.427).

Geltungsbegründung

Da die Studie sowohl quantitative als auch qualitative Forschungsprozesse beinhaltet werden wir im folgenden die Gütekriterien für die einzelnen Forschungsabschnitte analysieren. Die quantitativen Gütekriterien sind Objektivität, Reliabilität und Validität. (vgl. Steinke, 2013, S.319) All diese sind in ihrem ersten Teil der Forschung wiederzufinden.So kann beispielsweise laut Goetz durch die geschichtete Zufallsstichprobe auf die Grundgesamtheit geschlossen werden. (vgl. Goetz, 2018, S. 140) Nach Steinke können “Quantitative Kriterien […] aufgrund der vergleichsweise geringen Formalisierbarkeit und Standardisierbarkeit qualitativer Forschung nicht unmittelbar auf diese übertragen werden” (Steinke, 2013, S.322). Die Forscherin ist sich dessen bewusst und zieht für den zweiten Forschungsabschnitt weitere Gütekriterien heran (vgl. ebd., S. 164). Dabei listet Goetz die weiteren Kriterien auf und erklärt diese kurz. Die Forscherin gibt jedoch keinen genauen Einblick, inwieweit sie diesen Kriterien nachkommt. Sie schreibt lediglich, dass “die Gütekriterien […]in der weiteren Umsetzung des Forschungsvorhabens beachtet sowie in der Diskussion und Gesamtbetrachtung der Ergebnisse prüfend herangezogen (werden)” (Goetz, 2018, S.165). Die genaue Verwendung der Kriterien sowie die einzelnen Schritte dieser im Forschungsprozess macht sich dem Lesenden nicht transparent. Sie ist sich bewusst, dass durch die befragten Eltern nicht auf die gesamte Elternschaft geschlossen werden kann (vgl. Goetz, 2018, S. 185).

Forschung als Diskurs

Nach Flick ist es eine Selbstverständlichkeit, im Zuge einer kommunikativen Validierung, den Befragten nach Abschluss des Forschungsprozesses eine Rückmeldung zu geben (vgl. Flick, 1995, S.170). Goetz erwähnt im Zuge ihrer Studie zwar Nachgespräche, welche an die einzelnen Gruppendiskussionen anschließen sollten, reflektiert allerdings weder den genauen Zeitpunkt noch den Inhalt dieser Gespräche (vgl. Goetz, 2018, S.349). Aus der Studie geht nicht hervor, ob die Beforschten eine Rückmeldung über die Ergebnisse erhalten haben.

Die Autorin in ihrer Dissertation verschiedene Ansätze, die eine Veränderung der Situation herbeiführen könnten. Hierbei spricht sie vor allem von Fortbildungen für die Erzieher*innen, sowie von möglichen Teilnahmen an medienpädagogischen Projekten. Allerdings geht sie nicht darauf ein, ob diese Ideen an die Träger weitergegeben oder umgesetzt wurden (vgl. ebd. S.413).

Die Autorin ist sich darüber bewusst, dass ihre Studie nicht vollständig ausgeschöpft wurde: „Es erscheint unmöglich das Material in seinem Umfang vollständig auszuwerten“ (ebd. S.156), betont aus diesem Kontext heraus jedoch auch, dass es notwendig ist, das Theoriefeld ihrer Arbeit erneut in einem größeren Rahmen zu betrachten, um daraufhin „geeignete Fortbildungs- und Unterstützungsangebote“ (ebd. S. 429) entwickeln zu können.

Die Dissertation bietet eine übersichtliche Dokumentation der Erkenntnisgewinnung. Die Autorin führt die einzelnen Erkenntnisse der geführten Gruppendiskussionen auf und schließt diese mit separaten Faziten ab. Auch die Befragungen visualisiert sie in eigenständigen Zusammenfassungen, welche schlussendlich im Endergebnis ihrer Studie zusammengeführt werden (vgl. ebd. S.186ff).

Literatur

Flick, Uwe (1991): Stationen des qualitativen Forschungsprozesses. In Flick, Uwe: von Kardoff, Ernst; Keupp, Heiner; von Rosenstiel, Lutz; Wolff, Stephan (Hg.): Handbuch. Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. Psychologie Verlags Union, Weinheim 3. Auflage.

Flick, Uwe (1999): Qualitative Forschung. Theorie, Methoden, Anwendungen in Psychologie und Sozialwissenschaften, Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH.

Flick, Uwe (2004): Triangulation. Eine Einführung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften/GWV Fachverlage GmbH.

Flick, Uwe (2009): Sozialforschung. Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für die BA-Studiengänge, Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Goetz, Ilka (2018): Steuerungsmechanismen zur Sicherstellung der Medienbildung in Kindertagesstätten. Eine empirische Studie zur Kindertagesbetreuung im Land Berlin. Online publiziert auf dem Server der Deutschen Nationalbibliothek: http://d-nb.info/116800960X [Letzter Zugriff: 15.06.2019].

Steinke, Ines (2000): Gütekriterien qualitativer Forschung. In Flick, Uwe: von Kardoff, Ernst; Steinke, Ines (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Rowoldt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg

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