====== Tandem 16 ====== //Hinweis: Bitte ändern Sie die Nummer ihres Tandems und ergänzen ihre Namen.// * Tandempartner 1: Manuela Herrlinger * Tandempartner 2: Jasmin Gebhart ===== Einleitung ===== Die Dissertation „Was bleibt? Erinnerungen an die Volksschule – Eine empirische Studie zur Lehrprofessionalität“ wurde von Michael Nader 2015 an der Uni Dresden veröffentlicht. Michael Nader will mit seiner retrospektiven Studie feststellen, was „unabhängig von pädagogischen Strömungen, Trends, Zuschreibungen und Erwartungshaltungen, für sie [Volksschüler] nachhaltig von Bedeutung geblieben ist“ (Nader, 2015, S. 10). Die grundlegende Erinnerung an das, was „tatsächlich“ gelernt wird und „bleibt“, bietet den angehenden LehrerInnen in Zukunft eine Steigerung der Lehrprofessionalität in Bezug Wissen (vgl. Nader, 2015, S. 13). Für den Forschungsprozess wurden ehemalige SchülerInnen im Raum Niederösterreich, welche die Volksschule zwischen 1930 – 2000 abgeschlossen haben, zu ihren Erinnerungen befragt, um daraus weiterführende Kategorien zu entwickeln (vgl. Nader, 2015, S. 160). ==== Verhältnis Theorie-Gegenstand ==== In einem qualitativen Forschungsprozess wird zu einem theoretischen Modell eine Hypothese auf-gestellt, um diese dann mittels empirischer Daten zu überprüfen oder die Konzepte und empiri-schen Daten dienen als Ausgangspunkt, um daraus eine Theorie zu bilden. Explizite Theorien, wie in der PIRLS-Studie oder der NIMMS-Studie laufen Gefahr, sich von der Wichtigkeit in Alltagsituati-onen zu entfernen und nicht genau das widerzugeben, was tatsächlich in der Erinnerung hängen bleibt (vgl. Nader, 2015, S. 13). Der theoretische Einstieg in das Forschungsfeld mittels Literatur dient als Hintergrundwissen für die Entwicklung der Fragen und als „Basis der neu gewonnenen empirischen Erkenntnisse“ (vgl. Nader, 2015, S. 46). Durch das Prinzip der Offenheit, räumt Nader „den Daten und dem untersuchten Feld Priorität gegenüber theoretischen Annahmen“ (Flick, 1995, S. 150) ein. Der Forschungsgegenstand wird also durch das Subjekt strukturiert und theoretisches Vorwissen verliert seine Priorität. Die Schwierigkeit der impliziten Hypothese ist oft, dass auf Erfahrung und Vorwissen basierende Hypothesen wenig reflektiert und unkontrolliert sein können. Dies umgeht er mit der gleichschwebenden Aufmerksamkeit, um nicht nur bestehendes Wissen zu verfolgen, sondern für Neue Aspekte aufmerksam zu bleiben (vgl. Flick, 1995, S. 151). ==== Fragestellung & Forschungsperspektive ==== Laut Nader (2015, S. 9) entwickelt sich unsere Gesellschaft immer mehr zur Wissenschaftsgesellschaft. In Zeiten des E-Learning sind davon auch immer mehr Volksschulen betroffen, sodass er von einer Globalisierung der Kinder spricht. Es wird befürchtet, dass die Kinder schon in der Grundschule mehr leistungsorientiertes Lernen erfahren, als es für Ihre Bedürfnisse notwendig wäre (vgl. Nader, 2015, S. 10). Die Studie hat einen explorativen Charakter und legt den Fokus auf die historische Sozialforschung. In der Frage „Welche kollektiven Erinnerungen können in allen noch lebenden Alterskohorten hinsichtlich deren Volksschulzeit in Niederösterreich rekonstruiert werden?“ geht es in erster Linie darum, eine grobe Übersicht der Erinnerung zu erstellen. Detaillierter wird der Einstieg in das Thema durch die Fragen „Welche Unterschiede/Gemeinsamkeiten in den kollektiven Erinnerungen an die Volksschule können in den verschiedenen Alterskohorten festgestellt werden?“, und welche Ursachen und Erklärungen können dafür vermutet werden? (vgl. Nader, 2015, S. 16-17). Ziel war es für Nader, die Effekte der Volksschule zu ermitteln, wobei die Erkenntnis nicht auf die individuelle Erinnerung zu beziehen ist, sondern vielmehr auf die systemisch-zeitlich Perspektive (vgl. Nader, 2015, S. 101). Die Forschungsperspektive richtet sich im Forschungsprozess auf das Subjekt und dessen Erinnerung, die es zu verstehen gilt und teilweise auf die „Deskription der Lebenswelt“ (Flick, 1995, S.152), in der sich ein Volksschüler in den verschiedenen Jahrzehnten befindet. Durch die Vielzahl von einzelnen Befragungen hinsichtlich bestimmter Ausschnitte wird die Komplexität der Erinnerungen einzelner Personen in dieser Vergleichsstudie reduziert und analysiert. ==== Annäherung an das Feld ==== Die Annäherung an das Feld erfolgte mit der Grounded Theory. Dabei werden „den Daten und dem untersuchten Feld Priorität gegenüber theoretischen Annahmen eingeräumt“ (Flick, 1995, S. 150). Begleitend dazu wurde auch die Literaturrecherche in diesem Feld durchgeführt. Die Rolle des Forschers war in diesem Fall in hohem Maße zurückgedrängt, weil sich narrative Interviews auf symbolischen Interaktionismus beziehen und dem Befragten nur einen Anstoß zur Erzählung geben (vgl. Nader, 2015, S. 100). Die Untersuchungen fanden in Niederösterreich an verschiedenen regionalen Städten und Schulen statt. Die Entwicklung der o.g. Kategorien führte die Forschungsgruppe zur Inhaltsanalyse. „Der Personalbestand der Volksschule setzt sich aus SchülerInnen, Lehrern, Direktoren und anderen beschäftigten Personen zusammen. Das Personal verdient im Folgenden genauere Betrachtung, da es der gewählte Zugang zum Forschungsfeld ist. […] Der im Rahmen dieser Studie gewählte empirische Zugang führt über die Personen, die in der Institution Volksschule handeln“ (Nader, 2015, S. 58). ==== Sammlung der Daten ==== Die Datensammlung fand zwischen den Jahren 2011 und 2012 statt. Die Strukturierung der Daten verlief anfänglich vollständig durch das Subjekt mit Hilfe der Methode des narrativen Interviews. Im späteren Verlauf der Studie wurden die Daten teilweise durch den Forscher und das Subjekt mit der Methode des Leitfaden-Interviews strukturiert (vgl. Flick, 1995, S. 159). Die Studie ist ein Mixed Method Design und besteht aus einem ersten qualitativen Studienteil und einem zweiten quantitativen Studienteil. Im qualitativen Teil wurden die verschiedenen Interviewtypen mit einer großen Gruppe ehemaliger SchülerInnen durchgeführt. Die anfängliche Befragung verlief durch die Methode Oral History und der biografischen Forschung. „Um die subjektive Ebene im Laufe der Arbeit verlassen zu können, wird die Anzahl der Respondenten höher gewählt und die Methoden trianguliert. Es wird somit aus vielen individuellen Sichtweisen ein kollektives Abbild der Erinnerungen an die Volksschule entworfen“ (Nader, 2015, S. 35). Aus neun verschiedenen Kategorien (angenehme Erinnerungen, unangenehme Erinnerungen, prägende Erlebnisse, Lehrpersonen, Mitschüler, das Lernen, Eltern, Schulumgebung und die Auswirkungen der Schule auf den weiteren Lebensweg) ließ sich ein Leitfadeninterview entwickeln, welches Studenten an den Schulen durchführten. Die dafür Ausgewählten 549 SchülerInnen waren andere als die der ersten Interviews. Aus der abschließenden Samplingstrategie im qualitativen Teil wurde eine empirische Studie erstellt, um die vorangegangen Daten auszuwerten und daraus einen Fragebogen (n1371) zu entwickeln. Dieses Verfahren zur Datensammlung benennt Flick (1995, S. 156) als rekonstruktives Verfahren. ==== Fixierung der Daten ==== Eine Aufbereitung der gesammelten Daten, besonders durch Interviews, wird durch eine Aufzeichnung mit Kassetten oder Videorecordern genauer und erlaubt in der Situation des Interviews eine Natürlichkeit des Redeflusses. Die Unabhängigkeit beider Gesprächspartner voneinander wird, wie Flick bereits beschreibt, natürlicher. Die Aufgezeichneten Daten müssen verschriftlicht werden, damit sie weiter verarbeitet werden können. Sie dienen sowohl der Datensammlung als auch zur Weiterverarbeitung, um später gegebenenfalls Theorien zu bilden. Die Methode, die hierfür gewählt wird, ist nicht fest vorgeschrieben (vgl. Flick, 1995,S. 161). In der vorliegenden Studie wurde als zweiter Teil der Datenfixierung der Fragebogen ausgewählt um die Häufigkeit und verschiedenen Entwicklungen im Untersuchungszeitraum festzustellen. Demografische Daten wurden im Voraus erhoben (vgl. Nader, 2015, S. 236). Die Antwortmöglichkeiten der gestellten Fragen reichten von Ablehnung bis Zustimmung mit Hilfe einer Likert-Skala. Es wurden absichtlich andere Respondenten zum Ausfüllen des Fragebogens mit seinen 108 Variablen gewählt, als zur Interviewserie. ==== Interpretation der Daten ==== Wie Flick (1995, S. 163-164) bereits sagt, steht die qualitative Forschung in einem Spannungsfeld zwischen einem zu untersuchenden Fall, allgemeinen Zusammenhängen und allgemeinen Aussagen, die getroffen werden sollen. Die Interpretation erfolgt somit in zwei Schritten: die Interpretation der Einzelfälle und eine fallvergleichende, allgemeine Interpretation. Die erste Theorie, die bei Naders Studie gebildet wird, basiert auf der individuellen Ebene. Die Erinnerungen der Respondenten werden im zeitlichen Verlauf zunehmend angenehmer. Eine eher überraschende Feststellung, vermerkt er beim Lehrpersonal. Die SchülerInnen verbinden mit Ihnen vorwiegend positive Erinnerungen. „Investitionen in den Personalstand der Institution Volksschule, welche die Lehrpersonen stärken, scheinen somit äußerst sinnvoll.“ (Nader, 2015, S. 298). Die Interpretation der gesammelten Daten lässt die Vermutung zu, dass eine große Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen Sozialisationserwartungen und den Erinnerungen der Respondenten besteht. Derzeit fortschreitende pädagogische Strömungen können als positiver Trend gesehen werden. Es gibt Reformpädagogische Entwicklungen, bei denen das Kind im Mittelpunkt steht und deren Konzepte langsam in die Volksschulen diffundieren. Die letzten beiden Alterskohorten haben aber die höchsten und niedrigsten Variablen-Werte, was darauf schließen lässt, dass es kaum noch möglich ist, Erinnerungen besser oder weniger unangenehm zu machen, da die mögliche und maximale Wirksamkeit in den untersuchten Kategorien langsam erreicht zu sein scheint (vgl. Nader, 2015, S. 292-299). ==== Geltungsbegründung ==== Flick sagt hierzu, dass es sowohl um die Entstehung der Evidenzen geht, als auch wie sich diese absichern und vermitteln lassen. Das Bedeutet, wie der Forscher seine Ergebnisse begründet. Dabei muss er auf Gütekriterien zurückgreifen um sie einem Dritten zu vermitteln (vgl. Flick, 1995, S. 167). Auch Nader stellt in seiner Studie gleich den Unterschied dar, der die Gütekriterien einer qualitativen und quantitativen Forschung auszeichnet. Quantitative Verfahren sind dabei stets auf normierte Algorithmen zurückzuführen, während bei den qualitativen Verfahren eine sehr viel freie Wahl der Werkzeuge möglich ist, wodurch sie stärker diskutiert werden (vgl. Nader, 2015, S. 140). Die präsenten Gütekriterien sind jedoch bei beiden Varianten die Reliabilität, Validität und die Objektivität. Nader erklärt diese Begriffe in seiner Studie wie folgt: Reliabilität meint, das im Rahmen einer Forschung durch wiederholte Messungen gleiche Ergebnisse entstehen, sowohl bei unterschiedlichen Forschern als auch bei zeitlich versetzen Messungen. Objektivität, ein umstrittener Begriff, meint, dass unabhängige Forscher zu den selben Ergebnissen um das Wissen des Forschungsgegenstandes kommen. Validität ist die Übereinstimmung von Fragestellung und Forschungsergebnis und ob diese für den angegebenen Forschungsbereich gültig oder darüber hinaus allgemein gültig sind (vgl. Nader, 2015, S. 141). Nader erkennt die Vielfältigkeit der qualitativen Forschung die im Gegensatz zu den normierten Algorithmen der quantitativen Forschung entstehen und versucht durch Phasen der offenen Diskussion und Regelleitung der Problematik zu begegnen. Dabei wurden nachdrücklich die Glaubwürdigkeit der Interviews und die Formalitäten der Transkripte überprüft. Bei einer festgestellten Abweichung vom Standard wurden die Daten nicht zur weiteren Verarbeitung genutzt (vgl. Nader, 2015, S. 150). ==== Forschung als Diskurs ==== Das Subjektverständnis und die Einbeziehung der Erforschten im Zusammenhang mit der authentischen Datenermittlung soll hier, laut Flick, genauer berücksichtigt werden. Durch das Wissen der Teilnahme an einer Befragung sind die Probanden wachsamer und realisieren den Wachsenden Gewinn, der durch ihren Beitrag der Forschung zu Gute kommt. Die Einbeziehung der Befragten in die Interpretation der eigenen Daten ist jedoch fragwürdig, da diese kaum in der Lage sind, ihre Sichtweise objektiv zu reflektieren. Eine Nachträgliche Rückmeldung zur Forschung kann von den Teilnehmern auf Unverständnis und Desinteresse stoßen. Laut Flick sollen Ergebnisse von vornherein auf eine Vergleichsebene angesiedelt werden um das Verständnis zu erhöhen (Vgl. Flick S. 170). Die Erkenntnis der Betroffenen soll dabei mehr im Vordergrund stehen, als die Präsentation der Ergebnisse. Hierbei gibt es abgesehen vom Diskurs nach außen, als der Betroffenen, auch den Diskurs nach innen, also den der beteiligten Forscher. Dieser innere Diskurs des Dokumentierens und Reflektierens mehrerer Forscher verleiht dem Prozess der Geltungsbegründung jedoch mehr Authentizität und Vertiefung (Vgl. Flick S. 170). Nader versucht besonders den inneren Diskurs durch die große Anzahl an Studierendenberichten einzugrenzen. Transkripte wurden den Studierenden absichtlich mehrmals vergeben. ==== Literatur ==== Flick, U. (1995): Handbuch Qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. 2. Auflage. Weinheim: Beltz / Psychologie Verlags Union. Nader, Michael (2015): Was bleibt? Erinnerung an die Volksschule. Eine empirische Studie zur Lehrprofessionalität. Dresden: 2015. Dissertation Dresden: Technische Universität - Fakultät für Erziehungswissenschaften. ===== Kommentare ===== ~~DISCUSSION~~